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Gibt es im Wiener Nachtleben eine Münchner Community?

Bevölkern die Münchner in zusammenhängenden Horden Wiens Nachtleben? Eine Untersuchung.

Vor zwei Jahren bin ich nach Wien gezogen. Aufgewachsen bin ich in München, aber zum Studieren habe mich dann für Wien entschieden. Versteht sich von selbst–inzwischen sind ja eh fast alle Münchner in Wien. Zumindest habe ich mir das von Österreichern sagen lassen. Von meinem Chef habe ich die Story gehört, dass vor dem Champions League-Finale 2012, für das viele Bayern heimgefahren sind, der Satz "Wien ohne Münchner? Das ist ja wie 2006!" herumgeisterte.

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Wenn man sich unter schon länger in Wien lebenden Menschen, zum Beispiel auch bei uns in der Redaktion, umhört, hört man viel von einer mysteriösen Münchner Community. Angeblich würden Münchner eh nur gemeinsam fortgehen und unter sich bleiben. Bislang habe ich immer gesagt, dass das totaler Schwachsinn ist. Zumindest kenne ich diese Community nicht und habe das bislang immer ganz anders empfunden. Wenn ich aber darüber nachdenke, fällt mir auf, dass auch ich am Wochenende sehr häufig mit Münchnern unterwegs bin. Obwohl das gar keine Absicht ist. Aber du erkundigst dich bei einer Person was am Abend gemacht wird, und irgendwie findet dann das eine zum anderen.

Also habe ich beschlossen, dieser Frage einmal nachzugehen. Hängen Münchner in Wien wirklich immer nur aufeinander? Gibt es eine geheime Gemeinschaft, die selbst mir noch nicht aufgefallen ist? Und wie fängt man so eine Suche an?

Am besten, man fragt als erstes mal herum. Und unterhält sich mit anderen Münchner Studenten, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Und da kommt schon der Eindruck auf, dass dieses Vorurteil nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. "Ich kenne extrem viele Münchner Freundeskreise. Meist sind das alles Leute, die nach der Matura zusammen in eine Stadt ziehen." Die meisten, bei denen ich nachfrage, halten das aber grundsätzlich für keine besonders gute Idee – man will ja auch eigene Erfahrungen machen und nicht die Schulzeit ins Studium verlängern. Was sich allerdings herauskristallisiert: Es ist eine Frage des Studiengangs. In den großen, in Deutschland durch NC beschränkten Studien wie Medizin, Psychologie und Publizistik finden sich viele Münchner, und die dann oft auch zusammen. "In meinem Studiengang, der sehr beliebt für Deutsche ist, merke ich auf jeden Fall einzelne Kreise, die nur aus Münchnern bestehen. Ich wurde mal auf eine Party eingeladen, bei der tatsächlich eine München-Community von 50 Leuten zusammen war. Ein paar davon kannte ich über ein paar Ecken. München ist eben ein großes Dorf", erzählt mir eine Kollegin. Aus eher abseitigen Studiengängen bekomme ich eher die Antworten, dass man dort kaum Deutsche, geschweige denn Münchner trifft.

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Es scheint also schon einmal keine kollektiven Erfahrungen zu geben. Wenn man nach "Münchner Partys in Wien" sucht, stößt man schnell auf Mixwoch. Diese Partyreihe ist tatsächlich in München erfunden worden und dann nach Wien und in fünf deutsche Städte gewandert. Inzwischen gibt es sie hier seit zwei Jahren jeden Mittwoch. Das erste Jahr wurde das Event im Camera Club im siebten Bezirk zelebriert, jetzt ist die Partyreihe aber in den VIEiPEE-Club im zweiten Bezirk gezogen. Aufgelegt wird alles, von Jackson 5 über Jay-Z-Klassiker bis hin zu Deutschrap – es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Ich frage Jonas, der seit Anfang an in Wien bei Mixwoch mitorganisiert, nach den Partys. Und ob er von einer Münchner Community in Wien weiß. "Es gibt auf jeden Fall eine Münchner-Community in Wien. Bei unseren Partys waren am Anfang tatsächlich immer hauptsächlich Münchner mit ihren Freunden da. Die kamen dann mit ihren ganzen Leuten und haben uns somit viele Besucher gebracht." Inzwischen habe sich das aber alles geändert. Man könne das nicht mehr pauschalisieren. "Die Münchner Community ist bei uns so präsent, ich würde sogar sagen in der Unterzahl. Jedoch gibt es bestimmt Freundeskreise, die nur aus Münchnern bestehen, weil sie einfach in sich gekehrt sind, aber generell würde ich sagen, die Münchner Community ist nicht mehr so stark zu spüren."

