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Scott Weiland, die 90er und ich

Es wurde immer undeutlicher, ob Scott von echter Liebe oder von seiner Dauerflamme, dieser Hure Heroin, sprach.

Foto via Flickr | Focka | CC BY-ND 2.0

Zugegeben, die Nachricht von Scott Weilands Ableben heute morgen hat mich mehr getroffen als erwartet und ich schäme mich nicht der Tränen, während ich das hier schreibe und zum x-ten Mal „Interstate Love Song" höre. Ein Song, der für mich besondere Bedeutung nicht nur im Kontext der 90er hat. Von einer Band, die einen der charismatischten und (in guten Zeiten) fähigsten Sänger ihrer Ära hatte, aber auch einen mit Ablaufdatum. Und das hat der filigrane Junge aus Minnesota mit nur 48 Jahren erreicht, vermutlich seiner Drogensucht geschuldet. Warum dieser tragische Frontmann so eng mit ein paar der wichtigsten Momente meines Lebens verbunden ist? Hier ein paar Notizen.

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Rückblende. 1992, ich feiere meinen 20. Geburtstag und ziehe gerade bei meinen Eltern aus—hinein in eine 2er-WG, die in den nächsten beiden Jahren noch genug Legendenstoff hergeben wird. Ihr könnt es euch vorstellen. Zeitgleich erscheint das Debütalbum einer damals hier unbekannten Band namens Stone Temple Pilots, das relativ schnell Fahrt aufnimmt und sich zu einem Klassiker entwickelt: Core. In unserer WG sofort auf Heavy Rotation, reißen mich und meinen ebenso Hardrock-affinen Mitbewohner weniger die populären Hits wie „Plush" oder „Creep" regelmäßig von der Stonercouch, sondern eher die derben Kracher à la „Sex Type Thing" oder „Crackerman". Eines der wenigen Alben, dass man Sonntagnachmittag in voller Länge mit einer Flasche Havana Club in der Badewanne hören kann, wie wir mehrfach feststellen.

Übrigens: Hardrock, ja. Wer auch immer STP als Grunge bezeichnet kann auch gerne heute noch von mir auf unflätigste gemaßregelt werden. Das wurde spätestens mit Scotts Engagement in der Supergroup Velvet Revolver klar. Aber eines nach dem anderen.

1993. MTV Unplugged ist der heiße Scheiß, und die Gesangsperformance von Scott, der umringt von seiner Band mit Schrummelgitarren in einem Schaukelstuhl sitzt, ist ein ikonisches Bild der 90er. Weltkulturerbe, Herrschaften.

Fast forward nach 1994. Zwei Wochen nach einem für mich äußerst dramatischen, fast traumatischen Beziehungsende (übrigens das letzte dauerhafte seither) bin ich nach wie vor im freien Fall und krieg zwischen One Night Stands und horrenden Getränke- und Substanzausgaben meine Gefühle nicht in den Griff, da schießen die STP mit Purple ihr nicht minder großartiges Folgealbum nach, darauf ein nur 3:14 kurzes Kleinod namens„ Interstate Love Song".

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„Breathing Is the hardest thing to do / with all I've said and all that's dead for You / You lied – Goodbye." Ja. Er schafft es, meine Emotionen in Zeilen wie diese zu packen, umrahmt von Gitarren-Harmonien, die einen zwischen Aggression und Optimismus schweben lassen. Ich fange mich wieder. Ein Wendepunkt.

Doch immer undeutlicher wird, ob Scott von echter Liebe, Menschen, singt—oder von seiner Dauerflamme, dieser Hure Heroin, die schon so vielen Glück versprochen und Leid gebracht hat. Scott verliert sich im Drogenrausch, die STP versickern in der Bedeutungslosigkeit. Das Kapitel Stone Temple Pilots geht zu Ende.

Viel später. Mit der Gründung der Supergroup Velvet Revolver erfüllt sich für mich ein Traum. Meine geliebten Guns'n'Roses-Haudegen Slash, Duff McKagan und Matt Sorum in einem Team mit dem mittlerweile Ex-STP-Sänger. Das Album Contraband haut richtig gut rein, und mit „Fall to Pieces" motiviert Scott trotz oder gerade wegen seiner andauernden Heroinprobleme die Band zum wahrscheinlich besten Guns'n'Roses-Song außerhalb von Guns'n'Roses. Doch die Songzeilen und das intensive, erschütternd ehrliche Video nehmen den Tod auf Raten vorweg. Ein Jahr später, 2005, sehe ich bei Rock am Ring Velvet Revolver live. Endlich. Aber es ist eine ernüchternde Erfahrung: Weiland ist gerade mal so bei Stimme, sieht aber aus wie die übertriebene Karikatur eines Junkies. Dünn, krank, zerbrechlich, am Ende.

Zehn Jahre später findet er sein unrühmliches Ende in einem Tourbus, unterwegs mit den Wildabouts, seinem letzten Bandprojekt. Gute Reise Scott, und lass mir Kurt und Layne da oben grüßen.

Alle Artikel von Markus findest du hier.

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