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Ich hab einen meiner Frequency-Tage minutengenau protokolliert

Unsere Autorin hat einen Tag am Frequency protokolliert.

Alle Fotos: Christopher Glanzl

Wie schaut ein typischer Festival-Tag aus? Und zwar nicht in der Rückschau, sondern halbwegs objektiv mitprotokolliert? Wir haben unsere Autorin Lisa gebeten, das mal für uns zu tun.

Ich habe diesen Tag, um mein persönliches Festivaltagebuch vor euer aller Füßen auszubreiten, nicht nur deshalb gewählt, weil es mir an diesem mit Abstand am schlechtesten gegangen ist. Danke Bier, danke du dreistündiges Schlafpensum. Danke auch an die unterkühlten Züge (Dostojewski hat am Weg nach Sibirien sicher nicht mehr gefroren), die 16-jährigen Chicks, die ihre Zigaretten in meinen Haaren ausgedämpft haben und auch sonst danke, danke danke. Außerdem ist das der ehrlichste Tag. Niemand tut mehr so, als wäre er wirklich wegen der Musik hier.

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Aber lasst mich von vorn beginnen. Es war ja nicht nur schlecht.

10:00
Der Wecker am Handy läutet. Ich werfe es gegen die Wand.

10:15
Es läutet schon wieder. Ich habe vergessen, dass ich mir kurz vor dem Festival einen Bumper gekauft habe. Ja, so ein übervorsorgliches Ding aus Gummi, damit dem Schatz von einem weißen Tussi-Iphone auch ja nichts passieren kann, im Gedränge oder beim Herumgehüpfe. Ich verfluche den Bumper. Das Handy könnte ich jetzt auch unter eine Betonwalze legen. Es überlebt.

10:30
Gut, es wird lächerlich. Ich muss aufstehen. Der verdammte Tagesbericht muss um elf Uhr rausgehen. Ich dusche und bin wieder Mensch. Für alles weitere gibt es Make up.

10:59
Bericht abgeschickt. Muss mir selbst auf die Schulter klopfen. Eine literarische Meisterleistung.

11:00
Die Energie der Stunde nutzen, die verdreckten Nikes anzuziehen und sich aufzumachen Richtung Gelände. Es hilft ja alles nichts, Tag drei. Du Arschloch.

12.30
Am Gelände. Eingelebt. Sprich – etwas grausig fettige Fritten gegessen und mich für die Sonnenbrille entschieden. Nein, ich nehme sie auch im Bandgespräch nicht ab. Diesen Blick will niemand freiwillig sehen.

14:00
Interviews zum Großteil erledigt. Arbeitspensum also schon soweit abgedeckt, dass das schlechte Gewissen später gar nicht zu schreien beginnen muss. Darwin Deez hüpft auf der Space Stage herum. Das ist sehr lustig und hilft mir dabei, mich besser zu fühlen. Immerhin muss ich in der Sekunde nicht die 50 Besoffenen, die sich irgendwie auch am letzten Tag noch aus ihren Zelten in die erste Reihe schleppen konnten, unterhalten.

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15:20
Gengahr sind schon auch voll cool. Und außerdem steh ich da drinnen, in der Höhle genannt Weekender Stage, mit den schwarzen shades und sehe eh nichts mehr. Gut gegen Kopfweh.

16:15
Ich überlege, ob ich ein Bier trinken soll.

16:17
Ich trinke das erste Bier des heutigen Tages. Es schmeckt.

16:40
Meine müden Beine zwingen mich, einfach zwischen Weekender Stage und Space Stage (und god bless, dem Pressebereich) hin- und herzupendeln. Nicht nur die Klos sind wirklich supersauber, sondern auch die Liegestühle da. Man muss ja nicht immer in der ersten Reihe stehen.

16:45
Meh, Krach kommt von der Bühne. Irgendso alteingesessener Ska-Punk (Mad Caddies). Genau das, was mich in dieser Stunde kotzen macht. Und das hat nicht einmal das erste Zipfer des Tages geschafft.

17:00
Kurze Ruhepause vor der Weekenderstage. Schön langsam verstehe ich, wieso das da drin so abgedunkelt ist. Ist gar nicht scheiße.

