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Interviews

Wir haben mit der Frau gesprochen, die für den Soundtrack von ‚Shameless‘ verantwortlich ist

Die Musik für Serien aussuchen—Es klingt wie der beste Job der Welt.

Es gibt Menschen, die es wirklich überhaupt nicht lustig finden, wenn sie einer scheiternden Familie bei ihren Betrügereien, Schnorrereien, Drogeneskapaden und sexuell freizügigen Abenteuern zusehen sollen. Und es gibt Menschen, die nicht genug davon bekommen, einen Familienvater mal wieder bewusstlos in seiner Kotze liegen zu sehen, während seine älteste Tochter den Haushalt schmeißt und versucht, ihre jüngeren Geschwister auf dem rechten Weg zu halten. Ich gehöre zur zweiten Gruppe.

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Vor einiger Zeit stieß ich bei der Suche nach frischen Serien-Input auf die US-Dramedy-Serie Shameless, die von dem alkoholkranken Vater Frank Gallagher (William H. Macy) und seiner unkonventionellen Familie handelt, der er in all seiner asozialen Kindlichkeit das Leben schwer macht. Anfangs noch amüsant wird Shameless von Folge zu Folge ernster und packt dich irgendwann unsanft zwischen den Leisten, um dann beherzt zuzudrücken.

Dafür sorgt neben der genialen Handlung auch ein angenehm unangepasster Soundtrack. Shameless-Music-Supervisor Ann Kline, die auch schon an anderen erfolgreichen Serien, wie The West Wing und Emergency Room gearbeitet hat, benutzt in dieser Serie eine weitläufige Auswahl unbekannter Songs, bei denen vielen Fans von Indie-, Punk- und Singer/Songwriter-Musik die Hose überraschend eng wird. Wie kommt man auf so eine originelle Musikauswahl und wie empfindet man es, an so einer ausgefallenen—sprich: abgefuckten—Serie zu arbeiten? Genau das wollten wir wissen und haben Ann Kline in ihrer Heimat L.A. angerufen, um herauszufinden, ob sie wirklich so einen guten Musikgeschmack hat.

Noisey: Ich hab gelesen, dass du einen Sohn hast. Darf der überhaupt Shameless schauen?
Ann Kline: Nein, das erlaube ich nicht, da mein Sohn erst elf Jahre alt ist. Vielleicht erlaube ich es ihm in ein paar Jahren, aber nicht jetzt.

Die Musik zu einer Serie, wie Shameless auszusuchen, hört sich nach einem verdammt chilligen Job an. Siehst du das auch so?
Es ist wirklich ein harter Job, aber auch irgendwie Spaß, da ich jeden Tag einen Haufen an neuen Indie-Bands kennenlerne. Man hat nicht so oft die Möglichkeit an einer Serie zu arbeiten, die sich so weit unbekannten Songs und Bands öffnet. Es gibt viele Künstler zu entdecken, aber genauso auch Musik, die einfach nicht funktioniert als Soundtrack. Ich würde weniger sagen, dass es stressig ist, eher manchmal schwierig.

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Wie lang arbeitest du denn jetzt schon als Music Supervisor?
Ich habe 1995 damit angefangen. Wie lang ist das jetzt? 15 Jahre, ähm 20 Jahre …20 Jahre!? (lacht). Ja, auf jeden Fall schon echt lang.

Hattest du ein spezielles Interesse an Shameless zu arbeiten oder hat sich das dann einfach so entwickelt?
Ich war schon echt sehr lang daran interessiert. Jemand erzählte mir von dem Projekt und ich schaute mir die BBC-Version an. Ich habe es geliebt und wollte unbedingt daran arbeiten. Dann kam der Kontakt mit Warner Bros. zustande und es klappte wirklich alles. Ich war so glücklich, aber auch ziemlich aufgeregt.

Es ist sehr auffällig, dass du bei Shameless weniger Wert auf Mainstream-Bands legst. Wie kommt das?
Es hat mehrere Gründe. Ich denke, der Hauptgrund ist, dass die Gallaghers keine Mainstream-Menschen sind und deswegen auch keine angepasste Popmusik hören. Sie hören ihre eigene Musik, daher haben wir nach Songs gesucht, die rebellisch, chaotisch und nicht Mainstream sind.

Gehst du oft auf Konzerte oder woher kommt der ganze Musik-Input?
Ja, ich gehe schon oft zu Konzerten, aber ich bekomme auch Musik von unterschiedlichen Leuten. Ich steh in Verbindung mit Agenturen, die viele Indie-Bands vertreten. Sie setzen sich dafür ein, dass die Musik zu uns Supervisors kommt. Dann kommen noch die normalen Indie-Labels, die ganzen Major-Labels, Manager, Bands und auch Mundpropaganda dazu.

