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Noisey Blog

„Bei der Afterhour werden wir alle heulen“—Ein Abschiedsinterview mit Hennes von der Pratersauna

Hennes Weiss hat uns seine sehr persönlichen sieben Jahre Sauna erzählt.

Bild: Marianne Vlaschits

Jetzt wird es wirklich ernst. Nach diesem Wochenende ist es endgültig vorbei mit der (alten) Pratersauna. Bevor Martin Ho den Laden übernimmt, feiert so etwas wie eine Generation von Wiener Partygängern beim Closing noch einmal den Club, ein bisschen auch sich selbst und seine eigene Partygeschichte.

Zur Sauna, ihrer Bedeutung, ihrem Ende und den Veränderungen in der Clubkultur wurde viel geschrieben. Das soll an dieser Stelle deshalb auch nicht noch einmal passieren. Wer damit noch nicht so vertraut ist, dem sei unser großes Pratersauna-Interview von Anfang 2015 ans Herz gelegt. Beziehungsweise das im Kurier, wo die Betreiber die Gründe für die Übergabe erläutern.

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Statt den Fragen über Wiener Clubs, die Konkurrenz und die Vergnügungssteuer gibt es hier ein sehr persönliches Abschiedsinterview mit Hennes Weiss, der gesprächigeren Hälfte des abtretendenen Betreiberduos, über sieben Jahre Pratersauna. Und sieben Jahren Clubmachen.

Noisey: Was überwiegt gerade bei dir: Erleichterung, Trauer oder Nostalgie?
Hennes: Irgendwie alles. Mir ist sehr wohl bewusst, dass so eine extreme Phase nicht mehr so schnell in meinem Leben kommen wird, daher versuche ich es tatsächlich auch bewusst zu genießen. Zumindest rede ich mir das beim derzeitigen Stress und Druck ein. Der Prozess zum finalen Übergabe-Vertrag war ein Krimi und kam quasi erst 5 vor 12—nur drei Wochen vor dem angekündigten Closing—zur Zufriedenheit aller Beteiligten zustande. Es ging um viel, und das war definitiv nichts für schwache Nerven. Das hat mich so stark geprägt, dass ich am Tag des Closing-Weekends zugeben muss, dass die Erleichterung der Trauer überwiegt. Ich gehe davon aus, dass sich das allerdings spätestens am Sonntag bei der Afterhour schlagartig ändert und wir alle heulen werden.

Im Jänner ist gerade wieder ganz Wien in der Sauna, postet Emotionales auf Facebook und erinnert sich an glorreiche Zeiten. Macht dich das glücklich, oder denkst du manchmal „Wärt ihr Penner in den letzten zwei Jahren doch nur öfter hier gewesen“?
Das Closing ist dann perfekt, wenn sich unsere Stammgäste 2009-2013 mit der aktuellen Club-Crowd mischt. Die Reaktionen gehen mir schon ans Herz und ehrlich gesagt hätte ich jetzt auch nicht mit so einer starken Anteilnahme gerechnet. Obwohl ich ja normalerweise selbst auf Facebook eher zurückhaltend bin, musste ich mich selbst dabei ertappen, dass ich in den letzten vier Wochen mehr Herzerln als Ausdruck meiner Dankbarkeit gepostet hab als in den letzten 7 Jahren gesamt. Das gehört wohl alles zu einem Ausnahmezustand dazu.

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Hätte es eine Möglichkeit gegeben, dass ihr weiter macht? Was hätte passieren müssen?
Ja, bis vor knapp 6 Monaten war das sehr wohl auch noch ein ernsthaftes Thema und zuletzt aufgrund der Vertragsverzögerungen dann auch nochmal kurz. Da aber eher mehr als „Drohung“ um unsere Verhandlungsposition zu stärken.

Was bedeutet dir die Sauna ganz persönlich?
Ich weiß nicht, ob man in einem Zeitraum von nur sieben Jahren schon von einem Lebensabschnitt sprechen kann. Davor war, und danach wird alles anders. Somit kann man die Bedeutung nicht in Worte fassen. Es war immer unsere Idee einen Ort zu schaffen, wo Menschen zu sich selbst und/oder zueinander finden können. Diese Mission hatten wir nicht nur für unsere Gäste, sondern auch für uns selbst. Mit Erfolg, was auch auf mich persönlich zutrifft.

