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Warum uns die LCD Soundsystem-Reunion Angst macht

Die Guns N' Roses-Reunion ist überflüssig, aber dass LCD Soundsystem wieder da sind, ist ein Tritt gegen den nostalgischen Wohlstandsbauch.

Hier steht, warum uns die Reunion von LCD Soundsystem ein bisschen Angst macht. Welche angekündigte Reunion dafür eher eher scheiße ist: Die hier.

Inzwischen dürfte es sich ja rumgesprochen haben, dass das Coachella, seines Zeichens eines der berühmtesten Festivals der Welt, in diesem Jahr ganz auf die Karte Nostalgie setzt: Headliner sind die jeweils zu diesem Anlass wieder vereinten Guns N’ Roses und LCD Soundsystem. Uff.

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Die Jüngeren kratzen sich jetzt verwundert den Hinterkopf und fragen: LCD-waaaas? Daher ein kleiner Exkurs: Es begab sich zu der Zeit um die Jahre 2003 bis 2005, da eroberte ein gewisser Sound die Indie-Diskos der Welt. Anführer und Heimat dieses Sounds war ein Label namens DFA Records, dessen Anführer wiederum die Herren Tim Goldsworthy, Jonathan Galkin und James Murphy waren. Letzterer zeichnete sich zudem als ausführender Produzent von Bands wie The Rapture oder The Juan Maclean und vor allem als Frontmann der erfolgreichsten DFA-Band, LCD Soundsystem, aus. Hier war er der hauptverantwortliche für den Sound—Stichwort: Kuhglocken. In dieser Zeit gab es also diesen Hit „Loosing My Edge“, der jede Tanzfläche in Brand setzte. Wenn nicht gerade „Daft Punk is Playing at my House“ die Tanzfläche in Brand setzte. Oder „Tribulations“. Oder, naja, ihr wisst schon.

James Murphy bzw. DFA Records bzw. LCD Soundsystem trafen in diesen stilistisch so ungreifbaren Jahren genau den Zeitgeist: Sie mischten Gitarren, Elektro, Punk, House und Disco zu einem postmodernen Mischmasch und erschufen so aus der Leere der Nicht-Zugehörigkeit einen eigenen Stil. In einer Zeit in der sich alle Grenzen aufzulösen schienen, in der durch das Internet plötzlich alles möglich und verfügbar wurde und in der manch einer sich gerade deshalb so verloren wie nie zuvor fühlte, machte James Murphy diese Schwächen zu Stärken und erntete den verdienten Erfolg. Das 2007er Album Sound of Silver brachte dann perfekt das ganze Können dieser Band auf neun Tracks zusammen. Dass die Band damit nicht auf Platz eins sämtlicher Charts der Welt stürmte, lag an hauptsächlich daran, dass LCD Soundsystem sich konsequent dem Mainstream verweigerten. Bei aller Liebe zum Zeitgeist war diese Musik immer anspruchsvoll, progressiv und gnadenlos. Auf dem Überalbum ist nur ein einziger Track kürzer als vier Minuten (und das auch nur um fünf Sekunden). Radiotauglichkeit: Zero.

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Konzerttauglichkeit dafür: 100! In den Jahren ab 2007 erlebte ich LCD Soundsystem mehrmals live und in meinen persönlichen Top 5 der verschwitztesten Konzerte dürfte diese Band mindestens zweimal auftauchen. LCD Soundsystem-Konzerte waren immer rauschartig und die Bühnenpräsenz der Rampensau James Murphy tat ihr Übriges dazu bei.

Indieheldentauglichkeit: ebenfalls 100! Gerade weil LCD Soundsystem nie Mainstream waren, wurden sie zu den Helden einer kurzen, aber intensiven Hochzeit des Indie. Zu Ikonen. 2011 war das alles mit einem standesgemäßen Grand Finale vorbei. Am 2. April spielte die Band ihr letztes Konzert im innerhalb von Minuten ausverkauften Madison Square Garden. Auf dem Schwarzmarkt gingen vor dem Konzert Tickets für bis zu 1500 Dollar weg, was dazu führte, dass LCD Soundsystem vor dem eigentlich Abschlusskonzert vier (!) Zusatzkonzerte im kleineren New Yorker Terminal 5 spielten. Das Abschlusskonzert selbst dauerte dann vier Stunden, wurde Material für eine der besten Musikdokumentationen überhaupt und dürfte zu den legendärsten Konzerten der Musikgeschichte zählen.

