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So ist es, (nüchtern) Afterhours zu veranstalten

Um Geld für große Partys zu verdienen, muss man klein anfangen. So kommt es, dass wir nüchtern Afterhours schmeißen.

Manchmal, ja manchmal, tauche ich in die dreckige Szene des Veranstaltens ein. Vor bald einem Jahr habe ich ein Projekt mit zwei meiner besten Freundinnen gestartet: hausgemacht. Da Clubmieten und alles andere was eine Party so braucht teuer sind, musste erstmal Geld in die Kassa. Wir sind halt doch arme Studentinnen, die sich am Ende des Monats tendentiell von Reis mit Salz ernähren. Oder von Nudeln mit Salz. Die gesamte Veranstalterkarriere, die wir so hingelegt haben, lässt sich mit "Zufall“ titulieren. So wollte der Zufall auch, dass wir in Wien in einem berüchtigten Club Afterhours schmeißen. Die sind ökonomisch billiger als große "Hauptpartys“, haben aber zur Folge, dass eine von uns, um sechs Uhr Früh auf der Matte stehen muss. Eigentlich eher um 05:30.

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Das Schöne daran, wenn man zu dritt veranstaltet ist, dass man drei verschiedene Ansichten hat. Und nur jeweils eine nüchtern und ausgeschlafen den Laden schmeißen muss. Wir wechseln uns da immer ab, und jede von uns nimmt die Afterhour-Leute anders wahr – die ja ohne Zweifel anders sind als die Gestalten, die man in der Nacht trifft. Keine zükunftigen Nobelpreisträger, dafür bereit zum Tanzen bis in die Abendstunden. Hier die Eindrücke der hausgemacht-Ladys: Julia, Fredi und Kathi.

Julia

Die Gäste bei einer Afterhour? Sehr, sehr, sehr gesprächig. Also meistens verwickeln sie mich in ihre Storys und möchten über vergangene Liebesbeziehungen, der Connection zu ihren Eltern und über ihre verstorbenen Haustiere reden. Ich finde es eh ganz lustig, wenn man Psychotherapeut spielen darf. Und wenn ich Einsicht in das Leben eines mir komplett Fremden bekomme. Das erinnert nur daran, dass wir alle Menschen mit Troubles sind. Nüchtern auf einer Afterparty wird es einem bewusster als sonst wo. Anstrengend wird es dann, wenn man dieselbe Geschichte nochmal hört und eigentlich neue Gäste reinkommen, die abgewickelt gehören. Also ich tue mir ein bisschen schwer, dem beichtenden Gast, der mir traurig seine Mutter-Sohn Beziehung erzählt, zu sagen, er soll sich jetzt kurz schleichen. Oder, wenn ich die Kassa zählen muss, und man mich zum fünfzigsten Mal fragt, wo man eine ziehen kann. Falls es eine ernsthafte Frage der Fortgehbevölkerung ist: Nur weil es eine Afterhour ist, ist die Gesetzeslage leider nicht aufgehoben. Wir bekommen Ärger, wenn es zugeht wie bei einem Investment-Banking-Treffen (Erfahrungswerte, Leute).

Aber das ist Sudern auf hohem Niveau. Die Gäste, die wir haben, sind wirklich wohlerzogene Menschen. Und ich wundere mich jedes Mal aufs Neue, wer alles bei uns so reinkommt. Eine bunt durchmischte Gruppe an Alter, Bildung und Geschlecht. Dazu sei gesagt, dass wir nur Afterhours unter der Woche schmeißen. Einmal hat ein Gast mit einem getrockneten Kleeblatt Eintritt zahlen wollen. Super finde ich auch die "Ultra-zu-Elite“-Menschen, die so berauscht sind, dass ich mich frage woher sie kommen und wie sie überhaupt hergefunden haben. Die fangen dann einen Satz an und beenden ihn ganz anders als sie ihn angefangen haben. Da kann man zwar nicht mehr folgen, aber es ist wirklich lustig Gedankensprünge live mitzuerleben. Ich würde es nicht missen wollen. Auch wenn wir ganz viel Geld für normale Partys hätten.