Kannst du was zu den letzten Wochen aus deiner Sicht erzählen? Wie kam es dazu, dass plötzlich alle die Nachricht vom „Verkauf“ der Sauna in der Timeline hatten, während du in den USA warst?
Ich kann euch so viel verraten, dass ich manchmal geglaubt habe, ich bin im falschen Film.

Wieviel hat die Öffentlichkeit nicht mitbekommen?
80 Prozent.

Wie viele Parteien waren letztlich beteiligt? Gab's schmutzige Tricks? Von ihnen, aber auch von euch?
Dass Martin Ho letztendlich an der Pratersauna Interesse hat, war uns spätestens klar, als er die Bude (jetzt VIEiPEE) neben uns übernommen hat. Damals war es für uns jedoch noch keine Option. Fusionsgedanken mit der Grellen Forelle inklusive mehreren Geheimmeetings waren eigentlich der Anstoß zum jetzigen Endergebnis. Auch wenn sich diese Gespräche im Sand verlaufen haben, sind Stefan und ich erstmals auf den Geschmack gekommen, ganz aufzuhören. Aktiv sind wir danach—das ist kein Geheimnis—als allererster an Kaveh und Ali vom Volksgarten herangetreten, und deren Interesse war nach dem ersten unverbindlichen Meeting auch nicht mehr zu bremsen. Spätestens dann nahm allerdings auch die Mundpropaganda (über die Keimzelle VIP-Bereich vom Voga) ihren unkontrollierten Lauf. So weit, dass sogar diverse Medien auf Meldungen von der Qualität eines Afterhour-Stille-Post-Spiels aufgesprungen sind. Ich kann mich noch genau erinnern, als ich mit HVOB in L.A. auf Tour war und eines morgens inklusive Zeitverschiebung auf mein Handy schaute. Circa 50 Missed Calls und Messages ohne Ende, dass die Pratersauna verkauft wurde. Das Faze Magazin in Deutschland hat sogar gemutmaßt, dass Stefan es hinter meinen Rücken allein verkauft hat. Haha, ja war schon ganz lustig und ich fühlte mich gezwungen, mein erstes „Facebook-Dementi“ in meinem Leben zu schreiben. Hätte sicher professioneller ablaufen können, aber jetzt kann ich fast schon wieder drüber lachen.

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Auf einer Skala von 1-10: Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?
Über den Verlauf der letzten sechs Monate und das Verhandlungs-Endergebnis selbst gebe ich maximal eine sechs. Dass wir uns entschieden haben, ganz aufzuhören, ist bei mir und auch Stefan eine klare zehn.

Wann wirst du das erste Mal in die „neue“ Pratersauna gehen? Und wird das ein emotionaler Besuch, oder hast du dich davon schon verabschiedet?
Puh, gute Frage… darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht. Natürlich bin ich gespannt, wie mit unserem Erbe umgegangen wird; auch wenn ich es total wertfrei und neutral sehe. Der Abschied könnte emotionaler nicht sein. Das Wiederkommen wird mehr ein schönes Schwelgen in Erinnerungen.

Was wird Martin Ho besser machen als ihr? Was schlechter?
Jede Geschäftsführung, egal in welcher Branche, strahlt durch ihr Tun und Handeln einen gewissen Spirit aus und ist schlussendlich alleine dafür verantwortlich. Die Clubszene spürt das sensibler als man glaubt. Wir pflegten schon von Beginn an einen Laissez-faire-Führungsstil innerhalb unseres Teams, und der wirtschaftliche Erfolg war bei uns immer sekundär. Zwei Faktoren, die sicher einen starken Einfluss auf unseren intern gelebten und nach außen transportierten Spirit hatten. Ob das am Ende gut oder schlecht war, muss sich jeder seine eigene Meinung bilden. Es lässt sich auf jeden Fall nicht kopieren.

