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Interviews

Ein singender Money Boy mit neuem Video—Wir haben mit Macher Kurt Prödel über Kurt Prödel gesprochen

Ob Money Boy, LGoony oder MC Smook—Eigenwilligkeit ist bei Kurt-Prödel-Videos kein Beiwerk, sondern Programm. Ein Gespräch.

Eigentlich wollte ich nach Köln fahren, um ein Interview mit Kurt Prödel über seinen Weltrekord zu führen: Er hatte mit 28 Stunden das längste Musikvideo aller Zeiten produziert. Der Star des Videos: Money Boy, beziehungsweise YSL Know Plug. Als ich im Maritim-Hotel in Köln eintraf, wo wir uns standesgemäß zum Frühstücken verabredet hatten, versprach er mir grinsend eine Überraschung. Auf seinem Laptop hatte er ein neues YSL Know-Plug-Video, spontan gedreht am Wochenende der Weltrekord-Ausstellung in Wien. Und in diesem Video fand ich ihn wieder: Den Money Boy, den ich seit "Choices" vor ungefähr einem Jahr schmerzlich vermisst hatte. Der keinen Fick gibt, ob ein paar Leute denken, dass er nicht rappen könnte, nur weil er mehr Bock hat, gerade etwas anderes zu machen, als Skills zu beweisen. Der unverkrampfte Rapper, der den Hatern immer wieder extra Stoff gibt, um ihnen frech in die Schnauze zu grinsen. YSL Beezy endlich wieder erfrischend belastend. Aber seht es euch halt an:

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Da war klar: Wir müssen umplanen. Das Video war noch nicht fertig, das Interview in vollem Gange. In Kurt und mir kam die Idee auf, als neuen Aufhänger den neuen Song samt Video von ihm zu nutzen und das Ganze mit der Videopremiere zu kombinieren. Und natürlich direkt am nächsten Tag um 12 oder 13 Uhr. Nachtschicht für beide, Autor und Prödel, vorbestimmt. Aber so ist das mit diesem Internet. Wenn du das Video ähnlich stark feierst wie wir, solltest du dir das Interview also dringend durchlesen. Kurt Prödel war auch schon für Hitvideos wie "Grinden mit Delphinen" von MC Smook, "Nebel" von Lgoony und "Shisha" von—na klar—Money Boy verantwortlich.

Kurt Prödel hat es also geschafft: Er ist größer als Pharrell Williams. Na gut, vielleicht hat er ihm auch einfach nur den Rekord des längsten Musikvideos aller Zeiten abgeluchst. Und auch das vielleicht nur de facto und nicht im Guinnes-Buch. Aber: Er hat alle Money-Boy-Mixtapes zusammengenommen und dazu ein verdammtes 28-Stunden-Video gebastelt. Alleine dafür hätte er schon ein großes Interview verdient. Und dann kommt er zum Interview auch noch mit einem unveröffentlichten MBeezy-Hit im Gepäck. Wer kann da schon widerstehen?

Noisey: Schönen guten Tag. Stell dich zum Einstieg doch erstmal vor. Wer ist Kurt Prödel?
Kurt Prödel: Kurt Prödel ist keine Person. Kurt Prödel ist eine Firma. Es fing alles als Firma an, die sich als Aufgabe stellt, Rapvideos zu machen, und zwar Rapvideos die frech und anders sind. Ein bisschen verrückt, aber auch nie zu verrückt und so, dass unsere Kunden immer zufrieden sind. Das steht an oberster Stelle. Unser Slogan ist: Mit Know-How und Leidenschaft zu Ihrem perfekten Webvideo.

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Ihr seid also auch eine Werbeagentur für euch selbst.
Ja, total.

Wie kamst du dazu, Videos zu machen? Machst du das neben "Kurt Prödel" beruflich, im Studium, oder als reines Hobby?
Ich mache beruflich auch Bewegtbild, aber eigentlich das komplette Gegenteil von dem, was wir mit unserer Firma Kurt Prödel Video machen. Das soll immer den stärksten Gegenpol zu dem darstellen, was gerade en vogue ist.

