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Warum deine Schweizer Band keinen Auftritt kriegt—und wie es trotzdem klappt

Als kleine Schweizer Band Shows zu kriegen ist nicht einfach. Ja, die Chancen stehen wohl sogar schlechter, als du gedacht hast.

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Letztens in meinem Club: Ich sitze in der Küche, die uns vor allem als Pausenraum dient und rauche und quatsche mit Leuten aus meinem Team. Eine meiner Barkeeperinnen kommt nach hinten. „Kissi, kannst du schnell kommen? Dich verlangt jemand an der Bar“, sagt sie.

„Hey! Du organisierst also die Konzerte hier“, begrüsst du mich. Deine Augen blicken hoffnungsvoll zwischen deinen langen Haaren hindurch. Ich verliere meine Anspannung. Und das Interesse. „Ich bin der Chef“, sage ich und du: „Cool! Dein Lokal ist voll geil!“, und dann: „Ich hab auch eine Band.“—„Mhm“, mache ich. „Ich hab dir vor ein paar Tagen eine E-Mail geschrieben. Hast du die gesehen?“, fragst du mich und ich: „Kann sein. Ich bekomme viele Mails.“—„Wär wirklich cool, wenn wir hier spielen könnten“, sagst du. „Mhm“, sage ich. Und dass du das Ganze noch einmal schicken sollst und ich mich bei dir melden werde.

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Das werde ich aber wahrscheinlich nicht tun, mich melden. So wie die meisten Clubs, die du angeschrieben hast. Zu gross ist die Flut an Anfragen, zu bescheiden die zeitlichen und finanziellen Ressourcen in den meisten Locations. Doch ich kenne das ja, spiele selber in einer Band (die auch kaum vom Fleck kommt), kenne die Träume von luxuriösen Nightlinern, jubelnden Fans und exzessiven Backstage-Partys. Deshalb hier zehn Tipps, wie ihr es zumindest schafft, dass es sich ein Veranstalter zumindest überlegt, euch auf seine Bühne zu holen.

Keine physischen Tonträger (ausser Vinyl)!

Klar ist es ein Zeichen von Grosszügigkeit, wenn ihr gleich euer neues Album schickt und dann erst noch in der Double Deluxe Limited Edition. Und klar zeugt es von einem Extra-Effort, wenn ihr eure Bandbiographie ausdruckt, vielleicht sogar auf Hochglanz drucken lässt. Doch sind wir ehrlich: Es ist mühsam. Nicht nur, weil es Platz braucht und stapelweise CDs und Blätter noch unübersichtlicher sind als ein Haufen Mails, sondern auch, weil ich mich dann hinsetzen, die Scheibe in Anlage oder Computer einschieben und auf Play drücken muss. Ausserdem kaufe zumindest ich (und nicht nur ich Vinyl) nur noch Vinyl. Also wenn ihr euch schon aufspielen wollt, dann gleich richtig.

Keine angehängten Dateien!

Schon besser, aber immer noch nervtötend: Bewerbungsmails mit einem Anhang so gross, dass sie früher nicht einmal auf einen USB-Stick gepasst hätten. Die Zeiten der Speicherplatz-Knappheit sind zwar langsam aber sicher vorbei, doch gilt wie schon beim vorherigen Punkt: Umso weniger Aufwand, umso grösser die Chance, dass ich mir euch anhöre. Ob Bandcamp, Soundcloud, Facebook oder Spotify: Jede ernst zu nehmende Band sollte ihren Sound online verfügbar machen. Ein Link dazu und meine Aufmerksamkeit ist nur einen Klick entfernt.

Zeig dich!

Natürlich geht es in erster Linie um deinen Sound. Du spielst ja aber nicht hinter einem schwarzen Vorhang versteckt—man sieht dich. Also zeig dich auch. Nur schon der Gedanke nämlich, dass ich für den FB-Event von eurem Konzert im Netz ein Symbolbild suchen müsste, lässt mich deine Anfrage in den Papierkorb (ob nun in den digitalen oder realen) verschieben. Und wenn ich zwischen einem Soundcloud- und einem Youtube-Link wählen kann, dann klick ich auf letzteres. Also fragt euren ZHDK-Kumpel oder eure Photoshop-Freundin und lasst euch ablichten bzw. filmen (und fügt dann die Links dazu ins Mail und ja nicht die Fotos selber).

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Nervtötende Beharrlichkeit!

Ich hasse mich schon jetzt dafür, euch das zu verraten, aber: Nachhaken hilft. Ihr werdet mir und allen anderen Veranstaltern damit auf den Sack gehen und es kann gut sein, dass wir euch dafür hin und wieder am liebsten eure Instrumente um den Kopf hauen würden, aber wir müssen auch zugeben: Wir können uns nicht alles merken. Denn wenn eine Anfrage nicht gleich passt, nicht gleich irgendwo zwischen dem Passion- und dem Business-Zentrum in unserem Hirn angelangt, dann ist die Chance, dass wir uns später daran erinnern erschreckend klein. Und wer dann eben auch noch vorbeikommt, der bleibt im Gedächtnis. Bedenkt, dass dabei aber das Risiko besteht, es erst recht zu vergeigen.