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Fredi

Um 05:00 Uhr aufzustehen ist richtig hart. Vor allem wenn man weiß, dass alle unterwegs sind und Spaß haben. Vorteil? Man sieht garantiert am frischesten aus. Nachteil? Man ist in Wirklichkeit müde und nüchtern. Und müde. Wenn die Gäste reinkommen, wappne ich mich schon gegen das "Verhandeln“ – und versage jedes Mal. Ich glaube, bei mir hat noch kein Gast den tatsächlichen Eintritt bezahlt. Ich lasse mich immer auf irgendwelche Gruppenpreise oder ähnliches ein. Weil ich zum Diskutieren zu müde bin, weil das Argument "Ich habe keine Kohle mehr“ extrem nachvollziehbar ist, und weil es mir eh auch ein bisschen egal ist (so um sechs in der Früh). Einmal ist ein Protagonist aus "Geschäft mit der Liebe“ vor mir gestanden – der durfte dann umsonst rein, weil ich ihn ein bisschen auslachen musste.

Folgendes Gespräch habe ich jedes Mal: "Magst du Speed?“ "Ah nein, ich bin nüchtern, muss ja die Kassa zusammenzählen und die Ordnung hier wahren.“ "Oh, müde? Magst du eine Nase Speck?“ "Nein, danke ich bleibe nüchtern.“ "Warum?“ "Wegen der Kassa.“ "Bist du nicht müde?“ "Ja, eh.“ "Magst du eine Line?“ Und so weiter. Das kann um sechs in der Früh sehr nerven, aber meistens belustigt es. Auch eine super Situation war, als mich ein Typ mit dem "Du schaust so frisch aus, was hast du genommen?“ angegraben hat. Es ist eben schon so, dass es auf einer Afterhour um das Eine geht. Ich finde es okay, ich komme damit zurecht. Mir sind Menschen auf Partydrogen lieber als alkoholisierte Gäste. Alkoholisierte Gäste bedeuten meistens Trouble, da sie aggressiver und unberechenbarer sind. Zumindest nach meinem Empfinden. Die eigentliche Schwierigkeit als Afterhour-Veranstalter ist es, genug Frauen anzulocken. Es gibt nichts schlimmeres als eine Schwanzparade auf einer Afterhour. Für die Männer selber (die Kokain-Sexlust quält sie richtig) und für uns. Weil dann, sind wir die einzigen Frauen vor Ort. Bis jetzt – ich klopfe auf den Holztisch – hat es ganz gut geklappt. Wir sparen uns daweil auch noch die Security-Kosten. Bei einer Hauptparty wäre das unvorstellbar.

Kathi

Ich finde die Gäste super. Sie sind so lieb verwirrt, fragen zehn Mal dasselbe, um sich dann umzudrehen und fünf Minuten später nochmal zu fragen. Aber immer höflich, und immer mit einer kompletten Ernsthaftigkeit. Einmal war ein Mädel da, das hat nicht mehr gewusst, ob es schon mal Eintritt gezahlt hat und hier war. Gott sei Dank, habe ich das gewusst. Was sie so wissen wollen? Wo das Klo ist, wo die Bar ist, wo die Garderobe ist. Dazu sei gesagt, dass unsere Afterhour-Location nicht der Praterdome ist. Und sich alles mittels Reingehen herausfinden lässt.

Ich finde es wahnsinnig unterhaltsam vor der Vorlesung, eine Afterhour zu schmeißen. Das belebt den Tag ungemein. Ich sitze nie alleine bei der Kassa, ein Gast stellt sich immer dazu und unterhält sich mit mir. Das finde ich auch wahnsinnig nett. Mir ist eine gewisse Schadenfreude eigen, keine bösartige, aber doch Schadenfreude. Wenn also zum fünften Mal das Handy in der Hand panisch gesucht wird, finde ich das zum Totlachen und es nervt mich überhaupt nicht. Und ich helfe wirklich immer gerne. So viel "Danke“ wie auf einer Afterhour, hört man selten woanders. Man ist dann, als nüchterner Bestandteil, eine Mischung aus Auskunft und einem Superhero mit ganz vielen Fähigkeiten und extrem viel Wissen. Wir haben – Gott sei Dank, – noch nie schwierige Situationen gehabt. Es läuft alles gesittet und ohne Probleme ab. Entweder unsere Gäste sind liebe Kleinkinder um acht Uhr früh, oder Afterhours haben das einfach so an sich. Ich weiß es nicht, ich feiere es trotzdem.

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