Genau so nimmt man als Musiker Abschied (wenn man nicht zur Schrotflinte greifen will, um sich den Kopf wegzublasen). Schluss machen, solange man noch auf dem verdienten Höhepunkt ist, mit einem riesigen Medienecho, mit trauernden Fans, mit fünf ausverkauften Konzerten und einer ausgezeichneten Dokumentation. All das sollte einer Band doch den Status einer Legende sichern. Denkt man.

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Fünf Jahre später kehrt diese Legende nun doch zurück. Am 24. Dezember veröffentlichte die Band ein Weihnachtslied, auf der Homepage stand plötzlich der kleine Satz „2016 Dates coming soon“ und seit heute ist klar, dass sie einer der Mainacts auf dem Coachella sein wird. Was sagt man jetzt dazu?

Als jemand, der die große Zeit dieser Band erlebt hat, ist die erste natürliche Reaktion eine Mischung aus wohliger Nostalgie und Freude auf die Möglichkeit, die Band nochmal live zu sehen. Ganz ähnliche Gefühle lösten zuletzt allerdings auch kurzzeitig The Libertines, Blink-182 und Refused aus. Und da läuten ja schon alle Alarmglocken. Wenn man dann noch bedenkt, dass das Coachella Guns N’ Roses und LCD Soundsystem hier ungeniert in einen Topf wirft, brennt eine Alarmglocke nach der anderen durch.

Guns N’ Roses war ja auch mal so einen Zeitgeist-Band. Allerdings in einem viel größeren Maßstab. Bei Axl, Slash und Co. kamen Ende der 80er ein paar Dinge zusammen, die eine Band riesengroß werden ließ, bei der man sich als Spätgeborener bis heute fragt, wie zur Hölle das passieren konnte. Im harschen Gegenteil zu LCD Soundsystem hier dann auch die absolute Mainstream-Anbiederung. Und die seit Jahren währenden Versuche, an die längst vergangene Karriere wieder anzuknüpfen—Stichwort Chinese Democracy. Spiegel Online schrieb damals, Axl Rose hätte seiner eigenen Legende mit diesem Album, das 15 Jahre auf sich hatte warten lassen, ein Ende bereitet. Das einzige, was die Legende wiederbeleben kann, ist ein Comeback in Originalbesetzung—Stichwort Coachella. Sollte das ebenfalls misslingen (und davon kann man getrost ausgehen), hat es sich endgültig ausgefunkelt, Axl.

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Von diesem abschreckenden Beispiel wieder zurück zu LCD Soundsystem: James Murphy setzt sein Erbe ebenfalls ziemlich leichtfertig aufs Spiel. Seine Legende funkelt weniger als die von Guns N’ Roses, aber auch hier könnte es sich bald komplett ausfunkeln. Es mag ja sein, dass der Abschied 2011 zu früh kam, aber genau das machte ihn ja so emotional. Wie wenig die Auflösung einer Band die Massen berührt, wenn die beste Zeit längst vorbei ist, zeigte ja das stille Ende von The Rapture 2014. Was wenn der Reunion-Hype nach kurzer Zeit verpufft und bei der nächsten Auflösung dann gar keiner mehr weint?

Von neuer Musik ist ebenfalls nicht mehr so viel zu erwarten, denn Zeitgeist und Sound können gar nicht mehr so perfekt zueinander kommen wie vor zehn Jahren. Die Konzerte werden weniger wild, weil sich die heute Zwanzigjährigen mehr für Future und LGoony interessieren und die LCD Soundsystem-Fans inzwischen mehrheitlich Familienväter mit Bauchansatz sind. Sogar James Murphy selbst schien vor nicht all zu langer Zeit noch davon überzeugt zu sein, alles richtig gemacht zu haben:

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it's been 4 years to the day since the last show. so, if "post lcd" was college, we'd be graduating from "post lcd"…

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Posted by

LCD Soundsystem

on

Donnerstag, 2. April 2015

Was soll das also? Liegt es nur an der Kohle? Ein Headliner-Slot beim Coachella dürfte jedenfalls durchaus ein Gehalt in Millionenhöhe bereit halten, aber haben die das wirklich nötig? Wir sprechen hier schließlich über James Murphy und nicht Pete Doherty. Sollte die Reunion tatsächlich rein finanzielle Gründe haben, ist für Fans wenig aufregend Neues zu erwarten. Um ein wenig in Nostalgie zu schwelgen, hätte das Auflegen von Sound of Silver oder das Ansehen von Shut Up and Play the Hits genügt. So bleibt nur noch die Hoffnung, dass die Reunion-Tour nicht peinlich wird. Und dass ich rechtzeitig an Tickets komme.