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Ich war in der UCI Kinowelt beim Livestream von Kanyes neuem Album

Es war alles sehr Kanye.

Foto via Flickr | Jason Persse | CC BY 2.0

Kanye West hat gestern sein ganzes neues Album The Life Of Pablo präsentiert. Hieß das Ding nicht gerade noch Swish? Oder Waves? Jetzt heißt es auf jedenfall #TLOP. Die Tracklist von The Life Of Pablo sieht auch ganz anders aus, als die von Waves. Das Wichtigste vorweg: Das Album ist ganz gut, es hat eine Line über Sex mit Taylor Swift, die Beats sind kreativ, die größte Stärke der Songs ist, dass sie keine Sekunde länger dauern, als sie es müssen und Kanye hat singen gelernt (sic!). Das Rumgejaule ist viel mehr on pitch als noch bei „Runaway“.

Was war also der große Deal mit dem Livestream? Kanye hat das Most-Kanye-Thing gemacht: Er hat den ganzen Madison Square Garden gemietet, nur um sein neues Album von einem Laptop abzuspielen. Das ganze Event wurde dann live in die Welt gestreamt. So auch in die Wiener UCI Kinowelt.

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Überraschend viele Weißbrote im Publikum. Hier und da blitzen ein paar perfekt gestylte Cornrows auf, aber die Kanye-Anhängerschaft scheint ein gerader Querschnitt durch Österreichs Demographie zu sein.Die zwei breithosigen, großkappigen Sprechgesangsanhänger neben mir stellen schon Vermutungen darüber an, was auf dem Album jetzt wohl drauf sein wird. Performt Kanye? Was wird jetzt eigentlich passieren? Sie wussten ja noch nicht, dass Kanye der Welt einfach nur zeigen wollte, wie er das Album feiert.

In der Mitte des Madison Square Gardens war so etwas wie ein Alien-Ei aus Stoff aufgebaut. Alles toll ausgeleuchtet, von Ventilatoren immer wieder aufgebauscht. Ich habe natürlich schon vorweg genommen, dass hier nicht Kanye mit einer Band und einem Chor und viel Tamtam rausspringen wird. Mehr dazu später. Wie bei einem Sportevent gibts zuerst einmal viele Publikumsshots, noch mehr von diesem Alien-Ei und noch mehr warten.

Jetzt kommt der Karadashian-Clan unter großem Jubel in den Madison Square Garden. Wirklich alle. Der ganze Clan ist uniform in weißem Pelz gekleidet. Sogar Kanyes Tochter wurde (wohl gegen ihren Willen) in eines dieser fürchterlichen Pelz-Outfits gesteckt. Werden sogar Weltstars auf ihre alten Tage opulent widerlich in ihrem Modegeschmack?

Endlich. Yeezy taucht auf. Nach ein paar kurzen Umarmungen und Bruderfäusten verlangt Kanye das Aux-Kabel des Madison Square Gardens (sic!) und steckt seinen Laptop an. Er fordert die Menge auf, sich zu bewegen, wie sie wollen. Es wäre mehr als Performance, denn als formales Event zu verstehen. So weit, so gut. Kanye drückt auf Play, die großen Alien-Eier verschwinden mit einem Knall und was kommt raus?

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Models! Ethnisch diverse Models. In Reih und Glied. Kanye versucht natürlich der Renaissance-Mann zu sein, für den er sich hält und präsentiert bei seiner Albumpräsentation gleich seine Modelinie. Mein Favourite war eine Harem-Jogginghose mit weißen Nuttenstiefeln und bauchfreiem Top. Klar geht das als edgy durch, aber als gut? Die großen Geister der heutigen Zeit müssen noch debattieren. Kanye bedankt sich brav bei allen, die seiner „Kanye Vision“ vertraut hätten. Die Kamera zeigt auffällig oft die Schuhe der Models, die meisten sehen aus wie eine mit Gummi überzogene Version der Segeltuch-Wüstenschuhe der US-Armee. Auf einem Song in der zweiten Hälfte übt sich Kanye dann etwas im Ausrasten, es klingt ungefähr wie wenn Money Boy in einen scurrscurrr-Anfall verfällt, nur besser produziert.

Hier war vorher ein großes und ein kleines Alien-Ei. Jetzt ein Raster von Models. Etwas Enttäuschung macht sich breit. Vielleicht war das Ganze auch ein kalkulierter Move, weil sich jetzt jeder, wirklich die Musik anhören musste, eine Performance gabs ja nicht zu sehen. Der erste Song spielte aus den Boxen, leider etwas zu leise in der UCI. Die Beats sind wirklich gut, Kanyes Lyrics handeln leider immer vom Selben. Sein Struggle mit seinem Ruhm, seiner Religion (gähn), seinen Beefs mit anderen Gestalten der Popukultur. Würde sich jemand diese Self-Indulgence überhaupt anhören, wenn die Beats nicht so gut knallen würden?

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Kanye behauptete davor, dass es eigentlich ein Gospel-Album wäre. Teilweise hat er recht. Es gibt Gospelchöre, abrupte Stimmungswechsel in den Songs und Gott, Gott und Gott. Meint Yeezy wirklich, er wäre von Gott auf diese Welt gesetzt worden, um ein Künstler zu sein? Können wir alle etwas von Kanye lernen, wenn wir ihm zuhören, wie er die modernen Herausforderungen seines—komplett von der normalen Gesellschaft losgelösten—Lebens meistert? Als er am Ende der Veranstaltung noch behauptete „Just cause you're rich, never think doing this is easy“—eh. Man hörte aus dem Off wie einer seiner Entourage ihm verbal mit einem „Nobody thinks that Kanye“ auf die Schulter klopft.

Am Ende bedankt sich Kanye noch bei seiner Familie, macht mehr Werbung für den Karadashian-West-Clan und betont mehrmals seinen absoluten Respekt für Michael Jordan. Im Grunde war das alles very, very Kanye. Kanye verwendet den ganzen Madison Square Garden, nur um mit seinen Freunden sein eigenes Album zu hören. Ein ganzer Saal im UCI hat auch dafür bezahlt Kanye dabei zuzusehen, wie er mit seinen Friendz und seinem eigenen Album abspackt. Gut, bevor ich zu viel hate: Yeezy hat etwas Selbstironie. In einem kurzen Skit auf dem Album rappt er darüber, wie er es wohl schafft, Kanye-Dinge zu tun, die besonders Kanye wären. Er hat wohl sein persönliches Jekyll & Hyde-Problem damit gelöst, dass er einfach beide gleichzeitig ist.

Albumwertung (nach ein Mal im Kino hören): 6/10.

Der Autor hört jetzt Taylor Swift: @igrpp

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