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Warum 'Adventureland' einer der besten Soundtracks ist

Es ist, als ob du deine letzten Jahre als Teenager in den 80ern erleben würdest. Aviici wird zu Falco, Odd Future werden zu Rush und Disclosures „White Noise“ wird Shannons „Let The Music Play“.
Screenshot via YouTube.com

Adventureland ist vielleicht nicht gerade der bahnbrechendste Film, der jemals gemacht wurde. Er ist nicht unbedingt vergleichbar mit Die Nacht, Flucht aus Paris oder Breaking the Waves und es ist auch keine dieser kulturell überaus scharfsinnigen Kiffer-/Sexkomödien der 2000er, obwohl fast nur Leute aus Judd Apatow-Filmen mitspielen, wie Kristen Wiig, Bill Hader und dieser Typ, der Bill in Freaks And Geeks spielt.

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Es ist im Prinzip nur ein Film über Teenager, Sex, Sommer, weiche Drogen und lange Nächte. Er ist romantisch, aber nicht schnulzig und schildert die Jahre in deinem Leben, in denen du in einem konstanten Wechsel von Furcht und Anziehung lebst, nicht weißt, was die Zukunft für dich bereit hält, und die Dämmerung deiner Jugend in einer übelriechenden Wolke von schlechtem Gras an dir vorbeizieht, während du mit Bauchkrämpfen kämpfst—eine Phase, die Hollywood gerne mit großzügig aufgesetzter Rührseligkeit und Witzen über vorzeitigen Samenerguss abhandelt. Stell dir einfach Fellinis Vitelloni (Die Müßiggänger) mit Haschkeksen oder American Graffiti ohne einen Mormonen als Regisseur vor und du bist auf dem richtigen Weg.

Die Handlung ist schnell erzählt: Ein altkluger Collegestudent, gespielt von Jesse Eisenberg, kommt für den Sommer in seinen spießigen Heimatort zurück, nur um herauszufinden, dass sein Traum von einer Reise nach Europa durch die finanzielle Situation seiner Eltern zerstört worden ist. Er ist gezwungen, sich einen Job zu suchen, und alles, was er findet, ist eine Stelle in einem drittklassigen Vergnügungspark außerhalb von Pittsburgh. Dieser Park, der dem Film seinen Namen gibt, ist Arbeitsplatz von einer Truppe ähnlich unerfahrener Teenager aus allen Ecken des sozialen Spektrums, die alle das gemeinsame Ziel haben, mit möglichst wenig Aufwand Geld zu verdienen.

Schon am ersten Tag findet Eisenberg seinen Platz im Park und wird schnell von einem Haufen Metalheads, Außenseitern, Prolls und Nerds akzeptiert—inklusive der heißen Teenagerverführerin in Hotpants, die immer neben den Fahrgeschäften tanzt, sowie Kristen Stewarts schlecht gelauntem Boss. Schon bald merken wir, dass diese anscheinend so unterschiedlichen Jugendlichen, von denen manche schon Sex hatten, die meisten aber noch nicht, doch mehr verbindet als die Notwendigkeit, Geld zu verdienen—sie alle sind geprägt von der typischen Unsicherheit eines jungen Erwachsenen.

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Der Film spielt zwar 1988, bezieht seine Identität jedoch nicht aus der Geschichte. Es gibt keine Witze darüber, dass Michael Jackson noch schwarz ist, keine über die Politik von Reagan oder darüber, dass man noch Telefonzellen benutzen muss. Nein, das hier ist nicht Eine Hochzeit zum Verlieben. Die Songs des Soundtracks sind einfach die Geräusche, die in den Leben der Protagonisten eine Rolle spielen und haben weniger mit den minutiös zusammengestellten Playlisten einer Sofia Coppola gemein. Wenn hier ein Megahit vorkommt, dann nur weil er damals überall im Radio lief und nicht weil es ein lustiger Song mit einem bescheuerten Saxophonsolo ist, der von einem Typen mit Vokuhila gespielt wird.

Es ist ein natürlicher, aber auch lustiger Ansatz und einer, in den du dich schnell hineinversetzen kannst. Aus Aviici wird Falco, aus Odd Future werden Rush. „White Noise“ von Disclosure wird zu „Let The Music Play“ von Shannon und The xx werden zu The Cure. Der Soundtrack unseres Lebens besteht nicht aus der Spotify-Playlist mit unseren Lieblingssongs, sondern aus den Songs, vor denen es kein Entkommen gibt.

Das heißt aber nicht, dass wir keinen Einblick in die persönlichen Musikgeschmäcker der einzelnen Charaktere bekommen, wenn sie auf Partys sind oder Auto fahren, aber auch über das Radioprogramm, das über das Lautsprechersystem des Parks plärrt. Es ist schwer vorstellbar, dass sich Hüsker Dü und Crowded House auf ein und demselben Soundtrack wiederfinden, aber die gute Auswahl und der Kontext des Films lassen das ohne Probleme zu.