Beruflich machst du seelenlos Money und das hier ist dann deine Selbstverwirklichung?
Vielleicht kann man das so sagen. Das ist das Projekt, wo ich genau das mache und genau so arbeite und genau das umsetze, was ich möchte. Ich hab keinen der mir irgendwie sagt, wie er es haben will.

Wie bist du dazu gekommen? Also auch zum Videos machen im Allgemeinen?
Ich mach das halt seit Ewigkeiten. Also von Fotos machen bis mit irgendwelchen alten Kameras rumfilmen, seitdem ich mich erinnern kann. Und dass dieses Kurt-Prödel-Ding kommt, das war irgendwann nur logisch und fing auch mit Money Boy und diesem ganzen Movement an. Neue Ästhetiken, wo sich auch die Ausdrucksweisen verändert haben, unkonventioneller wurden. Was mich total interessiert hat ist die Tatsache, wie sehr das Leute verwirren kann. Wie sehr Leute aus der Bahn geworfen werden, wenn sie was sehen, was nicht ihren Sehgewohnheiten entspricht. Oder vielleicht auch belastend ist, sich überhaupt anzuschauen. Das ist irgendwie meine ganz große Motivation dafür, das zu machen.

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Dein Stil ist ja ziemlich eigen. Für Wikipedia heißt das vermutlich Vaporwave. Wie würdest du deinen Stil nennen, und warum?
Das fällt mir sehr schwer. Ich kenn diese ganzen Vaporwave-Sachen, aber ich glaube halt, dass da ziemlich undifferenziert drüber gesprochen wird. Das, was für Vaporwave musikalisch prägend ist, dass da irgendwelche Dudes Telefonschleifen aus den 80ern samplen, ist für mich auf Youtube irgendwelche Videos zu suchen, die zwölf Klicks haben und seit 2010 online sind. Bei denen findet ein Sampling auf auditiver Ebene statt, und bei mir visuell. Vaporwave bewegt sich auf der visuellen Ebene in der Computerkunst der 80er und 90er, alte Windows-Designs und so weiter. Das kommt bei mir schon auch vor…

Dein Style ist für mich viel mehr von VHS (Videokassetten) und alten 3D-Videospielen beeinflusst.
Ja, das stimmt. VHS ist ein großer Einfluss. Die Verbindung zu Vaporwave ist grundlegend einfach die Arbeit mit Sampling und Collage, und dass es visuell relativ extrem ist, Kontraste, Sättigung, Look, niedrige Auflösung.

Wie bist du auf den Stil gekommen, hast du konkrete Vorbilder? GUDG und Affiliates sind ja sehr Ami-beeinflusst, ist das bei dir auch so?
Was in die Richtung eine große Inspiration war, ist der Rapper Bones. Nicht weil die Sachen irgendwie visuell ähnlich sind, aber was ich bei ihm bewundert habe, ist, dass er unfassbar viel veröffentlicht und alles eine visuelle Linie hat. Man sieht sofort, wenn das von ihm ist. Man sieht, es ist in jedem Video genau so wie er es machen möchte. Das hat mich total angefixt.

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Und ein bisschen war es auch ein Unfall, als ich damals "Grinden mit Delphinen" für MC Smook gemacht habe, und er mir so ein ziemlich belastendes, aber sehr schönes Material geschickt hat. Das war von Auflösung und Qualität schon eine schlechte Voraussetzung. Das hat mir gezeigt, mit wie wenig Mitteln und niedrigem Aufwand man Musikvideos machen kann, alleine und in kurzer Zeit. Da fing die Arbeit als Collage an, weil ich gar keine andere Möglichkeit hatte.

