FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Warum die britische Regierung sich mit dem Einreiseverbot für Tyler, the Creator lächerlich macht

Wenn man bedenkt, wer außer ihm sonst so einreisen darf, ist es umso rätselhafter, warum sich die britische Regierung ausgerechnet Tyler, the Creator ausgesucht hat.
Ryan Bassil
London, GB

UPDATE: Das Innenministerium hat eine Stellungnahme zu Tylers Einreiseverbot veröffentlicht:
„Nach Großbritannien zu reisen ist ein Privileg und wir erwarten von denen, die hierher kommen, dass sie unsere gemeinsamen Werte respektieren. Die Innenministerin hat die Macht, eine Person auszuschließen, wenn sie findet, dass seine oder ihre Anwesenheit in Großbritannien dem öffentlichen Wohl nicht dienlich ist oder dass der Ausschluss aufgrund der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt ist.“

Anzeige

Es ist schwierig, Umstände zu finden, unter denen man Shirley Phelps-Roper, Robert Mugabe und Tyler, the Creator zusammenfassen kann. Alle drei sind aus verschiedenen Gründen berühmt: Phelps-Roper ist die ehemalige Sprecherin der Westboro Baptist Church; Mugabe ist der selbsternannte „Hitler unserer Zeit“; Tyler ist ein Musiker. Trotzdem finden sich jetzt alle zusammen auf einer Liste wieder, nämlich von Leuten, die mit einem Einreiseverbot nach Großbritannien belegt wurden.

Es ist einfach, zu verstehen, warum Mugabe nicht nach Großbritannien reisen darf. Bevor er die Macht als Präsident von Simbabwe übernommen hat, war Mugabe verantwortlich für eine ethnische Säuberung, bei der 20.000 Simbabwer ermordet wurden. Er hat Lesben und Schwule als „schlimmer als Schweine und Hunde“ bezeichnet. Und 2008 hat er, aus Angst, dass er die Wahl verlieren würde, eine Kampagne im Militärstil gegen die Opposition ins Leben gerufen, die den Decknamen CIBD trug: Coercion, Intimidation, Beating, Displacement—also Nötigung, Einschüchterung, Züchtigung, Vertreibung.

Auch bei Shirley Phelps-Roper ist das Verbot leicht zu verstehen. Als Sprecherin der Westboro Baptist Church hat Phelps zusammen mit ihrem Vater—der die Kirche angeführt hat und bis zu seinem Tod ebenfalls mit Einreiseverbot belegt war—unter dem Slogan „God Hates Fags“ öffentliche homophobe Proteste angeführt, oft bei Beerdigungen.

Was uns zu Tyler, the Creator bringt und damit zu einer viel schwierigeren Situation. Er ist Musiker, kein Diktator oder ignoranter Aktivist. In den letzten sechs Jahren hat der 24-Jährige ein Plattenlabel, eine Serie im Kabelfernsehen, eine Modelinie und ein Festival ins Leben gerufen und ist dabei zu einer Inspiration für junge Leute auf der ganzen Welt geworden. Trotzdem hat der Manager von Tyler vorgestern einen Blog-Post veröffentlicht, in dem es heißt, dass er mit einem drei- bis fünfjährigen Einreiseverbot nach Großbritannien belegt wurde, da seine Werke „mit Ansichten, die andere zu terroristischen Taten provozieren, Hass fördern“ und „Gewalt und Intoleranz gegenüber Homosexualität begünstigen“.

Anzeige
undefined

Laut seinem Manager wurde das Verbot von der britischen Staatsministerin des Innenministeriums (damit meint er wohl die Innenministerin, Theresa May) unterschrieben, die einen Brief geschickt hat, in welchem sie „sich spezifisch auf Texte bezieht, die er vor sechs oder sieben Jahren für seine Alben Bastard und Goblin geschrieben hatte“.

Es ist ausführlich belegt, dass Tyler, the Creators Rolle auf seinen Platten genau das ist: eine Rolle. Tylers Manager sagt in seinem Blog-Post, dass „der Brief [vom Innenministerium] bescheinigt, dass er aus der Perspektive eines Alter Egos geschrieben hat“. Es scheint also, als wäre sich die britische Regierung bewusst, dass Tyler auf der Platte eine Rolle spielt, aber trotzdem beschlossen hat, ihm das Verbot aufzuerlegen.

Im Post heißt es außerdem: „Gilt dies dann auch für Buchautoren [die eine Rolle einnehmen]? Die Tatsache, dass er sich zu jemandem entwickelt hat, der [Beleidigungen] zur Kenntnis genommen hat und diese vermeidet, wird einfach verschwiegen. Ist er es nicht wert, dass ihm dafür auf die Schulter geklopft wird, da er sich dessen bewusst geworden ist und sich verändert hat? Welche Botschaft vermittelt das? Ist die Ethnie dabei ein bewusster oder unterbewusster Faktor?“

„Es gibt viel aufzunehmen und zu verstehen, aber da [Tyler] als eine Art Antichrist dargestellt wird, will ich sichergehen, dass die Leute die Tatsachen kennen—nämlich, dass er diese Texte seit Jahren nicht mehr wiedergegeben hat. Er schreibt Lieder über Autos und das Ausbreiten der Flügel. Er trinkt und raucht nicht, er hat sein eigenes Geschäft, er kümmert sich um seine Familie und Freunde, er ist ehrlich, dankbar, aufmerksam, furchtlos, intelligent und inspirierend. Seine Konzerte dienen als Befreiung, nicht der Aggression.“

Anzeige
undefined

Es gibt unzählige Rapper, die anstößiger sind als Tyler, und die trotzdem in Großbritannien auftreten dürfen, viele davon haben sich deutlich mehr zu Schulden kommen lassen, etwa Mord, Vergewaltigung und häusliche Gewalt. Tyler selbst hat in den letzten drei Jahren mindestens 25 Konzerte in Großbritannien gespielt. Tyler wurde nie wegen eines schlimmen oder gewalttätigen Verbrechens angeklagt. Phasenweise ist seine letzte Platte Cherry Bomb ein bestärkendes Hörerlebnis; es geht darum, seine Flügel zu finden und keine Angst davor zu haben, sein volles Potential auszuschöpfen. Mit seiner erbitterten Eigenständigkeit, durch die Tyler aus dem Nichts seine wildesten Träume erreicht hat, ist er eine Inspiration für seltsame Teenager geworden, die oft das Gefühl haben, dass ihre Ansichten nicht von Belang sind. Ein Festival in Los Angeles namens Camp Flog Gnaw, das er ins Leben gerufen hat, zieht etwa 12.000 Besucher an und ist jedes Jahr ohne Vorfälle über die Bühne gegangen. Da ist es doch rätselhaft, warum sich die Regierung gerade ihn ausgesucht hat. Es macht den Anschein, als wäre es eher eine kulturelle Angelegenheit als ein einfaches Problem der Volksverhetzung.

Was auch immer der Grund für Tylers Einreiseverbot ist, der allgemeine Konsens war „WTF?“. Irgendjemand hat eine Petition ins Leben gerufen, um das Verbot aufzuheben. Aber bis dies Erfolg hatte, was es wahrscheinlich nicht haben wird, sollte man sich mit dem Wissen begnügen, dass die britische Regierung wieder einmal einen Krieg gegen HipHop führt.

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.