FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Warum das Springfestival niemandem abgehen wird

Das Springfestival geht unter—und das ist auch gut so. Grazer Gegenstimmen zu unserem Artikel gestern.

Am Mittwoch reichte das Springfestival Insolvenz ein. Die Situation war undurchsichtig. Man hörte schnell ungefähr alles von „das Ding ist tot“ bis „Taktik, findet defintiv statt“. Wir dachten an die großartigen, betrunkenen Wochenenden in Graz und schrieben in einer emotionalen Reaktion fünf subjektive Gründe auf, warum das Springfestival weitergehen sollte. Auf den Artikel bekamen wir viel positive Reaktion, aber auch negative, vor allem aus Graz selbst. Wir haben zwei Kritiker gebeten, ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Anzeige

Bock auf Betriebsurlaub?

(Marlon T.L.Fink)

Nachdem die Aufruhr komplett unberechtigt, weil nicht verwunderlich, gar schon lange absehbar und das Stolperstückerl überfällig war, hier einige Gründe warum sich’s nicht auszahlt ein bemitleidenswert infantiles Telefongespräch wie auch eine armselige Petition zur Rettung des Spring Festivals (knapp 800 Leute, die zuerst nachdenken sollten, bevor sie liken) reaktionslos hinzunehmen:

1. Das Team rund um Stefan Auer muss es mit sich rumtragen, dass der Größenwahn einer Speerspitze nur Dank der fehlenden Substanz des Speers zum Absturz führt. How come? Ist ja nicht so als müsste man das alles einzig ersterer Person zuschreiben. Imho Kapitalversagen (ja, doppeldeutig) und im Kollektiv auf allen nur erdenklichen Ebenen. Virtuell und im Print in der Marketing&Kommunikationsabteilung. Natürlich steckt da jeweils genügend Arbeit dahinter, aber wieso diese so kopflos ausführen? Wo seid ihr alle ausgebildet worden? FH Joanneum? Creative Industries? Zwischenmenschlich in Realitas—how many local and international folks can we piss off while treating them wrong ones dirty handjobs a dozen? Schämt euch! Eure Arbeitsplätze gäb’s nicht ohne die harte Arbeit der KünstlerInnen wie dem Knedl des Publikums.

2. Ausständige Gagen—was geht? Ein Festival erteilt sich selbstredend, wie auch jede/r einzelne/r Promoter/in und schlussendlich alle Veranstaltungsorte dies auch IMMER tun, die Aufgabe eines Mediators zwischen KünstlerInnen und Publikum. Ein Festival sollte das Medium sein, welches diesen Austausch auf mehrerlei Ebenen ermöglicht, fördert und erst letztrangig davon profitiert. Es darf einfach nicht so sein, dass ein Festival den monetären Verdienst der KünstlerInnen, denen dieser wegen ihres jahrelangen, oft unentgeltlichen Strugglens redlichst zusteht, einsackt oder nicht wie vertraglich vereinbart auszuzahlt. Erbrachte Leistung ist erbrachte Leistung. Nicht zu zahlen—mit welchem Vorwand auch immer— ist absolut unnötig. #zerotolerance also, weil’s peinlich und schlichtweg hinterfotzig ist. Es bleibt darauf zu warten, dass jene Unabgegoltenen den Aufwand rechtlicher Schritte auf sich nehmen, betteln und nerven müssen, vor allem wenn’s sich um geringe Summen unter 1-2k abspielt, oder nicht? Stacks ain’t piling up, Spring, don’t they?

