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„Musik ist mein Tagebuch“—Lone im Interview

„Vielleicht war dieses Album meine verfrühte Midlife-Crisis“—Bei uns kannst du Lones neues Album auf R&S Records als Ganzes hören.

Fotos: Promo © R&S Records

Anfang 2012 veröffentlichte Lone Galaxy Garden auf R&S Records, sein insgesamt fünftes Album und gleichzeitig sein Debüt auf dem belgischen Traditionslabel. Musikalisch glich das weniger einer farbenfrohen Injektion, sondern einer regelrechten Klangexplosion. Galaxy Garden atmete den Geist von kistenweise 90er Hardcore-Tapes, die Lone alias Matt Cutler im Schrank eines Freundes fand. Das Album verlötete Rave-Nostalgie mit hedonistischen Progressionen, vom Jungle geprägte Drum-Schemata mit träumerischen Vocal-Harmonien—und schickte die Leute dann so richtig ins Nirvana, als der Animationskünstler Konx-om-Pax zwecks Übersetzung des Ganzen in Visuals hinzustieß. Ein Album voller Persönlichkeit und Reminiszenzen an vergangene Tage, dem es aber auch an einer gewissen Verspieltheit nicht mangelte.

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Mit seinem neuen Album Reality Testing legt Lone nun nach, bei uns kannst du das Album jetzt schon in Gänze hören. Und wenn Galaxy Garden in erster Linie vorwärtsgewandt und futuristisch klang, dann hat Lone mit Reality Testing einen schönen Fleck für sich gefunden, um sich musikalisch zurückzulehnen und alles aufsaugen zu können. Kaum noch Spuren von 90er Rave-Einflüssen, dafür eine andere Art von Nostalgie: Seine Wiederentdeckung von HipHop zeigt Lone nun in seinen besten Momenten und macht aus Reality Testing ein wahres Hörvergnügen.

Im Interview mit Lauren Martin spricht Lone über seine klangliche Weiterentwicklung, die musikalischen Parallelen von HipHop und House, und was Skateboarding mit dem Album zu tun hat.

Noisey: Man mag es kaum glauben, aber dein fünftes Album Galaxy Garden ist erst vor zwei Jahren erschienen. Was hast du in der Zwischenzeit gemacht? Hast du sofort angefangen, neue Musik zu schreiben?

Lone: Ja, das ist schon arg. Galaxy Garden hatte ich Anfang 2012 fertiggestellt und sofort danach stürzte ich mich wieder in den Schreibprozess—ich fühlte mich aber eingeschränkt. Ich wollte, dass bei Galaxy Garden alles schimmert—dass alles synthetisch, kristallklar, farbenprächtig ist. Ich machte eine EP in der gleichen Art, verwarf sie aber sofort wieder.

Warum?

Es klang einfach genauso wie Galaxy Garden. Ich war einfach nicht mit dem Herzen dabei. Es ist zwar sehr klischeebehaftet, zu sagen, dass du die Musik nur für dich selber machst. Aber wenn ich selber schon davon gelangweilt bin, ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass es irgendjemand anderem gefallen würde. Es wäre einfach beschissen gewesen. Ich musste mir also etwas Neues ausdenken.

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Glaubst du, dass die positiven Reaktionen auf Galaxy Garden etwas damit zu tun hatten—also in Hinsicht darauf, Musik für dich selber und für andere zu machen?

Ich habe mir jetzt nie bewusst vorgenommen, Menschen irgendwie dazu zu bewegen, meine Sachen zu mögen. Ich versuche größtenteils, mich selbst zu überraschen. Ich warte gerne auf eine Idee, die mein Interesse erweckt. Ich betrachte das Lone-Projekt oft von außen. Lone ist für mich eine Art imaginärer Freund. Ich denke mir also: Wenn ich der größte Fan von Lone wäre, was würde ich gerne von ihm hören? Was wäre für Lone ein cooler nächster Schritt?

Ich höre auf jeden Fall einen starken HipHop-Einfluss auf Reality Testing.

