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Interviews

„Nur weil du ,Der Pate‘ gesehen hast, bist du nicht in der Mafia“—Shindy im Interview

Wir haben Shindy als meist unterschätzten Rapper Deutschlands betitelt. Beim sündhaft teuren Griechen durften wir uns vom Gegenteil überzeugen.

Alle Fotos: © Benedikt Bentler

„Willst du noch ins Album hören, bevor wir das Interview machen?“, fragt mich Shindy nach unserem Fotoshooting. Klar will ich. Schließlich ist ganz Rapdeutschland gespannt auf FVCKB!TCHE$GETMONE¥, das diesen Freitag erscheint. Der Nummer eins-Erfolg seines Debüts NWA wurde gemeinhin als genialer Schachzug seines Labelbosses Bushido kleingeredet. Unter Sonny Black-Anhängern und Kritikern genießt Shindy allerdings großes Ansehen. Und zwar aus unterschiedlichen Gründen: Bushido-Fans wollen so sein wie Shindy, weil er ihren Traum lebt. Er rappt entspannt, wohnt bei Mama und kann mit seinem Jugendidol abhängen. Auf der anderen Seite feiern ihn die Kritiker, weil er einen komplett eigenen Stil in den Rapzirkus bringt.

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Die Themen sind Klamotten und Bitches, doch bei Shindy nennen sich diese Balenciaga-Sneakers und Hoes in Leo-Print-Leggins. Der 26-Jährige ist Feinschmecker, auch in Bezug auf Sprache, und weiß dementsprechend seine Worte zu wählen. Das wäre nicht halb so spannend, wenn er nicht das gleiche ästhetische Gespür fürs Beatbauen hätte.

Als wir uns in den schwarzen Mercedes ML setzen, macht Shindy das Album über sein iPhone an. Nach sieben oder acht Songs wird klar—Shindy ist nicht mehr der Junge, der sich von Mama Rührei mit Feta-Käse auftischen lässt, während er bei den anderen Rappern ein bisschen mitspielen darf. Gleich auf seinem Intro lässt er eine Blaskapelle erzittern und treibt mit einer knackigen 808-Kickdrum die Neider vor sich her. So könnte auch der Beginn des nächsten Lil Bibby-Albums klingen.

„Ich will, dass sich Rapper schämen für ihre Intros.“

Noisey: Wir haben dich im Juli als am meisten unterschätzten Rapper in Deutschland betitelt. Entspricht das auch deinem Empfinden?
Shindy: (überlegt) Nicht mehr. Mittlerweile habe ich das Standing, das ich verdiene. In der allgemeinen Wahrnehmung fühle ich mich nur manchmal als Künstler nicht ernst genommen. Das wird dann so kleingeredet. Nach dem Motto: Das ist ja nur wegen Bushido und wegen „Stress ohne Grund“. Dabei haben andere mich nach NWA kopiert und dann geben sie so Kommentare ab wie: Der Kleine macht sich schon ganz gut.

Warum wirst du deiner Meinung nach kleingeredet? Die Kritiker haben dir ja meistens Lob entgegengebracht.
Aber Kritiker sind ja nicht meine Konkurrenten. Von den HipHop-Medien habe ich mich schon gebührend behandelt gefühlt. Von der Aufmerksamkeit und dem Hype ist das schon gerechtfertigt, wie es jetzt gerade ist. Den Rest wird dann hoffentlich das Album erledigen.

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Vielleicht können die Leute es auch nicht einordnen, dass da neben Bushido jemand steht, der musikalisch einen sehr gegensätzlichen Stil hat.
Das finde ich aber auch ganz gut, dass sie es nicht einordnen können. Häufig werde ich ja in diese Straßenrapecke geschoben. Ich finde, dass das gar nicht passt, maximal von der Optik her. Aber wenn man sich mal mit der Musik auseinandersetzt, dann kann man mich eigentlich in keine Schublade stecken. Ich glaube, dass ich einfach eine neue Schublade für mich selbst aufgemacht habe.