Foto: Niko Ostermann

Was wäre ohne dich in der Sauna anders gelaufen, was ohne Stefan?
Da gibt es einen Spruch, der uns schon seit Jahren begleitet und zu 100 Prozent der Wahrheit entspricht: „Wenn ich die Pratersauna alleine gestartet hätte, hätte sie schon wieder zu. Wenn Stefan es alleine durchgezogen hätte, hätte sie nie aufgemacht.“ Mehr muss man dazu nicht mehr sagen, außer, dass wir in der Kombination ein Dream Team sind.

Was waren große Fuck Ups?
Puh, da war wirklich alles dabei, was man sich vorstellen kann. Zum Beispiel die Party mit DJ Maxim (Prodigy) mit 100 zahlenden Gästen und 10k Verlust, die Security-Schlägerei am Eröffnungstag, die niemand brauchte und womit wir es gleich zu Beginn auch gleich mal auf die Titelseite einer Zeitung geschafft haben; Überschwemmungen im WC, die zum Abbruch führten bis hin zu ein, zwei wirklich kritischen Notarzt-Einsätzen. Ach ja, und mein persönliches Highlight: Ich hab vergessen, Grandmaster Flash vom Flughafen abzuholen, weil ich auf einer Afterhour hängen geblieben bin.

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Was waren ganz große Momente?
Act-technisch fand ich es schon toll, dass Kelis oder Die Antwoord uns mit ihren Live-Performances die Ehre gegeben haben; das komplett überfüllte WM-Final-Screening am Pool oder diese eine legendäre Afterparty im Kaltbecken (jetziger neuer Eingang), wo plötzlich um ca. 11:00 Uhr vormittags ein Polizist vor mir stand und ich ihm erklärte, dass der Herr Kapellmeister seine Privatgeburtstagsfeier ausrichtet. Hat tatsächlich gestimmt, aber irgendwie hat er es mir nicht abgenommen. Komisch.

Wie sehr hat dich das Lob aus den großen Deutschland gefreut?
Sehr. Aber viel wichtiger war die Bestätigung, dass ein Wiener Club—und somit auch die Wiener Szene—sehr wohl mit allen anderen Clubs außerhalb der Grenzen auf selben Niveau mitmischen kann. Von Beginn an haben wir uns international (Stichwort Pratersauna Worldtour) ausgerichtet. Mit dem Ergebnis, dass international wichtige Artists und Labels sich von selbst aufgedrängt haben, zu spielen.

Was hättet ihr in den letzten sieben Jahren besser machen können?
Diese Liste ist einfach zu lang um hier jetzt damit zu starten. Der Mensch ist so programmiert, dass er am meisten von Fehlern lernt. So ist das auch bei mir. Diese Erfahrung nimmt mir niemand mehr weg.

Was waren die beste Entscheidungen?
Damals irre und leichtsinnig genug zu sein, dieses Mammut-Projekt zu starten. Und jetzt die notwendige Selbstreflexion zu haben, es am richtigen Zeitpunkt zu beenden.

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Welches Vorurteil gegenüber der Sauna hat dich am meisten geärgert?
Es gab in der Anfangsphase mal einen Leitartikel in The Gap, welcher sogar noch vom Herausgeber selbst geschrieben wurde. Der war so geschmacklos, dumm und unreflektiert, dass ich mich heute noch darüber ärgere. Da wurde eine rote Linie überschritten, die man nicht mehr gut machen kann. Zum Glück hat das Redaktionsteam noch andere Mitarbeiter, die verstehen worum es eigentlich in der Clubszene geht. Eine Entschuldigung steht nach wie vor aus. Aber ich bin Profi genug, um auch das wegzustecken.

Gibt es etwas, das du einem bestimmten Konkurrenten immer schon mal sagen wolltest, dich aber nie getraut hast?
Nein, weil ich ein offener Mensch bin und es dann schon gesagt hätte. Ich kenne die Grabenkämpfe in Berlin unter den Clubs und kann eigentlich durchaus positiv über das freundschaftliche Leben und Leben lassen in Wien sprechen. Auch wenn es am Ende mit den Absprachen nicht immer so toll geklappt hat.