Mach dich schlau!

Du willst wirklich in diesem Club spielen? Dann zeig das auch oder tue wenigstens so. Mach dich schlau, was für eine Art Location es ist. Veranstaltet der Club selber oder gibt es Reihen, die von anderen Leuten aufgezogen werden? Wer ist verantwortlich? Gibt es ein Kontaktformular? Viele Clubs erklären dir haargenau, wie sie Bewerbungen wollen und wenn du dich nicht mal da dran halten kannst, zweifeln wir Veranstalter alle daran, dass du dich an einen Zeitplan oder eine Lautstärke-Regel halten kannst.

Heuchel!

Das Veranstalter- und Programm-Macher-Leben ist kein leichtes. Die wenigstens Shows lohnen sich finanziell und kaum ein Abend läuft so, wie man sich das vorgestellt hat und wenn doch, wenn die Party läuft, dann checken die wenigsten der Gäste, dass sie dir danken sollten, sondern bejubeln die Band und allenfalls noch den Barkeeper, der ihnen Shots auf den Tresen stellt. Nur schon deswegen kann das eine oder andere, natürlich nicht zu übertriebene Lob (zum Programm oder zum Ambiente oder in meinem Fall zu den grandios gelockten Haaren) in einem Bewerbungsmail Wunder bewirken.

Sei konkret!

„Hallo! Wir würden gerne mal bei euch spielen.“ Das ist ehrlich. Das ist höflich. Das ist unaufdringlich. Aber auch schwammig, unverbindlich und somit ein Freipass für mich, das Mail zu lesen, liegen zu lassen und zu vergessen. Generell gilt: Umso klarer deine Anfrage (für einen Support-Slot, einen bestimmten Zeitraum etc.), umso eher kommt Antwort. Die kann zwar dann auch negativ ausfallen, aber wenigstens wurde deine Mail wahrgenommen und wenn du es das nächste Mal versuchst, kannst du darauf Bezug nehmen und hoffen, dass sich die grauen Zellen immer noch daran erinnern.

Such dir einen (guten) Booker!

DIY ist ja schön und gut, aber manchmal kommt man alleine einfach nicht weiter. Deswegen gibt es Booker. Die machen all das, was du nicht kannst, zumindest wenn sie gut sind. Sie verschicken Links statt Dateien. Sie verkaufen dich als was Grosses. Sie tun so, als ob ihr eine Tour planen würdet (auch wenn ihr zufälligerweise nur drei Shows in einem Monat spielt). Sie vernetzen sich mit Clubs und Veranstaltern und sie beschaffen sich sogar meine Telefonnummer und wecken mich morgens um 9:00 Uhr, um zu fragen, ob ich ihr verdammtes Mail schon gesehen habe. Booker sind mühsame Gestalten und genau deswegen nützlich für dich, ausser sie wollen partout nicht über eure Gage verhandeln.

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Bleib bescheiden!

Der Hauptgrund, warum wir Veranstalter überhaupt Konzerte machen: Wir lieben Musik! Und schätzen die Arbeit von euch Musikern auch dementsprechend. Wie gern würde ich jedem Act, der bei mir spielt, doch eine 1000er-Note in die Hand drücken und dazu die Jacuzzi-Suite im Hotel nebenan buchen. Doch leider macht die Gratis-Kultur, die euch die Albumverkäufe zerstört, auch uns das Business schwer. Höhere Gage heisst höheres Risiko, heisst höhere Eintrittspreise, heisst höhere Hemmschwelle für Gäste, die euch nicht kennen, heisst weniger Bareinnahmen. Heisst rote Zahlen für uns und ein mickriges Publikum für euch. Und wenn ich dann ein paar Minuten später noch das Angebot von schwedischen Vintage-Rockhelden kriege, dass sie mit EUR 300 für eine exklusive Show vollkommen zufrieden wären, hab ich deine Mail in Gedanken bereits in den Papierkorb verschoben.

Vernetze dich!

Am Ende entscheiden irgendwelche Leute darüber, ob du eine Show kriegst oder nicht und es versteht sich von selbst, dass man zu Menschen, die man kennt und vielleicht sogar sympathisch findet, schwieriger „Nein“ sagen kann. Was das für dich heisst: Socializing extreme! Geh an Shows, werde Teil der Szene und finde heraus, wer die Leute sind, die etwas zu sagen haben. Anbiedern musst du dich dann nicht gerade, doch gegen etwas Small Talk ist eigentlich selten etwas einzuwenden (und schadet noch seltener). Zumindest bei mir ist danach die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf ein persönlich adressiertes Mail antworte, um einiges höher, wenn ich weiss, wer mir da genau schreibt. Und wenn ich schon einmal mit dir die Nacht durchgefeiert habe, stehst du sowieso schon praktisch auf unserer Bühne.

Kissi auf Twitter: @kissi_dk