Wie würdest du die betiteln?
Keine Ahnung. Da wird auch kein anderer rein kommen. Mir fällt niemand ein, der nur annähernd das Gleiche macht wie ich. Du brauchst aber an sich keine Schublade, weil ja nur ich da bin. Deswegen braucht man das auch nicht zwingend zu benennen—also ich kann es nicht. Vielleicht kann man das als außenstehender Hörer besser definieren.

Naja, ich würde es als musikalischer und vor Arroganz triefender Rap betiteln, aber ohne eine laute Stimme zu benutzen.
Wo du gerade laute Stimme ansprichst: Wenn zehn Leute am Tisch sitzen und ich eine Meinung habe, dann will ich, dass die Leute zuhören. Ich schreie aber nicht ‚Seid mal alle ruhig, jetzt rede ich!‘ Ich habe meine Meinung und meistens weiß ich, dass ich Recht habe, sonst äußere ich mich gar nicht. Ich habe aber keinen Bock mich in den Mittelpunkt zu drängen. Ich warte erst, bis ich dran bin. Deswegen bin ich beim letzten Album auch nicht mit Riesen-Chören an den Start gegangen und habe mich in Interviews gesetzt und gesagt: „Ihr seid alle Hurensöhne und ich bin der Beste!“

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Wenn du nicht laut bist, dann müssen aber die Aussagen stimmen, die du fällst. Sonst riskierst du, gar nicht gehört zu werden.
Das Lustige ist, dass ich gar nicht so viel zu erzählen habe, weil das nicht interessant wäre. Das Interessante ist das, was in meinem Kopf vorgeht. Manchmal habe ich aber geniale Momente, die ich versuche, in Texten festzuhalten.

Zum Beispiel?
Bei „Safe“ zum Beispiel. Der Song ist entstanden, nachdem wir an einem Samstag weg waren. Ich bin eigentlich ein umgänglicher Typ und rede auch gerne, aber manchmal ist mir alles zu viel und dann will ich, dass sich alle verpissen. Der Michael Jackson-Trip. Er (zeigt auf Ali, der auch am Tisch sitzt) hat mir nach diesem Abend gesagt: Du machst das so gut. Du hast mit keiner Alten oder keinem Typen geredet. Du sitzt einfach da und guckst starr in die Menge. Für mich war das normal in dem Moment, aber für andere offensichtlich arg, weil ich original mit keinem rede. Ich versuche dann diese Stimmung festzuhalten.

Und wie?
Ich versuche, meine Aussagen sehr präzise zu treffen. Du kannst dir 200 Jordans kaufen, du bist aber nicht wie ich. Du kannst auch fünf Schachteln am Tag rauchen, du bist trotzdem nicht wie ich. Meine Sachen sind nicht lehrreich. Ich spreche jetzt nicht das Bildungssystem in Deutschland an. Dadurch, dass es in meinen Texten immer nur um meine Person geht, muss man noch mal extra vorsichtig sein. Deswegen sitze ich manchmal auch stundenlang an den Texten, damit jede Zeile treffend ist.

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Was willst du denn mit den Texten erreichen, wenn sie nicht lehrreich sein sollen?
Du sollst das Album reinmachen, eine Stunde lang einen Überfilm im Kopf haben und danach denken: „Wow“. Dann guckst du es dir immer wieder an. So wie Der Pate. Aber weil du dir einmal der Pate angeschaut hast, bist du auch nicht in der Mafia. Das ist also alles mit Vorsicht zu genießen. Ich will einfach Momente festhalten, die ich in dem letzten Jahr erlebt habe. Egal, ob „Nervt mich alle nicht“ oder „Geil, ich chille irgendwo und fick’ mit ner Alten“. Im Endeffekt soll das wie mit Polaroid aneinandergereiht einen Film ergeben.

Lieber ein Polaroid als ein Instagram-Bild?
Ja. Es soll was Spezielles sein und kein Einheitsbrei. Ich denke, mit einem Polaroid bekommt man auch eine bessere Stimmung rüber als mit einem Selfie auf Instagram.