Foto: Niko Ostermann

Klauen wir mal gerade eine Idee vom biber und machen ein paar Fragen, die du nur mit einer Zahl beantwortest. Wie oft hat dich die Sauna zur Verzweiflung gebracht?
2.5 Millionen Mal.

Wie oft hat dich jemand im Club zugequatscht, obwohl du lieber weggegangen wärst?
Nur 15 Mal pro Abend.

Wie oft hast du in den letzten Jahren ans Aufhören gedacht, dich dann aber nochmal aufgerafft?
Ernsthaft: 4 bis 6 Mal.

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Wie oft hast du dich über die heimische Presse geärgert?
57 Mal.

Wie viele Mails hättest du in den letzten Jahren im Nachhinein lieber nicht abgeschickt?
87.

Wie oft musstest du eine Frage zur „Wiener Szene“ beantworten, die dir auf die Nerven gegangen ist?
37 Mal.

Wie oft hast du Leute in den Büroräumen beim Sex erwischt?
6 Mal.

Wie viele Leute hast du aus der Sauna rauswerfen lassen?
59.

Wie oft hast du dich von ihrem Gejammer noch umstimmen lassen?
19 Mal.

Wie viele Partner und Weggefährten magst du heute weniger als am Anfang?
0.

Was wird aus dir? Was kommt jetzt? Gibt es auch Projekte, von denen wir noch nichts wissen?
Der geplante Südafrika-Urlaub wurde jetzt doch auf März verschoben, weil die Sauna-Übergabe in Wirklichkeit noch gute zwei bis drei Wochen dauert. Viel Erholungszeit bleibt allerdings nicht, weil wir uns mitten in der Vorbereitungsphase für das Lighthouse Festival in Kroatien Ende Mai befinden. Übrigens auch schon bald ausverkauft. Wie schon in vielen Interviews erwähnt, sehen Stefan und ich die Pratersauna überspitzt gesagt nur als „kleinen“ Zwischenstopp, um an eine höhere Bestimmung zu kommen: Nicht Österreich, sondern Europa ist unser neuer Zielmarkt und daraus entsteht eine komplett neue Herausforderung, welche neue Leidenschaft in uns erweckt. Einen kleinen Größenwahn hatte ich übrigens schon immer und die Idee, ein weiteres Lighthouse Festival nahe Kapstadt zu machen, geht mir nicht mehr aus dem Kopf.

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Das Management für HVOB erfordert immer mehr Zeit und dabei freue ich mich vor allem wieder auf mehr Reisen, neue Menschen und Kulturen kennen zu lernen. Ein Privileg, dessen ich mir sehr bewusst bin und ich jetzt auch endlich Zeit dafür habe. Und ja, es gibt auch ein neues Projekt: Ich habe mit Freunden in Berlin eine Firma mit der dazugehörigen Markenplattform DJsCantCook.tv gegründet, wo wir am 6. März die Europa Launch-Tour in Antwerpen starten. Es folgen Helsinki, Berlin, Barcelona, Ibiza, auch Wien steht im Herbst am Plan. Dabei handelt es sich um eine BoilerRoom ähnliche Plattform, welche die Genuss- und Kochgastronomie mit der elektronischen Musikszene verbindet. Ein Projekt mit einer weltweiten Roll-Out Mission. Ja und noch ein paar andere Projekte… Keine Sorge, mir wird es nicht langweilig.

Was steht zum Closing an?
Drei Tage kompletter Ausnahmezustand. Eine Award Gala inklusive Red Carpet als Danksagung an Personen, die es sich verdient haben. Das 300 Stück Limited Edition 7YRS PRS Bildbandbuch, erscheint im März. Eine Doku, die wir schon länger geheim drehen. Die erscheint im Mai.

Was wirst du tun oder denken, wenn du den Schlüssel übergibst?
Ich werde Martin Ho höflich um ein Taschentuch fragen und ihm gleichzeitig viel Glück wünschen.

Zum Abschluss: War es das alles wert?
Ja. Und bei dieser Gelegenheit möchte ich ganz zum Abschluss meinem lieben Freund und Geschäftspartner Stefan noch folgendes ausrichten: Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen und diese gemeinsame Zeit nimmt uns niemand mehr weg. Ich danke dir dafür.

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