Deine Videos sind ja auch sehr nischenmäßig. Könnte man zu jedem coolen Rapsong ein Kurt Prödel-Video machen, oder müssen die ein bisschen verrückt sein?
Ich glaube, theoretisch geht das schon mit jedem Song. Es ist ganz klar, dass die Leute eher mit etwas verrückteren und außergewöhnlichen Songs auf mich zu kommen. Aber prinzipiell kannst du das zu allen Liedern machen, weil ich mich dem auch annehmen kann. Ich glaube aber nicht, dass man das mit jedem Künstler machen kann. Ich bin eben kein Dienstleister, wo mir Leute dann groß reinsprechen und mir sagen, "Ich will das aber so" und "Du darfst das und das nicht machen". Ich möchte da komplett mein Ding umsetzen. Ich muss den Künstler natürlich so gut wie möglich da stehen lassen, das ist dabei meine Verantwortung, aber ich denke dass nicht jeder Künstler diese Haltung hat, diesen Mut, das zu tun. Eine gewisse, leicht ironische Haltung zu sich selber ist für ein Kurt Prödel-Video schon notwendig.

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Und das ist für Deutschrap allgemein ja eher schwierig.
Ich bin mir aber sicher dass ich ein völlig abgedrehtes Haftbefehl-Video machen könnte.

Haftbefehl hat diese Selbstironie aber auch.
Haftbefehl hat das auch und Haftbefehl ist auch ein Künstler, der klar gemacht hat, dass man ihn Ernst nehmen muss—dass er kein Witz ist, aber gleichzeitig auch Selbstironie beherrscht. Er ist auch einfach ein herausragender Künstler. Ich glaube ich könnte auch Videos drehen, die ernst sind.

Ich kenne auch viele Leute, die sonst nur Metal und schredderigen Punk hören, aber alte Bushido-Sachen und Haftbefehl. Weil einfach die roughness, das rohe Gefühl da ist.
Das spricht für deine Leute. Aber auch krass für Hafti. Für die Qualität von dem, was er macht.

Zweite Hälfte der Frage: Muss eher der Song zu dir passen, damit du dazu ein Video machen kannst, oder passt du dich dem Song an? "Codein Verrückt" ist ja zum Beispiel ganz anders als die anderen Videos.
Der Idealfall ist halt, wenn es da eine Symbiose gibt. Wenn der Song kickt, direkt eine Idee da ist. Eigentlich macht es aber noch mehr Spaß, wenn keine Idee da ist und man einfach mal schaut, was so passiert. Es muss beides sein. Wenn ich einen Song ganz grauenvoll finde und mir einfach jemand Geld gibt, damit ich das mache, das wäre gar keine Motivation, das juckt mich dann überhaupt nicht.

Apropos zeitlich gar nicht hinkriegen, hilf mir mal weiter: Du hast ja vor kurzem ein neues Ésmaticx-Video gemacht. Die war um 2011 im VBT unterwegs, ab da hab ich sie dann nicht mehr wahrgenommen. Nun stolpere ich wieder über sie und sehe, dass bald ihr Debütalbum kommt. Wie kommt es zu eurer Zusammenarbeit, und warum kommt jetzt erst ihr erstes Album? Und wie kommt es dazu, dass sie so einen Autotune-Song als Comeback macht?
Ich wohnte halt einfach in ihrer Nachbarschaft und wir kennen uns jetzt schon ewig. Sie war einfach schon immer eine gute Freundin, auch zu den VBT-Zeiten schon. Sie kann einem fast schon etwas Leid tun, der Hype ist eigentlich viel zu groß. Sie ist total produktiv und haut aber einfach in letzter Zeit einfach nichts davon raus und macht viele Trash-Songs. Das war dann zur gleichen Zeit, als ich mit Kurt Prödel angefangen habe, dann hab ich sie ein bisschen überzeugt, das durchzuziehen und rauszubringen. Sie hat, glaube ich, auch eine ganze EP davon rumliegen.

