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Dem Popfest ein Kompliment

Am Donnerstag beginnt rund um den Karlsplatz das sechste Popfest.

Foto: Mona Hermann

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr aus eurer chaotischen, viel zu lange nicht mehr aufgeräumten Wohnung rausgeht und die Straße, die ihr jeden Tag auf und ab geht, ganz plötzlich nicht so wirkt wie eure Straße? Sondern vielmehr, als wäre sie auf Sommerfrische gewesen und hätte einen gewissen Flair mitgebracht, den ihr sonst nur von heimlich nach Österreich geschmuggeltem Sand kennt? Dieses Gefühl, dieser Urlaub in der eigenen Stadt sei eine seltene, aber willkommene Unterbrechung? Jedes Jahr, wenn das Popfest langsam lauter wird, die Bühnen am und um den Karlsplatz aufgebaut werden, liegt etwas von genau diesem Gefühl in der stickigen Sommerluft Wiens. Schon morgen, am 23. Juli beginnt die sechste Ausgabe des Popfestes, was bedeutet, dass Wien nun seit mehr als einer halben Dekade am Karlsplatz abhängt und österreichischer Musik zuhören kann. Ich kann mich noch gut an meine erste Kontaktaufnahme mit dem Fest erinnern: Es war heiß (und mit heiß meine ich 22 Grad) und ich saß in einer kochenden (Übertreibung) Dachgeschoßwohnung in—nona—Wien. Es war schon abends, ich im Pyjama, die Haare hatte mit einem (wahrscheinlich) ungebrauchten chinesischen Stäbchen irgendwie zu einem Knoten gezwirbelt und war mit den Gedanken überall nur nicht in der U-Bahn, geschweige denn unter Menschen. Irgendwie haben es meine Freunde dann doch geschafft mich zu überreden und zum Popfest zu fahren. Wie so oft im Leben war ich froh, nicht um 20:00 auf der Couch eingeschlafen zu sein.

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Seit damals weiß ich, dass das Popfest die wichtigste Veranstaltung für gegenwartsnahe, österreichische Musik ist. Ich vermeide hier bewusst „eine der wichtigsten“ zu sagen. Denn noch bevor österreichische Musik auch international (und mit international meine ich hauptsächlich Deutschland) wieder gehört und, ja, gelobt wurde, ist das Popfest hinter ihr gestanden. Seit 2010 präsentiert uns das Event zeitgenössische Musik, die nicht weit reisen muss, um Spielstätten wie die Seebühne am Karlsplatz, das Heuer oder das Brut bespielen zu können. Kleinen Acts wird eine Bühne geboten und heimische Acts, die schon Fuß gefasst haben, kommen nicht zu kurz—Größenwahnsinn geht sich allerdings nicht aus. Das macht aber gar nichts, denn die Chance die üblichen Verdächtigen live zu sehen, gibt es zu Genüge. Nach Leuten wie Patrick Pulsinger, Wolfgang Schlögl oder Violetta Parisini wird das Popfest heuer von Susanne Kirchmayr und Stefan Trischler kuratiert, die ihr wohl eher unter ihren Künstlernamen Electric Indigo und Trishes kennt. Kirchmayr hat die Plattform female:pressure gegründet; eine Datenbank für internationale weibliche Künstlerinnen, die sich der elektronischen Musik verschrieben haben und Trischler arbeitet als Musikjournalist und Produzent—vor allem bekannt durch Tribe Vibes auf FM4. Gemeinsam haben sie das Programm der heurigen Ausgabe des Popfestes zusammengestellt. Sie haben es zwar nicht geschafft, die angekündigten 50% Frauenanteil zu erreichen, haben aber einen noch höheren Anteil als in den letzten Jahren erzielt. Und das gehört auch erwähnt. Schließlich ist die Stimme der Frauen in der Musiklandschaft noch immer leiser, als sie es sein könnte. Clara Luzia, Yasmo, Aivery, Joyce Muniz oder Joja sind nur einige der Damen, die das Popfest heuer ein bisschen stillvoller machen. Gerade letztes Jahr haben wir festgestellt, wie unfair die Geschlechterverteilung bei Festivals wie dem Frequency oder dem Nova Rock ist. Bei Österreichs privaten Festivals gab es be einen Frauenanteil von 5%. Musik ist zwar immer noch Männersache, aber das Popfest bemüht sich, zumindest die weiblichen Künstler zu fördern bzw. zu featuren, die wir haben.