Dir wird bescheinigt, dass du den Sound, der in Amerika läuft, auf deutsch adaptieren kannst. Setzt du dich viel damit auseinander, was drüben läuft?
Viele Rapper merken nicht, dass es bei ihnen nicht so klingt, wie bei den Amis. Die haben fünf Jahre Alben releast und feiern diese neuen Drake-Sachen. Dann gehen die zu einem Produzenten, der dir die ersten drei Töne eines klassischen Deutschrapbeats nimmt und sie Drake-mäßig arrangiert. Dann wundern sie sich, dass es nicht so klingt. Aber die Sachen aus den letzten zwei Jahren haben eine ganz andere Soundästhetik: Die Drums sind ganz synthetisch und künstlich, dagegen sind die Sounds total Soul-Sample-Lastig mit Schallplatten aus den 50ern. Bei mir ist das so, dass ich sofort erkennen kann, ob es wie bei denen klingt oder nicht.

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Was ist denn dein Twist?
Das ist auch kein Zaubertrick, was ich da mache. Für mich kommt das natürlich. Ich mache auch keine Beats, die Möchtegern-amerikanisch klingen. Wenn ich einen Beat mache und etwas im Kopf habe, dann muss ich mich nicht erst zehn Mal annähern, bis er sich amerikanisch anhört. Der klingt schon von Anfang an so. Das liegt vielleicht daran, dass ich mich schon ein Leben lang mit Musik beschäftigt habe, bevor ich angefangen habe zu rappen. Früher habe ich auch sehr viel Soul gehört.

Das Thema „Fuck Bitches“ und „Get Money“ passt nicht wirklich zusammen. Außer du bist ein Gigolo.
(lacht) Du musst das so sehen: Ich mache das nicht gleichzeitig. Das läuft ja parallel. Das kann auch heißen: „Scheiß auf Nutten, ich mache lieber Geld“.

Indem du nur durch den Tag chillst?
Ich lebe ja den Traum eines Jugendlichen. Ich wohne bei Mama und chille mit meinem Jugendidol.

Deswegen auch #shindymagjeder?
Eigentlich müsste ich dafür viel mehr gehatet werden. Ich habe immer das Gefühl, dass man sobald man etwas macht, dass die anderen gerne machen würden, alle anfangen zu haten. Und plötzlich suchen alle nach Fehlern und fucken sich ab, wenn sie keine finden.

Aber warum glaubst du, dass du nicht gehatet wirst?
Einfach, weil ich noch nicht erfolgreich genug war.

Ich denke mir, dass du eigentlich gehatet werden müsstest, weil du schon so erfolgreich bist, und dir deine Mutter dabei noch Rührei macht.
Ich glaube, beim letzten Album war auch ein riesiges Augenzwinkern dabei. Ich habe es schon sympathisch rübergebracht. Da habe ich noch bei Mama gewohnt und ich war der kleine Junge, der zuhause chillt aber im Internet Riesenärger macht und Bushido anstichelt, dass der Leute als Hurensohn beleidigt. Ich glaube aber, dass es nach diesem Album bei vielen umschwappen wird.

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Warum?
Weil ich das letzte Mal aus einer ganz anderen Position gerappt habe. Da war ich ein Newcomer, der noch nichts gerissen hat und der sich freut, dass er endlich professionelle Musik mit super Unterstützung machen kann. Die Leute haben sich für mich gefreut. Damit habe ich ganz viele Leute mit einem Schlag überholt und gehöre zu einer gewissen Garde. Jetzt habe ich ein ganz anderes Standing. Alleine schon, wenn du die Intros vergleichst—das Neue ist direkt mal eine Ansage. So etwas konnte ich mir vorher nicht erlauben. Erst jetzt rappe ich so, wie ich es immer schon wollte.

FVCKB!TCHE$GETMONE¥ erscheint am Freitag. Ihr könnt es bei Amazon und iTunes bestellen.

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