17:30
Sehr trist. Versuche, mich mit drastischen Mittel bei Laune zu halten. Das Line Up ist an diesem Samstag sehr schlecht. Sehr durchwachsen, aber leider sehr schlecht (bis auf nach 20.00, dazu komme ich noch). Ich stopfe mich voll mit einem Burrito. Der heißt „Big Meat“, ich fühle mich schlecht neben der veganen, blonden und total gesunden Hipsterbraut, die da mir steht und ihren laktosefreien Gemüse-Milchshake schlürft und ab und zu von ihrem veganen Kebap abbeißt. Kann nicht zusehen. Ich will Fleisch.

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18:00
Schleife mich vor die Space Stage zurück. Was ist denn das. Alligatoah. Ich habe gedacht, es kann nicht schlimmer kommen. Immerhin schaut sogar die Sonne heraus (auch die nervt an diesem Tag, ich habe zu viel angezogen, es ist heiß). Jonas hat schon berichtet, ich will nur hinzufügen, dass ich mich selten so politisch und gleichzeitig in meinem eigentlich nicht sonderbar ausgeprägten Genderbewusstsein zutiefst beleidigt gefühlt habe. Von meinem musikalischen Empfinden gar nicht zu sprechen. Danke für diese Erfahrung!

19:00
Ich glaube, dass ich sterben muss.

19:15
Ich trinke noch ein Bier. Beschlossen, das Verenden noch ein bisschen hinauszuzögern.

20:00
Bin eigentlich ganz gut drauf. Oder aber der Schlafmangel holt jetzt noch einmal alle restlichen Energien in Form eines nervösen Putschs heraus. Wie auch immer, ich begebe mich, angeekelt ob der vielen Leute, auf den Weg zur Green Stage. Erstes Mal heute. Ja, sorry, ich bin echt schlecht drauf an diesem Samstag. 20:30
Ich bin zum ersten Mal heute ganz glücklich. TV on the radio spielen gerade. Das Set ist gut, der Sound ist auch gut. Außerdem hab ich viel Platz rund um mich für meinen Ausdruckstanz.

20:45
Das erste Mal heuer (verwöhnte Presse-Generation olé) am Dixie-Klo. Es war wiedermal ein prägendes Erlebnis. Aber der Weg zum VIP-Bereich wäre zu viel Strapaze gewesen.

21:55
Ich bin mit dem dritten Frequency-Tag ausgesöhnt. Das schiebe ich halb auf den Alkohol, halb auf King Paul. Jaja, King Kendrick spielt gerade vor 80 Prozent der Frequency-Besucher auf der Space Stage. Ich wollte ihn schon, aber mehr noch Interpol sehen. Altbewährte Mittel helfen. Kendrick hätte ja in die Hose gehen können, stellt euch das vor. Bei Paul Banks weiß ich ja, was ich bekomme.

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22:30
Habe ein veganes Falafel-Sandwich gegessen. Es war sogar Salat drinnen. Hat meinen ganzen Festivalfood-Ernährungshaushalt zusammengeschmissen. Ich denke, dass mir von den frischen Tomaten ein bisschen schlecht geworden ist.

22:45
Geht schon wieder. Ich bin in Partymood.

23:00
Das sind echt Linkin Park da oben auf der Bühne. Fremdschämung auf dem Höchstlevel beschließe ich, mich jetzt nur mehr meinen Freunden zu widmen, die es fast genauso schrecklich finden wie ich.

0:00
Ja, ich bin auf der Siluh Sommerparty gelandet. Der Nightpark war mir dann doch zu überfüllt mit 18-jährigen Vollblutproleten, das hätte ich einfach nicht mehr geschafft. Auch in meiner auch-schon-alles-egal-attitude.

Keine Uhrzeitangabe.
Ja, ich habe es nach Hause geschafft. Sogar bis nach Wien. Voll ausgestattet mit Wohnungsschlüssel, Geldbörse und allen Ausweisen. Check! Nur, die Sonne war schon wieder vor mir da. Hat mich geärgert. Over and out.

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