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Die Kuratoren haben auch viel wert auf den Sound gelegt—Innovation steht bei den 57 Acts vor Perfektion und kaum etwas ist langweiliger als letzteres. Vier Tage lang könnt ihr auf einem der wichtigsten Stadtfestivals Bier trinken und euch rund um den Karlsplatz einmal mehr von einem Programm, das durch Diversität und vielversprechenden Acts überzeugt, überzeugen lassen.

Donnerstag, 23.Juli:

Bevor ihr euch in einen vier Tage andauernden Bier-Marathon stürzt, könnt ihr noch einen letzten Blick auf etwas Gesundes werfen. Heuer wird das Popfest nämlich von The Vegetable Orchestra eingeleitet. Den Namen haben sie nicht aus reiner Willkür, sondern aufgrund der Tatsache, dass sie ihre Musik mit Gemüse erzeugen. Die 5/8erl in Ehr´n spielen direkt danach ebenso auf der Seebühne, auf der Dorian Concept feat. Cid Rim & The Colonius den Abend dann den letzten Act des ersten Abends geben werden. Um 21:00 solltet ihr aber einen Pitstop beim Brandwagen machen. Beim Red Bull Brandwagen spielt nämlich einer unserer liebsten Wiener Produzenten, Brenk Sinatra, mit Fid Mella, deren letztes gemeinsames Album eine Ode an ein längst vergessenes Wien war. Egal, ob für die Vergangenheit oder die Erinnerung—es wird großartig. Zu Ende ist der Abend musikalisch aber noch nicht: Im Prechtlsaal der TU werden beispielsweise AIKO AIKO spielen und im Brut kann man sich noch Fauna oder Joyce Muniz ansehen.

Freitag, 24. Juli:

Attwenger! Ohne „Kana daham“ wäre ich vermutlich sehr oft viel schlechter gelaunt in die Redaktion gekommen und die Leute, die neben mir in der U-Bahn gesessen sind, hätten sich viel öfter den Müll durch meine Kopfhörer anhören müssen, den ich mir sonst so in der Früh im Kampf gegen die Laune reinziehe. Danach: unbedingt bleiben und Dubblestandart feat. Lee Scratch Perry feiern. Die wissen nämlich schon seit fast 30 Jahren was sie tun. Im Prechtlsaal spielen Chuzpe, die drei Ladys von Aivery und die Lonesome Hot Dudes. Im brut spielen Mimu, Waelder, Ventil, Innode und zwar in der Reihenfolge. Im Sass gibt es Motsa und Clara Moto.

Samstag, 25. Juli:

Auf der Seebühne wird es heute besonders female und spannend. Unter anderem werden Clara Luzia und die Damen mit den schönsten Frisuren Wiens, Fijuka, spielen. Leyya kann und sollte man sich beim Red Bull Brandwagen ansehen und ab 23:00 Uhr würde ich mich an eurer Stelle nicht mehr vom Prechtlsaal entfernen. Da spielen nämlich The Mechaniks, Mile Me Deaf und zu guter Letzt Hella Comet. Achso, außer ihr interessiert euch für Crack Ignaz. Oder Wandl. Hm. Im Heuer legen Anna Leiser, G.Rizo oder DJ Lazer auf.

Sonntag, 26. Juli:

Vier Wörter: Fennesz in der Karlskirche. Wem vier Wörter zu wenig sind, der kann sich um 15:00 Uhr im Wien Museum bei der Nino Mandl und Natalie Ofenböck-Band Krixi, Kraxi und die Kroxn (geh, müsst ihr euch immer so scheußliche Namen für eure Projekte aussuchen) gegen seinen Kater wehren. Danach spielt das Generationen-Projekt Worried Man & Worried Boy.

Das vollständige Programm findet ihr hier und wie letztes Jahr wird es auch heuer wieder qualitätsvolle Hangover-Berichterstattung auf Noisey geben.

Isabella ist auf Twitter: @isaykah

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