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„Alle haben mich ausgelacht. Heute kann niemand mehr lachen"—Nazar im Interview

Österreichs größter Rapper über Nationalismus, Wut und Wien.

Alle Fotos: Susanne Einzenberger & Matthias Heschl

Ich hab letztens an dieser Stelle schon mal geschrieben, dass ich Nazar für seine Angewohnheit, seine Meinung offen kundzutun, ziemlich suprig finde. Ansonsten möchte ich hier gar nicht viel reinquatschen. Sondern das Gespräch, das ich mit Nazar—Österreichs wahrscheinlich größtem, zumindest aber politischstem Rapper—am Tag seines Popfest-Auftritts in Wien geführt habe, relativ ungeschnitten wiedergeben.

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Noisey: Vor zwei Jahren habe ich ein Interview von dir zu Narkose gelesen, wo ich das Gefühl hatte, dass da auch eine Wut auf Österreich und seine Medienlandschaft da war. Hat sich das geändert?
Nazar: Ja, hat es sich. Dadurch, dass sich durch Universal und andere Akteure vor Ort einiges getan hat. Natürlich ist Wut in dir, wenn du sieben Jahre lang Musik machst, fünf Alben bis dorthin veröffentlicht hast, du der erfolgreichste Musiker aus Österreich bist—und niemand hat Interesse an dir, keiner will über dich berichten. Die Medien boykottieren dich, die Awards boykottieren dich. Alles, was über dich berichtet wird, ist permanent negativ. Der böse Kanacke aus dem 10. Bezirk, der sich mit Strache angelegt hat. Der Terrorrapper, der Islamist, der rote Fraktions-Freund. Das war eine sehr harte Zeit für mich. Aber Gott sei Dank hat sich das jetzt geändert. Wir leben ja auch jetzt im Internet-Zeitalter, das bedeutet, jeder Mensch hat die Möglichkeit, sich selber zu vermarkten, sich seine eigenen Plattformen aufzubauen—das war der einzige Grund, warum ich eigentlich bis heute überlebt hab.

Wieviele Facebook-Fans hast du gerade aktuell?

340.000 glaub ich.

Ich hab immer das Gefühl gehabt, dass dir dieses Independent-Ding sehr wichtig war. Bist du heute froh über das Majorlabel an deiner Seite?

Ja, wir sind aber auch noch immer in der Kennenlernphase. Ich bin immer noch ein Freund von Independent-Labels, ich hab ja auch mein Label Wolfpack Entertainment mitgezogen in diesen Vertrag. Deswegen hat’s auch 2,5 Jahre gedauert mit den Verhandlungen. Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass der Vertrag mit Universal so unfassbar krass ist. Letztlich wurde da fast alles, was ich wollte, umgesetzt. Da konnte ich eigentlich nicht nein sagen.

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Wie ist dein Verhältnis zur österreichischen Musik- und Medienlandschaft heute?

Ich habe immer noch kein Verhältnis und kaum einen persönlichen Draht zu den Medien hier.

Hast du das Gefühl, dass du sie brauchst? Oder nimmst du das mit?

Ich nehme es mit. Ich möchte mich auch nicht so hinbewegen, dass ich irgendwann gezwungen bin, diesen Medien nachzugehen, um etwas vermarkten zu können. Man verliert da schnell den persönlichen Draht zur eigenen Community. Das möchte ich auf keinen Fall.

Du wirst dieses Jahr 30. Das Intro von Camouflage ist ja auch ein kleiner Rückblick. Hast du das Gefühl, auch ein bisschen erwachsen zu werden?

Ja, erwachsen, aber auch alt. Ich spür’s an meinem Körper, jeden Morgen in der Früh. Ich hab wirklich den Körper eines 50-, 60-jährigen, was eigentlich eine Schande ist. Aber das liegt halt auch daran, dass ich auch oft operiert wurde und viele Probleme mit dem Knie hab. Ja, diese Zahl 30 macht mir gerade richtig Kopfschmerzen und ich hoffe, dass bald der September vorbei ist und ich das hinter mir habe.