Anzeige

3. Und das schon nicht seit 2005 (!), wie’s in der Zeitschrift FRONTAL [2010/10: 34-5] von Gregor I. Stuhlpfarrer festgehalten wurde:

Dass er [Anm.: Stefan Auer] mit dem Spring-Festival an die Grenzen dessen gegangen ist, was der Verein Zeiger, der das Festival organisierte, zu leisten in der Lage war, kann Auer allerdings nicht leugnen. Er bestätigt auch, dass er in Eigenregie, und ohne den Vereinsvorstand zu befassen, einen Kredit in der Höhe von 40.000 Euro aufgenommen hat. „Den Kredit habe ich aufgenommen, um den Verein vor dem Konkurs zu bewahren. Es gab Verbindlichkeiten des Vereins aus dem Jahr 2005. Ich habe mich letztlich dazu entschlossen, diese Sache mit Hilfe eines Kredits abzudecken, für den ich persönlich hafte. Niemand außer mir wollte in die Verantwortung genommen werden.

Und dann nochmals in der darauffolgenden Ausgabe [FRONTAL 2010/11: 38-9] wiederum von Stuhlpfarrer mit eindeutigen Zahlen in Sachen Subventionierung belegt werden konnte:

Warum die Politik im Zusammenhang mit dem Spring-Festival jede schiefe Optik vermeiden muss liegt auf der Hand: Das Spring-Festival konnte in den letzten Jahren stets mit Subventionen der öffentlichen Hand rechnen. So wurden dem Verein Zeiger aus dem Kulturressort der Stadt Graz für das Spring-Festival 2009 Subventionen in der Höhe von 14.025 Euro gewährt, zudem wurden dem Festival fünf mietfreie Tage in der Festival-Location Dom im Berg zur Verfügung gestellt. „Das hat einen Gegenwert von rund 12.000 Euro“, sagt Helga Mitterbauer aus dem Büro von Stadtrat Riedler. Im gleichen Zeitraum flossen aus dem Ressort für Wirtschaft und Tourismus der Stadträtin Sonja Grabner 17.000 Euro an die Veranstalter, aus den Mitteln des Tourismusverbandes wurden noch einmal 40.000 Euro überwiesen.

Anzeige

(ACHTUNG: Um den Artikel aus dem FRONTAL gab es eine juristische Auseinandersetzung. Einem ehemaligen MItarbeiter des Springs wurde verboten, bestimmte Äußerungen, die im Artikel wiedergegeben wurden, zu widerholen. In unserem Artikel geht es nicht direkt um diese Behauptungen. Trotzdem: Der Vollständigkeit halber kann man das Urteil hier nachlesen. Anm. d. Red.)

4. Graz ist eine Stadt, die sich ständig auf falscher Identitätssuche befindet (file-under: krasse Kürzungen im Kultur- und Sozialbudget aber gleichzeitig City of Design werden; Schließung funktionierender, jedoch „unrentabler“ Locations; Verbotsmadness; blau-getränkte Wahlergebnisse; etc. pp.) und sich schulterklopfend mit rückschrittlichen Sanktionen gegen die Kunst-, Kultur-, wie auch Jugend- und Migrationsbereiche rühmt. Städtebaulicher Wahnwitz gepaart mit verkehrspolitischem Versagen wie auch unzähliger Ausrottungsversuche des kulturellen Treibens sind nur zwei Aspekte, welche durch ein Festival, das nichts zur Nachhaltigkeit (einer lokalen Szene) und dem ohnehin schon mehr als nur angeschlagenen Ruf der ehemaligen Kulturhauptstadt beiträgt. Wieviel Geld hätte man einsparen können mit dem Verzicht des Einsatzes eines Shuttle-Bus-Services (Cabrio-Busse versteht sich, ist ja schließlich Mai)? Know your habitat, fools! Also vor allem, wenn alle Locations mit Ausnahme vielleicht der List oder Stadt Halle innerhalb von 10-15 Gehminuten erreichbar sind. Im Speziellen wirft hier halt einfach das Versagen in finanziellen Belangen seitens des Festivals ob seiner „Dimensionen“ leider einen höchst unprofessionellen Schatten auf alle in dieser Stadt im Kunst- und Kulturbereich tätigen Menschen. Danke dafür! Wird dann eher schwierig werden, vor Jahren nicht bezahlte Acts nochmal in die Stadt bekommen zu können, beziehungsweise junge talentierte Menschen von der Auswanderung abzubringen. Und herzlichen Dank auch für die Inkompetenz der Förderstellen (Stadt Graz, Land Steiermark, Bund, blabla), die sich dadurch nur allzu gänzlich glänzend hervorhebt. Oder anders formuliert: Geschissen auf eure Augenauswischerei und Freunderlwirtschaft. U-N-I-T-Y funktioniert anders. City of Design zu sein heißt es sich wohlwollend gegenseitig Oarschkrawatten umhängen zu können.

