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Interviews

Shawn The Savage Kid ist ein Geschichtenerzähler. Einer von den Guten.

Ihr hört euch gerne Texte auf slicken Beats an. Dann seid ihr bei Shawn an der richtigen Adresse.

Foto: Max Brandl

HipHop ist die Musik der Worte. Keine Musik ist so textlastig wie Rap, für Freunde der Sprache dürfte das Genre genau das Richtige sein. Leider ist es so, dass nicht jeder Rapper am Mic eine textliche Offenbarung anbietet. Viel wird heutzutage über Stimme, Flow, Beats und Attitüde geregelt. Sprache kommt da häufig zu kurz.

Shawn The Savage Kid ist das egal. Er stellt mit Worten genau das an, was viele nicht mehr wollen oder können: Er erzählt Geschichten in seinen Songs. Zum Beispiel von seiner verkorksten Fußballerkarriere, von einem Goamädchen, das ihn in seinen Bann gezogen hat oder einfach über das Für und Wider des Chillens.

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Der in Wien lebende Shawn hat letzte Woche seine EP Egoprobleme rausgebracht, in der er sich und seine Umwelt mal kritisch, mal ironisch reflektiert. Übrigens: Shawn ist bei Showdown Records unter Vertrag. Klingelt da was? Während die Labels um die Jahrtausendwende jeden signten, der ein Mikrofon annähernd richtig rum halten konnte, blieb Showdown eine Schmiede für Qualitätsrap (die frühen Deichkind, KC Da Rookee, Square One). Nach jahrelanger Pause hat sich das Label wieder zurückgemeldet—mit Shawn als erstem Signing. Wenn das kein gutes Omen ist.

Noisey: Wie hast du eigentlich in Wien die Fußball-WM verfolgt?
Shawn The Savage Kid: Ich habe die Vorrunde fast im kompletten Wahn verfolgt. Wir saßen draußen am Donaukanal mit Dosenbier und haben uns zu irgendwelchen Leinwänden dazu gesetzt. Ab dem Viertelfinale wurde es dann schon ein bisschen viel. Aber es war sehr entspannt, dass ich die Deutschland-Spiele nicht in Deutschland anschauen musste.

Warum?
Ich war beim Splash zum Finale und es hat mich fast schon befremdet. Ich kann mit den bemalten Event-Fans nichts anfangen.

Wegen der Deutschland-Euphorie? Oder nerven dich als Fußball-Fan die plötzlichen Mats Hummels-Fanboys?
Beides. Diese Deutschland-Euphorie kotzt mich bei jedem großen Turnier an. Und zwei Monate später ist dann ein Länderspiel in Mainz, wo dann die Familien hingehen und bei einem Tor geklatscht und bei einem Fehlpass gepfiffen wird. Das hat nichts mit Fan-Sein zu tun.

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Jetzt ist Deutschland Weltmeister geworden, aber irgendwie hat sich rein gar nichts verändert.
Absolut. Aber ich habe mich für die Spieler gefreut. Die sind im Schnitt alle so alt wie ich und wir haben zur gleichen Zeit mit dem Fußballspielen angefangen. Jetzt ist also meine Generation Weltmeister geworden. Das ist schon geil.

Was hat dich dazu bewegt, Internationale Entwicklung zu studieren?
Ich habe in Südafrika ein Auslandsjahr gemacht und habe nicht gewusst, was ich danach studieren soll. Zufällig war ich in Wien für ein Wochenende und habe mir die Uni angeschaut und habe mich einfach inskripiert. Ich stand kurz davor, irgendwo auf Lehramt zu studieren. Gott sei Dank habe ich es nicht gemacht. Internationale Entwicklung ist ein geisteswissenschaftliches Studium mit kleinem, chilligen Institut. Das passt schon.

Beeinflusst dich das Studium als Rapper?
Ich glaube, es lässt mich viele Dinge einfach anders sehen. Wenn man lernt, Abhängigkeiten und Zusammenhänge zu erkennen, entwickelt man auch eine andere Art, zu denken. Außerdem muss ich viel für das Studium schreiben. Das ist also auch ein gutes Training.

Einige österreichische Rapper gehen nach Deutschland, du aber bist als Deutscher nach Wien gezogen. Wie ist die Szene da?
Wien ist sehr entspannt und entschleunigt, obwohl die Stadt sehr groß ist. Du musst mal schauen, wie langsam die Leute in die U-Bahn steigen. Das ist unfassbar. Es gibt eine vitale und lebendige Musik- und Fortgeh-Szene, die auch nicht zu groß ist. Wenn du in Wien talentiert und motiviert bist, kannst du dich so weit verwirklichen, dass die Leute das mitbekommen. Es gibt nicht wie in Berlin die Masse an Leuten, die das Gleiche machen wollen.