Foto von der Autorin

Diese Aussagen möchte ich einer Prüfung unterziehen. Am Mittwochabend mache ich mich also auf den Weg in zweiten Bezirk, um mir die Mixwoch-Party einmal anzuschauen. Endlich an der Bar angekommen, zahle ich 9,90 Euro für einen Gin-Tonic. Das ist also keine klassische Studentenparty mit billigem Alkohol und irgendwann kotzendem Publikum. Das Publikum ist jung, sogar sehr jung und gutaussehend. Ich nehme an, es sind ausschließlich Studenten anwesend. Wer hat auch sonst den Luxus, am Donnerstag ausschlafen zu können? Doch Münchner bemerke ich auf Anhieb keine. Zu meinem Erstaunen höre ich so viele Vorarlberger und Tiroler, die sich an mir vorbeidrängeln. Die Party kennen sie seit gut einem Jahr, erzählen sie mir – wer sie organisiert und dass es Münchner sind, interessiert sie nicht wirklich. Insgesamt haben die sich auch bestimmt schon mehr als einen Gin-Tonic geleistet.

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Es ist inzwischen 01:30 Uhr, das VIEiPEE ist gut gefüllt und der DJ lässt mit "Lass die Affen aus’m Zoo" die komplette Menge ausflippen. Irgendwo muss sich doch diese München-Community im Club verstecken. Aber auch die nächsten Versuche scheitern "Is mir doch wurst wer die Party macht, ur leiwand is." Damit wurde wohl alles gesagt. Endlich finde ich jemanden, der die Party schon von Anfang an kennt. "Es hat sich auf jeden Fall viel geändert, früher war das alles wie eine Art Klassentreffen, jetzt ist das auf jeden Fall viel größer. Ich bin oft sogar allein hergekommen, weil ich wusste, ich würde bestimmt Leute treffen, die ich kenne." Kurz vorm Gehen treffe ich dann doch noch einen Freundeskreis von Münchnern, die seit langem einmal wieder Mixwoch probieren wollten. "Eigentlich waren wir schon länger nicht mehr hier, ich kenne das Event schon aus München und fand es cool, am Anfang des Studiums hierher zu kommen, als ich noch keinen in Wien kannte. Inzwischen gibt es aber viele Partys in Wien, die ich auch sehr gerne mag."

>Bei der Partyreihe Alles wird gut hat sich dasselbe Muster gezeigt. Von den drei Veranstaltern, die inzwischen die Events organisieren, sind zwei Münchner. Auch bei ihnen war es am Anfang durchaus so, dass vor allem Münchner und Deutsche die Partys besucht haben. Durch Freunde von Freunden wurde die Party aber immer größer. Inzwischen ist das nach Angaben der Veranstalter aber anders, ganz ähnlich wie bei Mixwoch.

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Auch nach den zahlreichen Gesprächen fällt es mir gar nicht so einfach, ein sinnvolles Fazit zu ziehen. Ja, natürlich gibt es in Wien auf jeden Fall sehr viele Münchner und Deutsche. Das ist ja kein Geheimnis, streitet ja auch keiner ab. Natürlich ist es auch so, dass sich manche zunächst in einem Freundeskreis wieder finden, der nur aus Münchnern besteht. Das ist ja auch irgendwie logisch: Man kommt in eine Stadt, kennt kaum jemanden, da findet man sich natürlich oft mit denen zusammen, mit denen man etwas gemeinsam hat. Aber diese Freundeskreise bleiben meist nicht zusammen, sondern gehen wieder auseinander. "Mein Münchner Freundeskreis in Wien hat sich sehr aufgespalten, da jeder inzwischen mit anderen Leuten zusammen wohnt. Viele sind auch schon wieder fertig mit dem Studium und somit weggezogen aus Wien", erzählt mir jemand auf der Mixwoch-Party. Unter den Münchnern ist das Vorurteil nicht so bekannt wie unter meinen Wiener Bekannten. Manche sind von der Frage nach der Community schon fast genervt, andere runzeln die Stirn.

Ich glaube nicht, dass es eine bestimmte, große, zusammenhängende München-Community in Wien gibt. Es gibt viele einzelne Freundeskreise, die je nach Studienrichtung und Universität mehr oder weniger werden. Und manchmal finden diese sich wahrscheinlich sogar zu größeren Partys zusammen. Andererseits gibt es das genauso bei meiner Mitbewohnerin, die Italienerin ist. Und bei Tirolern, Kärntner und Vorarlbergern. Wien ist ein große Stadt, in der Platz für vieles ist. Sogar für Münchner Freundeskreise.

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