Anzeige

5. Lokale KünstlerInnen und WegbegleiterInnen des Festivals zu verweisen, dadurch inter/nationale Vernetzung systematisch zu unterbinden (die Spring Sessions mehr eine Ausrede) wie auch (legitime) Gegenveranstaltungen einer blühenden lokalen Musikerszene nicht zu tolerieren, zeugen leider von einer niederen Menschlichkeit, einem unweitsichtigen Mindset und schlichtweg hoher sozialer Inkompetenz seitens der Veranstalter. Kein Mitleid also.

6. In diesem Sinne: News ain’t new.

Auf der nächsten Seite: 10 Gründe, warum das Springfestival niemandem abgehen wird,

Folgt Noisey auf Facebook und Twitter.

____________

MEHR VON NOISEY

xxxy ist ein Idol für Teenie-Popstars

Wir haben Rupert Taylor aka xxxy in Wien getroffen und mit ihm über Bondax, Pierogi und alte Funk-Platten geredet.

Die Beth Edges sind nicht die Feinde der Indianer

Wir haben mit der Band über nackte Männer, Crowdfunding und Tarantino gesprochen.

Alle schlimmen Sachen, die Pharrel je gemacht hat

Man muss sich immer wieder verdeutlichen, dass auch er nur ein Mensch ist. Deshalb haben wir alles gesammelt, was er mal falsch gemacht hat. Hier unser Worst of Pharrel.

10 Gründe, warum das Springfestival niemandem abgehen wird

(Da Gassnhauer)

Ich kann verstehen, dass Musikkonsumenten den Verlust dieses Fixpunktes in der Grazer Kulturlandschaft beklagen. Jedoch scheint von den Feierwütigen keiner daran zu denken, warum es so weit gekommen ist. Alles hat seine Gründe…

Anzeige

1. Schulden im sechstelligen Bereich

Trotz Unsummen an Fördergeldern von Stadt, Land und Bund—von großen Sponsoren wie Heineken oder T-Mobile mal ganz abgesehen—hat man es geschafft, einen sechstelligen Schuldenberg aufzutürmen. Nur nebenbei erwähnt: Viele lokale Künstler warten nach Jahren noch immer auf ihr Geld, andere konsultierten gleich einen Anwalt, vielen ist das jedoch zu mühsam. Sie haben ihre Leistung erbracht und wurden nicht mit allen Annehmlichkeiten, die das Star-DJ-Leben so zu bieten hat, verwöhnt. Siehe Punkt drei.

2. Schulden bei - wie es scheint nicht nur - lokalen, sondern auch ausländischen Acts

Siehe oben.

3. Zwei-Klassen-System (Internationale Acts umhätschelt, Lokale Acts in Nebenrollen & als Lückenfüller)

Der Wert für die hiesige Musikszene ist für mich auch fragwürdig. Während keine Kosten und Mühen gescheut werden, internationalen Gästen von allen Seiten mit dem nettesten Lächeln und allen denkbaren Annehmlichkeiten zu begegnen, werden die lokalen Acts auch oft einfach nur mit dem Nötigsten abgespeist. Insofern ist das Aus für lokale Musikschaffende meiner Meinung nach kein herber Verlust.