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Die punkigeren Stücke (Hüsker Dü, The Replacements, New York Dolls) sind dazu da, die frustrierte und verkopfte männliche Sexualität darzustellen, die Eisenbergs Charakter im Zentrum des Films in Besitz nimmt. Es ist Musik, die bettelt und sich nach etwas sehnt; sie ist schnell, sie ist laut, sie ist besoffen und baut viel Scheiße, zugleich ist sie aber auch total verknallt. Es kommt alles aus einem großen, dummen Herzen, das glaubt, es sei schlauer, als es tatsächlich ist, und es fügt sich einfach wunderbar in diesen Film ein.

Die großen Stadionpop-Nummern wie das selbstbewusste „Don't Change“ von INXS und „Your Love“ von The Outfield (das derartig überproduziert ist, dass es sich schon fast avant-garde-mäßig anhört, wie ein Überbleibsel von Yeezus) reflektieren perfekt den heißgewachsten, pinkfarbenen Pomp der amerikanischen Mittelschicht der 80er Jahre; eine Welt, die im Film von sonnenverbrannten Muskelpaketen, die im Park abhängen, repräsentiert wird; oder aber von Ryan Reynolds als tragischem Schürzenjäger im Rockergewand, der seinen Gitarrenkoffer und ein Zwinkern benutzt, um sich durch alle Teenagermädchen im Park zu arbeiten.

Diese oftmals belächelte Gattung amerikanischer Musik, mit ihrem jammernden Gesang, den hallenden Toms und Texten über Mädchen mit dem Namen „Jessie“, die Geländewagen fahren und alle Herzen brechen, macht plötzlich Sinn, wenn du einen Einblick in eine Welt bekommst, in der harte Typen Föhnfrisuren hatten und Hosen trugen, die ihren Arsch besonders zur Geltung bringen.

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In den ruhigeren Momenten scheinen die beinahe Liebhaber, gespielt von Eisenberg und Stewart (in einer Darbietung, bei der ihre bekannte Launenhaftigkeit großartigerweise Unsicherheit und nicht wie üblich Abgeklärtheit darstellt), viel mehr von der Vergangenheit fasziniert zu sein als von der Musik, die sie gerade umgibt. Wie auch schon Generationen von sich viel zu wichtig nehmenden Teenagern zuvor hören sie Lou Reed, Velvet Underground und Big Star. So, als ob sie sich intellektuell gegen die Oberflächlichkeit von INXS und Falco impfen müssten.

In Filmen von Diablo Cody zum Beispiel kann es schnell gewollt und unglaubwürdig daherkommen, so junge Protagonisten mit einem so auserwählten Geschmack zu sehen, aber wir sollten uns daran erinnern, dass dieser Film in den 80ern spielt und diese Musik damals ungefähr so alt war, wie UK Garage für uns heute. Dazu kommt, dass wir es hier mit Charakteren zu tun haben, die alle unter latenten Überlegenheitskomplexen leiden, was das Ganze nur stimmig erscheinen lässt. Sie sind einfach nur wie zwei dieser leicht angeberischen, aber dennoch total naiven Teenager, die wir alle kennen oder kannten. Genau diese Jugendlichen, die „Camus“ falsch geschrieben haben und deren Namen bei MSN aus Smiths-Texten bestanden.

Für die emotionalen Höhepunkte des Films stehen aber die Popsongs, die über die Anlage des Parks laufen, und die Songs, die die Jugendlichen eigentlich hören würden, in perfektem Einklang. Eisenberg, Steward und der Rest der Gruppe essen extrastarke Haschkekse und fahren verliebt und völlig bekifft eine Runde Autoscooter, wozu „Just Like Heaven“ von The Cure läuft. In anderen Filmen würde das vielleicht gezwungen rüberkommen, aber man vergisst schnell, dass The Cure 1988 auf wahrscheinlich jedem Radiosender in den USA rauf und runter gespielt wurden und die totale Romantisierung lässt dir die Szene kurz wie einen Moment aus deinem Leben erscheinen, der zu schön war, um wahr zu sein.

An einer anderen Stelle hört man David Bowies 80er-Hit „Modern Love“ (sein bester Song überhaupt), ebenso wie Wang Chungs „Dance Hall Days“, das den meisten wohl aus GTA bekannt sein wird. Zum Abschluss des romantischen Höhepunkts gibt es noch „Unsatisfied“ von den Replacements.

Dieser Soundtrack ist intelligent und naiv, nostalgisch und trotzdem glaubwürdig und einfach alle meine Lieblingslieder sind vertreten. Adventureland selbst ist vielleicht nicht gerade ein Anwärter auf die Goldene Palme und der Soundtrack ist vielleicht auch nicht auf einem Niveau mit Phillip Glass oder Mica Levi, aber viel besser kann man so einen Popfilm nicht machen.

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