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Der Style ist ja auch so geil, unglaublich schäbig auf so eine geile Art. Passt auch total zum Style des Videos.
Das war auch ein aufwändigerer Dreh. Eine Freundin hatte ein großes Studio gebucht, ein richtiges Filmstudio, und ihr Dreh ist ausgefallen. Da hat sie mich angerufen und gefragt: "Yo, ich hab hier das ganze Studio frei, Technik am Start, hast du Bock was zu drehen?". Dann hab ich an Tag 1 "Mighty Marine" gemacht und an Tag 2 "Nebel".

Bei Nebel gibt es ja auch öfter diese Pixel-Fragmente. Einmal friert das Bild ein, Pixel glitchen, und auf einmal ist es eine andere Kameraperspektive, und der Übergang war fließend.
Diese Effekte sind extrem aufwändig zu machen. Das sind keine Sachen, wo du ein Plugin hast. Da exportierst du die Dateien in ganz alte Formate, gehst in die Quelldatei und löschst Bildinformationen. Das wollte ich in dem Video mal versuchen, die Daten richtig zu beschädigen. Wir haben halt auch an der Technik gedreht und dann alles komplett runtergerechnet, zerstört und geremixt. Das passt halt auch zu LGoony, der ja auch mit dem übermenschlich-digitalen Klang der Stimme spielt und so.

Hast du tiefergehende Gründe für die Art, wie du Videos machst, oder ist das rein ästhetischer Geschmack?
Das ist sicher auch ein bisschen der Ungeduld geschuldet. Es muss halt auch einfach schnell gehen. Ich hab keinen Bock da irgendwie groß rumzuplanen. Das muss einfach schnell passieren. Das Spannende ist eigentlich die Künstler zu treffen, mit denen abzuhängen, und was zu drehen. Dann ist schnell der Punkt erreicht, wo ich denke, ich mach’s einfach genauso wie ich will. Ich hab auch gar kein Verhältnis zu dem Projekt Kurt Prödel, in dem Sinne: Wenn Leute das scheiße finden, gibt es wirklich nichts, was so juckt. Es ist mir so egal. Du machst das also eher performativ? Das Machen, die Entstehung ist wichtig, und was rauskommt auch, aber sobald es draußen ist, wird es sofort scheißegal.
Genau. Performativer Ansatz, den Vibe mitnehmen und sehen was passiert. Jedes Video ist unfertig, das ist alles was, wo man noch viel Arbeit hätte reinstecken können, aber so ist es einfach nicht. Es passiert einfach. Mit Künstlern wie Juicy Gay kannst du das halt machen, die ahnen das total.

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Der ist ja auch so performativ. Sobald der Song fertig ist ihm das ja auch scheißegal, der macht die Sachen ja weil ihm das Machen selbst Bock macht.
Dieses "Ich wollte nie ein Alman sein", hätte er das nicht an diesem Tag aufgenommen, in diesem Kontext… Da ist so viel Gefühl drin in den Sachen, und die Leute raffen es einfach nicht, dass gefühlvolle Musik nicht heißen muss "Ich liebe dich und du bist ein toller Mensch", Gefühl ist in der Wut, Gefühl ist überall drin. Und an dem Punkt, wo es emotional ist, ist es fesselnd. Und wenn es fesselnd ist, ist es in der Regel irgendwie gut. Wenn es dann noch authentisch ist, ist’s das beste was passieren kann.

