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Meine Hass-Liebe zu Konzerten

Plus fünf Tipps, wie dein nächster Konzertbesuch nicht ganz so beschissen wird.

Ich wurde von einem Musiker/Soundtechniker/Bühnenarbeiter-Vater großgezogen, ich versuche also nicht irgendwie cool zu sein, wenn ich sage: Ich war auf wirklich vielen Konzerten. Selbst der penetrante Geruch von abgestandenem Bier, der aus jeder Location herauszieht, ist für mich eine besänftigende Erinnerung an meine Kindheit. Mit drei Jahren hat mein Vater angefangen mich mitzunehmen. Während er die Soundanlage vor der Show aufbaute, wurde er von Musikern, Businessleuten und Barkeepern (und wahrscheinlich ein paar Besoffenen) umschmeichelt. Auf Konzerten zu sein und mit den Musikern abzuhängen, ist für mich ganz normal. Es hat sogar dazu beigetragen, dass ich inzwischen selbst Musik schreibe, was mich wiederum auf unzählige weitere Shows gebracht hat (zum Glück meistens umsonst – die Gästeliste ist ein schöner Ort).

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Nachdem ich allerdings jahrelang regelmäßig zu Konzerten ging, habe ich langsam angefangen, sie zu verabscheuen. Ich möchte nicht sagen, dass ich Live-Musik weniger liebe als vorher, aber meine unzähligen Konzert-Erfahrungen führten letztendlich zu akutem Menschenhass, besonders wenn ich direkt in der Menge stehe.

Die Misere des modernen Musikspektakels kann vielleicht am besten durch den einen Tour-Button, der vor Jahren einmal auf der offiziellen Homepage von John Misty war: "ICH KOMME IN EURE STADT, DAMIT IHR MICH MIT EUREM IPHONE FILMEN KÖNNT". Dieser Kamerawahnsinn ist ein Zeichen dafür, dass sich die Leute inzwischen so an dem Mythos eines Künstlers festbeißen und darin, ihr Erlebnis festzuhalten, dass sie vergessen tatsächlich etwas zu erleben, womit sie das Ziel einer Live-Show komplett verfehlen. Die Beharrlichkeit, mit der meine Konzert-Kollegen ihre iPhones/Kameras/iPads/Erstgeborene/oder sonst was für die gesamte Dauer einer Show in die Luft halten, gehört zu den schlimmsten Ärgernissen. Es ist aber definitiv nicht das schlimmste Ärgernis, mit dem das Publikum meine geliebte Live-Musik ruinieren kann.

Anthropogene Lärmbeschmutzung ist ein konsistentes Problem bei Konzerten (sprich: Die Leute wollen eher sich selbst reden hören als die Livemusik, für die sie bezahlt haben). Entweder diese laufenden, quatschenden Krankheitserreger bemerken nicht, dass sie die Show für jedem Umherstehenden ruinieren oder sie sind schlicht und ergreifend gefühlskalt und interessieren sich einfach nicht dafür. Die Neandertaler, die das Konzert durch ihr Telefon anschauen, haben wenigstens noch ein bisschen was mit der Musik zu tun.

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Was meiner Meinung nach fast noch schlimmer ist, ist wenn die Menge unerklärbar aggressiv auf Konzerten wird, vor allem wenn die Musik nicht mal aggressiv ist. Ich habe mal Ariel Pink's Haunted Graffiti live gesehen und die Leute fingen tatsächlich mit Crowd-Surfing und Mosh-Pits an – und das vor einem kleinen, merkwürdigen Mann in einer Frauenbluse, der vorsätzlich kitschigen Pop singt. Ich liebe seine Musik, aber seien wir mal ehrlich: Es gibt keinen Grund, auf einer Show wie dieser seinen Enthusiasmus auf aggressive Weise auszudrücken. Ein großer bebrillter Typ und seine Kobold-Freundin haben sogar versucht, mich anzugreifen. Ich war schon bei vernünftigen Punk-Shows mitten im Pit und die Leute waren sogar dort höflicher.