4. Vernetzung? Wo genau, bitte?

Das Spring is seit Jahren eine Adresse für altbekannte Namen, darunter teils Acts die den Veranstaltern nahe stehen, aber schon als veraltet bezeichnet werden können. Carl Craig und Grandmaster Flash (vor allem Letzerer), die Ihre großen Zeiten schon hinter sich haben, dominieren das Line-Up. Die Leute von Ed Banger—die alleine vom Sound her in die Zeit passen, als die französische Distortion-Disco über den Erdball funkte— bekamen einen Floor, der nicht mal einen Subwoofer hatte. Ähnliches passierte meines Wissens mit einem leider nicht Star-DJ der englischen DubStep Szene. Zu bemerken auch: Lokale Künstler spielen meist auf anderen Bühnen als die großen internationalen. Und da man schon immer darauf bedacht war, einem Teil viel und dem anderen aus Kostengründen wenig bis gar nix zukommen zu lassen, gab's dann - zumindest für die lokalen Leute - auch nur einen Backstagepass für den Tag ihres Auftritts und genau der Bühne auf der sie spielten. Hat für mich nix mit Vernetzung zu tun, sorry. Was genau hat das also denen die, die nicht dazu gehören gebracht?

Anzeige

5. Eine Chance für junge innovative Projekte

Letztlich kann der Tod dieser Großveranstaltung nur eines heißen: Endlich stehen die Fördergelder, die in dieses zum Scheitern verurteilte Projekt flossen, verfügbar für junge Leute, die an innovativen und künstlerisch wertvolleren Projekten arbeiten. Und das ist meiner Meinung nach mehr als positiv!

6. Als Wiener kann man beispielsweise auch zum UAF kommen

Zur Beruhigung aller, die einfach gern als Musikliebhaber das Spring besucht haben: Es gibt auch andere Festivals, die nicht allzu weit weg sind. Nicht zu vergessen UAF und Elevate. Wobei eben diese beiden den musikalischen Bereich eines Spring und noch weit darüber hinaus auf jeden Fall mehr als abdecken. Im Falle eines Elevate sicher mit nachhaltigeren Inhalten neben der Feierei.

7. Ohren auf, hört ihr die Stimmen?

Wenn man sich im Dunstkreis der Veranstalter umhört bzw. mit ehemaligen Mitarbeitern oder einfach Leuten spricht, die den Herrn Auer persönlich kennen, hört man so einige unzufriedene Stimmen. Auch das scheint seinen Grund zu haben.

8. Die Stimmung in der Stadt

Die ist im Sommer generell gut. Dürfte an der Sonne liegen. Da sollten die Wiener mal so nach Graz schaun, zahlt sich aus und kann wundersschön sein!

9. Acts, die man sonst niemals gesehen hätte

In Einzelfällen mag das stimmen. Aber einige hat z.B. das Elevate schon ein bis zwei Jahre früher gebucht, bis ihre Gagen durch so Festivals wie das Spring explodiert sind.

Anzeige

10. Die österreichische Szene lebt trotzdem weiter

… und vielleicht ist der Niedergang einer Grossveranstaltung der Nährboden auf dem die nächste Generation von jungen, motivierten und interessierten Leuten Neues schafft.

Folgt Noisey auf Facebook und Twitter.

____________

MEHR VON NOISEY

xxxy ist ein Idol für Teenie-Popstars

Wir haben Rupert Taylor aka xxxy in Wien getroffen und mit ihm über Bondax, Pierogi und alte Funk-Platten geredet.

Die Beth Edges sind nicht die Feinde der Indianer

Wir haben mit der Band über nackte Männer, Crowdfunding und Tarantino gesprochen.

Alle schlimmen Sachen, die Pharrel je gemacht hat

Man muss sich immer wieder verdeutlichen, dass auch er nur ein Mensch ist. Deshalb haben wir alles gesammelt, was er mal falsch gemacht hat. Hier unser Worst of Pharrel.