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Dieser entschleunigte Lebensstil scheint gut zu dir zu passen.
Joa. Ich bin schon ein chilliger Zeitgenosse. Eine Session bei mir ist nicht unbedingt mit Stress verbunden. Das ist alles sehr gemütlich.

Auf deinem ersten Song „Schlagerstar“ sprichst du sehr ironisch an, dass du lieber Schlager machen würdest, weil es dann zum Beispiel „Liebestöter regnen“ würde. Bei so viel Ironie ist bestimmt auch ein bisschen Ernst dabei?
Schon. Ich nutze ja auch bewusst viel Text und viele Aussagen. Für viele ist das nicht so leicht zugänglich und spielt sich deswegen gerade in der Nische ab. Ich will beim Musikhören allerdings gefordert werden und davon Inspiration kriegen und mich damit auseinander setzen. Das ist bei 90 Prozent der Musik nicht so. Ich würde meine Art, Musik zu machen, nicht aufgeben, aber natürlich ginge es sicherlich noch einfacher.

Du hättest auch das Thema Rapstar nehmen können. Viele Rapper machen ja nach der gleichen Formel wie Schlagerstars Musik. Hauptsache einfach und plakativ. Warum hast du dich trotzdem für den Schlager als Thema entschieden?
Es hätte auch Rapstar sein können. Aber ich habe Schlager genommen, weil ich mir eine Umgebung auswählen wollte, in der ich Dinge passieren lasse. Im Endeffekt sind die Aussage und der Ort, wo die Geschichte stattfindet, zwei verschiedene Dinge.

Wenn 90 Prozent der Leute einfache Musik hören, wie weit siehst du das Potenzial bei dir, mit deinen vertrackteren Texten viele Menschen abzuholen? Oder sind dir solche Überlegungen egal?
Ja, ein Stück weit schon. Ich will aber auch in Zukunft neben meinen verkopfteren Sachen auch mehr Rap über Rap machen. Einfach nur, weil ich das auch feiere und man nicht immer mit einem Thema konfrontiert werden muss. Ob es da noch Potenzial gibt—erstens ist mir das egal, weil meine Musik genau die ist, die ich machen will und ich das nicht beeinflussen kann. Ich glaube aber auch, dass die Chance da ist, mehr Leute für so etwas zu begeistern, weil es auch ein Alleinstellungsmerkmal ist. Ich will erreichen, dass man sich auf die Musik einlassen kann und es einem Spaß macht.

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Du setzt dich in deinen Texten sehr kritisch mit deiner Person auseinander. Bist du zu wenig selbstbewusst?
Ich glaube, es war schon immer so, dass ich nicht immer 100 Prozent zufrieden war. Ich wollte schon immer weiter, aber gleichzeitig versuche ich auch, mich zu reflektieren. Ich denke sehr viel nach, ich bin schon ein kleiner Grübler. Dieses Losertum ist ein Stilmittel, das einfach dazu gehört. Ich nehme mich aber auch nicht immer ernst. Ich finde, das hat nicht so viel mit Selbstbewusstsein, sondern mit Selbstkritik zu tun. Das ist kein Selbstzweifel, sondern nur Kopf-Wirrwarr.

Denkst du häufig zu viel nach?
Natürlich ist alles ein bisschen zu verkopft konstruiert. Das ist, glaube ich, noch meine große Schwäche, dass ich zu viel reindenke, obwohl es manchmal besser wäre, drauf zu scheißen.

Kannst du nicht drauf scheißen?
Es ist einfach ein Prozess. Ich bin noch lange nicht am Ende meiner Entwicklung. Ich fange jetzt erst an stattzufinden. Das perfekte Produkt wäre, eine gewisse Leichtigkeit und Spontanität mit komplexeren Themen zu verbinden. Das ist noch nicht so einfach.

Woher kommt dein Faible für die Sprache?
Meine Mutter ist Buchhändlerin und ich lese sehr gerne. Ich feiere einfach Sprache, ich benutze gerne steife und komplizierte Ausdrucksformen—auch in einem ganz normalen Gespräch. Ich mag es, wenn man sich korrekt ausdrücken kann. Ich will aber jetzt nicht der Verrohung der Sprache entgegensteuern, das interessiert mich eigentlich nicht. Meine Texte sollen sich für mich schön anhören. Diese Ästhetik ist für mich ganz wichtig. Sprache ist einfach was Besonderes.

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Du kannst Egoprobleme auf HHV.de und iTunes bestellen.

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