Gleich nach dem Intro kommt ja auch sofort „Rapbeef“, der mit Beef an sich relativ hart ins Gericht geht.

Warum mir „Rapbeef“ so wichtig war: Ich bin ja ein Rapper, bei dem die Leute nie verstanden haben, warum ich so aussehe, wie ich aussehe, aber nie jemanden beleidigt hab—außer Strache. Ich habe nie einen Disstrack gegen irgendeinen Rapper gemacht, werde aber permanent darauf angesprochen und von anderen Leuten gedisst. Einfach weil sie wissen, Nazar ist ein Typ, der nicht darauf antwortet. Dieses HipHop-Beef-Ding ist für die Jugendlichen so immens wichtig geworden, dass sie gar nicht mehr auf die Musik achten. Es geht nur noch darum, wer beleidigt wessen Mutter und wer macht welche Videoblogs gegen jemand anderen. Dazu wollte ich einfach eine klare Stellung beziehen und sagen „Ey, keiner sagt etwas dagegen, weil alle in dieser Maybe-Generation Mitläufer sind und Angst haben, etwas dagegen zu sagen. Scheiß auf euch. Ich scheiß auch auf diese Sache, die ihr da macht. Ich brauch das nicht und ich finde es schade, dass ihr das braucht. Wenn es im HipHop, der eigentlich von der Straße kommt, der Themen haben soll, die Menschen von der Seele sprechen, nur noch darum geht, wer wen beleidigt hat, in welche Richtung bewegt sich der ganze Scheiß dann?

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Haben sich die Themen, die du behandelst, mit der Zeit geändert?

Natürlich, die sind mit meinem Alter gewachsen. Ich kann nicht wie auf meinem ersten Album erzählen, wie ich auf der Straße Leuten in die Fresse gehauen habe und wie ich in Geschäfte eingebrochen bin, weil ich dachte, dass ich anders nicht an Geld rankomme und weil ich dachte, das ist legitim. Das kann ich ja heute nicht mehr erzählen, weil’s nicht mehr der Fall ist.

Wo spielst du mittlerweile in Deutschland? Sind das Hallen, Großraumdiskos?

Schon Konzerthallen. Ich hab zwar auch Soundsystems, weil die auch finanziell einfach viel profitabler sind als Konzerte. Bei Konzerten bleibt einfach nicht viel hängen, weil ein großes Drumherum passiert, wie Tourbus, Security, DJ, Backup, Soundtyp, Lichttyp, Konzertlocation. Und bei einem Soundsystem, wo du einfach für 20 Minuten in einen Club gehst und mit deinem DJ ein paar Songs performst, bekommst du einfach Unsummen und deswegen mach ich beides.

Du trittst beim Popfest mit einer Big Band auf. Fühlt sich das wie ein Schritt nach vorne an?

Auf jeden Fall. Es gibt so ein Video von Kanye West, wo er mit einem Orchester im Studio spielt, alles in schwarzweiß … da hat mein Herz geweint, weil ich mir gedacht hab, ich möchte auch mal in so einem Raum sitzen mit so vielen Musikern, die dann meine Songs auf ihren Instrumenten spielen. Und das war dann halt in den letzten Tagen bei den Proben so und es war ein unfassbar krasses Gefühl für mich.

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Ist es ein besonderes Gefühl für dich, in Wien aufzutreten?

Ja, vor allem, weil das das erste Festival ist, für das ich gebucht wurde. Ich bin noch nie für’s Donauinselfest angefragt worden oder wie auch immer. Deswegen ist es für mich eine noch größere Ehre, in meiner Heimatstadt spielen zu dürfen. Eben auch vor so einer Kulisse. Das bedeutet mir schon sehr viel.

Auch ein bisschen Genugtuung?

Definitiv.