Den gibt es dort tatsächlich. Keine Hardcore Rave-Stabs, keine schillernden Akkorde, nichts in der Art. Ich wusste, dass ich damit durch war und überlegte mir, in was ich mich als nächstes vertiefen könnte. Ich erinnerte mich an ein paar Dinge, die ich mochte, als ich jünger war—vor allem diese Skatevideos, die ich mir immer angeschaut habe. Vielleicht war es auch eine verfrühte Midlife-Crisis. Durch das Skateborden habe ich mit 15 HipHop entdeckt und diese Skatevideos hatten immer coole Soundtracks—so Zeug wie alte Wu-Tang- und Gang Starr-Songs. Um ehrlich zu sein hat mich HipHop dazu gebracht, wieder an Tracks zu arbeiten, aber ich wollte weiterhin Songs machen, die man auch im Club spielen kann. Es gibt als auch eine Menge von House- und Techno-Einflüssen auf Reality Testing. Als ich mich immer weiter in diese Welten vertiefte, merkte ich, dass viele der alten Technotracks genau wie HipHop-Instrumentals aufgebaut sind.

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Wie das?

Nimm zum Beispiel Theo Parrish. Dieser Housesound, der an MPCs mit Hilfe von Soul- und Disco-Samples zusammengebaut wird, ist nicht so weit entfernt von der Art, wie HipHop-Producer die selben Platten benutzen. Es ist diese Tiefe der Produktion, die Körnigkeit des Ganzen. Ich liebe elektronische Musik, die sich wie zu Hause gemacht anfühlt. Es ist fast so, als würdest du dich im selben Raum befinden.

Was von diesem Gefühl hast du ausprobiert und auf Reality Testing untergebracht?

Ich habe viel Hoffnung gefunden. Also ich bin schon der Meinung, dass es sich immer nach mir anhören wird, egal, was ich auch mache. Aber es ist so in etwa wie wenn Filmregisseure nach Quellenmaterial forschen. Das ist mein Ansatz dahinter. Der Startpunkt waren Skatevideos und meine alten Platten, die ich mir damals gekauft habe. Ich versuchte aber, mich nicht zu viel an J Dilla zu halten. Das ist das, was der L.A. Beatszene vor ein paar Jahren passiert ist. Brainfeeder sind großartig, aber ich wollte nicht, dass meine Platte wie eine Möchtegern-Brainfeeder Platte klingt.

Das im Hinterkopf habend muss ich sagen, dass das Album in vieler Hinsicht nicht das geworden ist, was ich ursprünglich damit vor hatte. Ich wollte ganz einfachen HipHop machen—kein Schnickschnack, keine Spielereien—aber dann, weil ich eben ich bin, klang es überhaupt nicht danach. Ich schätze dass es wenig Sinn macht, das ganze so zu reduzieren, dass man seine eigene Persönlichkeit gleich mit wegreduziert.

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Das Album fühlt sich wesentlich dichter gepackt an als Galaxy Garden und klingt nicht so ‚sauber‘.

Das Meiste von diesem ‚sauber‘-klingenden Kram ist momentan überhaupt nicht meines. Wenn ich von etwas gelangweilt bin, dann war es das für mich. Das heißt jetzt nicht, dass ich niemals wieder etwas in der Richtung machen werde … Ich glaube, dass mein nächstes Album Richtung Jungle gehen wird. Es ist wahrscheinlich auch kein Zufall, dass ich viel Gefallen an rauerem Techno wie L.I.E.S. und diesem neuen Detroit-House wie Funkineven, Kyle Hall und Jay Daniel gefunden habe, während ich Reality Testing geschrieben habe. Das ist die Gegenreaktion zu der ganzen Sauberkeit.

Wie sample-lastig in der HipHop-Tradition ist Reality Testing letztlich geworden?