Dieses Konzert ist kein Einzelfall, ich beschreibe hier ein symptomatisches Verhaltensmuster. Ich habe das schon auf so einigen Shows beobachtet, bei denen du auf jeden Fall erwarten würdest, einer euphorische Gleichgültigkeit entgegenzutreten und wie eine peinliche weiße Person tanzen zu können, aber man erwartet mit Sicherheit keinen Kampf mit ein paar aggressiven Pseudo-Hipstern.

Natürlich habe ich vor, auch weiterhin auf Konzerte zu gehen. Deswegen möchte ich euch, unter Berücksichtigung all dieser Punkte, ein paar weise Ratschläge geben, die euch helfen sollen, deinen inneren Frieden auf dem nächsten Musikevent nicht zu verlieren.

1. Betrinke dich nur bis zu einem gewissen Maß

Ganz dezent nur dem Alk frönen. Foto via Flickr | icanteachyouhowtodoit | CC BY 2.0 |

Es ist ein Drahtseilakt auf einem Konzert genau den exakt notwendigen Pegel zu erreichen, um beschwipst und glücklich die Musik zu genießen, anstatt widerwärtig volltrunken zu sein. Wenn du nicht trinkst, aber trotzdem jeden um dich herum hasst, dann schlage ich dir vor, zwischen den Sets zu meditieren. Ich weiß, es klingt irgendwie spirituell und unheimlich, aber für mich ist es einfach nur eine gute Methode das Gequatsche und die unerträgliche Füll-Musik auszublenden.

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2. Lade Freunde ein

Freunde bilden einen natürlichen Puffer zwischen dir und der Crowd, und sie helfen dir die Langeweile abzuwehren, die dich übermannen wird, während die nächste Band viel zu lange ihr Equipment aufbaut, weil sie noch keinen Soundcheck hatten. Manchmal begeben sie sich für dich sogar durch die Menschenmassen zur Bar, um dir einen Drink zu besorgen, so dass du deinen Platz in der dritten Reihe nicht aufgeben musst. Wenn du jetzt nicht anfängst, während des Konzerts zu labern, dann sind alle glücklich.

3. Oder gehe einfach allein

Allein auf ein Konzert zu gehen, ist ehrlich gesagt in vielerlei Hinsicht wesentlich angenehmer. Wenn deine Freunde die Band nicht mögen, oder gerade nicht in der Stadt sind, oder du einfach keine Freunde hast, dann betrachte diese Gelegenheit einfach als Eintrittskarte zu einer Show, auf der du mal nicht ständig quatschen musst und genieße sie, ohne dich die ganze Zeit profilieren zu müssen. Und wenn du allein unterwegs bist, dann kommst du auch näher an die Bühne ran, weil du dich in die engere Lücken drängen kannst. Versuche jetzt nur deinem Trieb zu widerstehen, ständig dein Smartphone zu checken, sobald die Lichter aus sind und die Band auf der Bühne steht. Diese Beleuchtung quält einfach jeden um dich herum.

4. Sei freundlich (und wenn das nicht funktioniert, dann hol dir, was dir zusteht)

Wenn du merkst, dass der Typ vor dir tatsächlich beabsichtigt sein iPhone über die komplette Länge deines Lieblingssongs vor dein Gesicht zu halten, dann hör auf zu schmollen und frage ihn höflich, ob er damit aufhören könne – verhalte dich einfach wie sich ein menschliches Wesen zu einem anderen menschlichen Wesen verhalten würde. Oder einfach so: "Hey Annie Leibovitz, ich respektiere ja deine fortgeschrittenen Instagram-Fotografie-Fähigkeiten, aber würde es dir etwas ausmachen deine Fotografie-Apparatur aus meinem Sichtfeld zu bewegen?" Nimm einfach die Variante, die besser funktioniert.

5. Entspanne dich

Foto via Flickr | Ben Sutherland | CC BY 2.0 |

Verschwende deine Zeit nicht damit passiv-aggressiv gegenüber Dingen zu sein, die dich nerven. Deine eingeredete passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung bewerkstelligt gar nichts, sie ist einfach nur ein gesellschaftliches Krebsgeschwür. Vielleicht sind die Arschlöcher um dich herum bei den Shows von der vergesslichen Sorte und lernen es irgendwann, sich nicht wie Arschlöcher zu benehmen, wenn du sie nett fragst. Oder sie erleiden einen Wutanfall, was, na ja, manchmal auch unterhaltender ist als die Vorband.

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