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Niemand sollte auf Spotify heimlich Musik hören müssen

Du hörst Taylor Swift lieber heimlich in einer „privaten Session“? Lass den Scheiß.

Die „Private Session“ von Spotify ist der Inkognito-Modus eines jeden Browsers. Du weißt schon, der Modus, den umsichtige Menschen dazu benutzen, um ins Rotlichtviertel des Internet abzubiegen—ohne dass möglicher Herren- oder Damennesuch eine illustre Porno-Linkliste zu lesen bekommt, nur weil „you“ in die Browserzeile getippt wurde. Wenn wir uns also schmutzig genug fühlen, doch mal Justin Bieber oder Carly Rae Jepsen hören zu wollen, reichen zwei Klicks, um unsere sozialen Kontakte nicht an unserer musikalischen Notgeilheit teilhaben zu lassen. Immerhin wissen wir ganz genau, wie verurteilend wir doch selbst denken, wenn einer unserer Freunde gerade öffentlich Prinz Pi hört. Wie sollten wir den denn jetzt noch ernst nehmen? Sowas macht man einfach nicht, man belästigt nicht andere mit der eigenen Perversion.

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Ach ja, wie praktisch doch das Spotify-Feature ist, das uns anzeigt, was unsere Freunde so hören. Immerzu nicken wir kurz anerkennend mit dem Kopf, wenn unsere geschätzten Spotify-Kontakte mal wieder Kendrick Lamar, Jamie xx, Parkway Drive oder K.I.Z. hören. Was haben wir doch für einen wohlsortierten Musikkenner-Freundeskreis! Und jedes Mal, wenn unser Profil für eine Party geöffnet wird, um für gute Musik zu sorgen, liefern wir standardmäßig ab und sonnen uns im Lob für unseren ausgewählten Musikgeschmack. Dabei wissen wir doch ganz genau, wie oft wir Bock auf etwas Verruchtes hatten und im Stillen den vermeintlich größten Scheiß gehört haben. Und wenn wir so in die Augen unserer Beglückwünscher gucken, erkennen wir an ihrem verurteilenden Blick, dass sie das auch wissen—weil es ihnen genauso geht.

Was haben wir denn eigentlich vor Spotify gemacht, wenn unsere musikalischen Seitensprünge aufgeflogen sind? Mit hochrotem Kopf davon gestammelt, dass das eher so ein „Guilty Pleasure“ wäre—obwohl wir es täglich hören, wüssten wir natürlich, dass das beschissene Musik sei. Alles gut, die alberne Etikette wurde gewahrt. Aber ehrlich: Es macht doch absolut keinen Sinn, sich für seinen vermeintlich abartigen Musikgeschmack zu verteidigen und sich für etwas, was einem Freude bereitet, schuldig zu fühlen. Du findest Justin Biebers neues Album gut? Na, dann scheiß doch auf die Heimlichtuerei und reibe das jedem unter die Nase! Du schämst dich ja auch nicht dafür, dass Trüffel-Pasta dein Lieblingsessen ist, Tiefkühlpizza aber auch ganz geil sein kann.

Wovor hast du denn auch Angst? Immerhin kann der eigene Horizont doch nur erweitert werden, wenn dich jemand uneingeladen aus deinen gewohnten vier Wänden zerrt und dir Gegenden zeigt, die du alleine nie betreten hättest, die dich vielleicht sogar mit offenem Mund staunend zurücklassen, weil du nie erwartet hättest, hinter der vermeintlich hässlichen Fassade etwas so Schönes zu finden. Wie beispielsweise bei einem Metal-Cover von Miley Cyrus’ „Wrecking Ball“—und wo du schon mal hier bist, kannst du dir auch gleich mal das ganze Cyrus-Album genehmigen. Stundenlang. Darauf angesprochen, ob du einen neuen Musiktipp hast, wirst du das natürlich komplett verleugnen und irgendwas von einer Throwback-Phase und alten OutKast-Alben faseln. Aber irgendwann wird dich dein Gegenüber ungeduldig unterbrechen und dir mit leuchtenden Augen gestehen, dass das neue Taylor Swift-Album echt großartig sei, um hastig „also das Cover-Album von Ryan Adams!“ hinterherzuschieben. Und dann gehst du mit glänzenden Augen auf ihn zu, umarmst ihn verständnisvoll, während er schluchzend gesteht, dass er Ryan Adams nicht ausstehen kann, Taylor Swift viel besser findet und das gerne in die Welt hinausschreien würde.

Was zeichnet uns Musikliebhaber aus? Dass wir unsere Umwelt mit den aktuellen Top-Songs nerven. Wir schicken Links, spielen sie bei jeder Gelegenheit auf dem Smartphone oder Laptop vor, singen sie sogar lauthals—egal wie, wir müssen sie einfach teilen. Umso schlimmer also, wenn wir uns selbst damit beschränken, dass wir Angst vor ausschließenden Reaktionen haben. Nur weil die Charts jemanden lieben, muss er nicht automatisch von uns gehasst werden. Lassen wir doch die Finger von der privaten Session. Soll ruhig jeder wissen, wie pervers wir sind.

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