Es sollte sich total sample-lastig anhören, aber ich wollte gleichzeitig nicht viel samplen. Generell versuche ich vor allem zu lernen, wie man bessere Akkordfolgen macht, weil mir das am Wichtigsten ist. „Coincidences“ besteht eigentlich nur aus einem einfachen VST Rhodes-Sound, aber ich bin stolz darauf, weil es sich wie ein altes Soul-Sample anhört. Ich gab mir wirklich Mühe, damit es abgenutzt klingt. Hier und dort gibt es einige Bläserstabs und zwischendurch mal einen schiefen Akkord, den ich woanders her habe. Abgesehen davon ist alles, was du hörst, von mir. Ich glaube, dass es keineswegs so farbenprächtig ist wie Galaxy Garden.

Es gibt schon Farben in Reality Testing, sie sind nur gedämpfter.

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Ja, genau das meine ich.

Vielleicht hilft es, HipHop hier eher als Technik und Einstellung zu betrachten, als einen bestimmten Sound.

Natürlich. Die ganzen housigeren Tracks haben diese swingenden Drums. Ich wollte Housetracks in der gleichen Weise aufbauen, wie ich HIpHop Beats aufbauen würde. Es ist einfach nur eine andere Geschwindigkeit. Sie sind tatsächlich nicht so weit voneinander entfernt.

Wie hast du den HipHop-Vibe so frisch und nicht nach abgedroschenem Revivalkram klingen lassen?

Vielleicht, weil ich mich abseits jeder Szene aufhalte und mich nicht darum kümmere, was wohl ein HipHop-Publikum zu den Songs sagen würde? Ich war mit dabei als UK-HipHop richtig groß war, weil ich öfters DJ auf den Shows war. So war meine Verbindung zu der örtlichen HipHop-Szene immer sehr eng, meine Favoriten kamen aber immer aus New York. Es fühlt sich einfach wie eine runtergefilterte Version von HipHop an. Ich bin vor ein paar Jahren zum ersten Mal in NYC gewesen.

Du hast auch eine neue Live-Show für Reality Testing vorbereitet, wieder einmal in Zusammenarbeit mit Konx-om-Pax. Wie würdest du sie beschreiben, ohne jetzt zu viel zu verraten? Wie ist der Vibe?

Ich wollte eine komplett neue Show mit Konx-om-Pax machen, weil er für die Animationen von Galaxy Garden so verdammt gute Arbeit abgeliefert hat. Ich wollte, dass es in dieser Show gleichermaßen um seine Arbeiten wie um meine eigenen geht. Er ist völlig frei mit seinen Animationen—um es aber kurz zu fassen: Er ist wirklich darauf versessen, Dinge zu machen, die wirklich zu dem Album passen. Er versteht meinen Sound. Diese Show wird nicht so bunt und ravy werden wie die Galaxy Garden-Shows. Diese ist jetzt recht abstrakt. Es gibt mehr Aufnahmen als Animationen. Wir haben vor kurzem in Lissabon einige Szenen gefilmt—mit viel Gegenlichtaufnahmen und Körnung. Es gibt auch Skateboarding zu sehen.

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Fährst du darin selber Skateboard?

Das tue ich tatsächlich, allerdings ziemlich schlecht.

Du sagtest mal, dass deine Inspiration für Galaxy Garden alte Rave-Tapes waren, die du gefunden hattest. Bei Reality Testing ist es jetzt deine alte Leidenschaft für Skateboarden und HipHop. Glaubst du, dass deine Gedanken hinter dem Schreibprozess für Musik nicht unbedingt nostalgisch, aber vielleicht inhärent kindlich sind? Dass es darum geht, alte Lieben wiederzuentdecken und neu zu interpretieren?

Ich habe noch nicht in dieser Art darüber nachgedacht, aber das stimmt in gewisser Weise. Meine Alben sind auch Dokumente meines Lebens. Musik ist mein Tagebuch. Ich schätze, es ist meine Art, den Überblick zu behalten.

Lone, Reality Testing, R&S Records, 13. Juni 2014, Vinyl / Digital

Folgt Lauren Martin auf Twitter: @codeinedrums

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