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Was ist überhaupt das Schwierige bei der Auswahl von Soundtracks?
Ich denke, die größte Herausforderung ist die passende Musik für die Serie zu finden. Wenn eine Folge von Shameless mal sehr traurig ist oder einen besonderen Handlungsstrang hat, dann wird es für mich manchmal sehr schwierig, genau diese besondere Musik zu finden. Die Musik muss dann auch die Stimmung der Folge verkörpern, ohne dass die Charaktere diese Traurigkeit darstellen. Das Spezielle an der Serie ist eben, dass egal was für verrückte Sachen mit den Charakteren passieren, sie wenig Zeit damit verbringen, sich selbst zu bemitleiden. Sie leben einfach weiter mit den Problemen und versuchen sie zu bewältigen. Der Zuschauer soll aber trotzdem die Problematik in der Musik fühlen.

Welche Szene hat für dich perfekt mit Musik funktioniert?
Mein persönlicher Favorit ist das Ende von Staffel 2. Da haben wir die Band Tired Pony mit dem Song „Get On The Road“ benutzt. In Verbindung mit der Musik war das wirklich meine Lieblingsszene aus den bisherigen Staffeln.

Wenn du später Folgen im Fernsehen geschaut hast, gab es da auch den Moment, in dem du dachtest: Oh mein Gott, die Musik passt jetzt aber gar nicht so dazu?
Nein (lautes Lachen). Mein Job ist es, den Produzenten und den Direktor glücklich zu machen. Sie haben eine Vorstellung, wie die Szene wirken soll und ich richte mich danach. Wenn sie am Ende sagen, dass es der richtige Song ist, dann ist es auch der richtige Song.

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Auf dem Soundtrack sind auch viele Bands mit Punkwurzeln, wie Ceremony, Sonic Avenues, Fidlar und Swapmeet Shakedown. Wie sieht es bei dir aus: Warst du früher Teil einer Punkrock-Szene?
Ich bin in den 80ern-Jahren aufgewachsen, natürlich hab ich Bands wie The Clash und Sex Pistols geliebt. Allerdings würde ich nicht sagen, dass ich in der Szene war. Ich hab schon immer sehr viel unterschiedliche Musik gehört und darunter war eben auch Punk, aber auch sehr viele andere Sachen.

In der Serie wird sehr viel nackte Haut gezeigt. Kontroverse Themen wie Drogen, ungeschützter Sex, psychische Probleme, sexuelle Neigungen und Beschaffungskriminalität werden eher auf eine lustige Art dargestellt. Findest du es okay, dass Serien und Filme immer freizügiger werden?
Es stört mich nicht. Ich denke alles, was gut gemacht ist und mehr von den alltäglichen Problemen der normalen Bevölkerung aufgreift, ist eine gute Sache. Auch wenn es oftmals sehr hart zugeht, ist es ja auf eine sehr künstlerische Art dargestellt. Umso offener man mit diesen Themen umgeht, desto besser ist es für jeden von uns, da wir uns in dieser Weise auch mit solchen Themen auseinandersetzen.

Neben Punk wird noch viel Indie und Singer/Songwritermusik in Shameless gespielt, aber kein Rap. Spielt da deine eigne Vorliebe eine Rolle?
Nein, zum Konzept von Shameless gehört es, den Zuschauern Musik zu zeigen, die sie davor noch nicht gehört haben. Auch wenn wir die Charaktere nicht beim Musik hören sehen, spiegelt der Soundtrack am besten wieder, wovon sie geleitet werden und da hatte Rap bisher einfach wenig Platz.

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Wenn du dich mit einem Charakter der Serie identifizieren müsstest, welcher wäre das?
Frank! (wir lachen beide) Nein, das war nur ein Scherz, aber das ist eine ziemlich gute Frage. Ich glaube Debbie Gallagher. Sie ist auf dem Weg zum Erwachsenwerden, fühlt sich oftmals hilflos, ist schüchtern und passt nicht überall rein, weil sie eben nicht der normale Teenager ist, den die meisten Mädchen darstellen. Ich kann mich daran erinnern, dass ich das auch mal gefühlt habe und daher würde ich sie auswählen.

Gibt es Dinge, die sich seit der ersten Staffel 2010 in Bezug auf ihre Musikauswahl grundlegend geändert haben?
Ja, manche Staffeln fühlen sich unterschiedlich an. Ich glaub die Staffel 4 hatte eine ziemlich große Storyline über Fiona und war deswegen viel düsterer als die anderen Staffeln. Diese Staffel war weiblicher und wir benutzten viel elektronische Musik, um ihre Ängste zu verdeutlichen, weil das besser wirkte, als die Rockgitarren.

Im Winter kommt nun endlich Staffel 6. Kannst du schon etwas darüber sagen?
In der neuen Staffel entwickelt sich ein Handlungsstrang, der auch eine Menge HipHop in die Serie bringt. Ich weiß gar nicht, ob ich darüber schon so viel sagen darf, aber es gibt da eine Gangster-Storyline. Ähm, aber mehr sag ich jetzt lieber nicht (lacht).

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