Das ist ja auch, was ich hinter Flers "Man muss das sein was man rappt" sehe: Das Problem bei Rappern wie Kollegah ist ja nicht, dass die nie echte Zuhälter waren. LGoony ist ja auch nicht wahnwitzig reich. Das Problem ist, dass die eine ironische Distanz zu Rap haben und Rap als Kunstform nicht ernst nehmen. Er legt da kein Gefühl rein, er macht das als Spaß, als Joke. Der lebt Rap nicht. Aber so Leute wie Money Boy oder Juicy Gay, die leben Rap, Fler auch. Selbst ein Bushido, der schon immer totaler Geschäftsmann war, der lebt trotzdem Rap durch und durch. Dann ist es halt auch real, ob du es Gefühl nennst, oder Identifikation mit deiner Kunstform.
Ja, eben. Russisch Roulette von Haftbefehl zum Beispiel ist ein unfassbar gefühlvolles Album. Es ist einfach extrem emotional, was da passiert, auch wenn es auf die Fresse geht. Es gibt ja einen Grund, dass dieser Mensch diese Musik macht und warum er diese Energie hat. Das spürst du halt auch bei Leuten wie Juicy Gay oder Haiyti. Bei "Griff in die Kasse" von Haiyti, da ist eine Energie drin, da hab ich fast so eine Nirvana-Assoziation. (Die Band? Natürlich die Band!, Anm. d. Red.) Vom Ausdruck in der Stimme her. Unfassbare Künstlerin, ihr Tape hat mich echt umgeblasen.

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Mal wieder zurück zu dir: Wie machst du Videos? Stichpunkte: Konzepte, Drehen, Effekte, Absprachen, Postproduktion?
Ich kann das am Beispiel von diesem Moneyboy-Video machen (das ihr ganz oben findet, Anm. d. Red.). Ich hab die Ausstellung in Wien gemacht, und das letzte Video mit ihm war schon lange her und ich hatte nochmal Lust. Mit dem neuen Namen auch. Hab ihn dann morgens bei Twitter angeschrieben und er meinte "Ja komm, lass was drehen". Ich bin in Wien angekommen, und wir brauchten für den Dreh ein Klavier. Dann hab ich einen Dude organisiert, der einen Flügel zuhause stehen hat. Ich hab aus Köln ein Green Screen Tuch mitgenommen, hab das vor’s Fenster gehangen und fertig. Deshalb hat er auch so einen Schimmer auf dem Cap, weil das Licht durch das Tuch geschienen hat. Komplett trashy, so schnell es geht, draußen zwei Takes. Auf der Bahnfahrt zurück hab ich’s dann schon zu 90 Prozent geschnitten und fertig. Jetzt mach ich maximal noch Details, man darf nicht anfangen zu verkrampfen und mehr zu wollen. Es braucht den Vibe, und den kann man nicht erzwingen.

Die Produktion ist also so trashy wie der Style.
Anders kann das nicht entstehen. Man sieht das oft, das ist ja das schlimmste was es gibt. Wenn du zum Beispiel einen schlecht produzierten Fernsehfilm hast, und die wollen eine Überwachungskamera drehen. Dann drehen die das nicht damit, sondern mit einer Filmkamera und versuchen das dann runterzurechnen. Aber das kriegst du halt nicht richtig hin. Was ich auch belastend fand, waren die ganzen MC Fitti-Videos. Die wollten auch so’n trashigen Charme haben, aber waren hochglanzproduziert und sollten dann rückwirkend kaputtgemacht werden. Ich produzier einfach direkt scheiße. Da muss die Arbeitsweise auch stimmen.

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Haiyti hat ja auch trashige Videos, aber eben auf die moderne "iPhone raus nimm mal schnell auf"-Weise.
Die haben auch einen richtigen Vibe. Ich glaube, langsam fangen die Leute an, das zu ahnen, und das nicht nur als Abgrenzung zu verstehen. Mit dem Budget von ’nem Majorlabel kann jeder halbwegs gebildete Filmemacher ein Rapvideo drehen, das fett aussieht. Das ist eine Frage des Geldes ein bisschen. Die Leute haben dann im Kopf so eine Abstufung, dass das besser ist als was schlechtes. Da ist ne fette Kamera draufgehalten, in ’nem schlechten Licht, schlechte Inszenierung. So langsam hab ich aber das Gefühl, dass Leute das ein bisschen ahnen, dass es Gründe gibt, warum manche Sachen von der Qualität her audiovisuell nicht brillant sind, und dass das kein Makel sein muss.

Sympathisch finde ich da ja auch die 187 Straßenbande. Die kommen in ihren Autos, oder denen von Freunden, in ihren Lacoste-Anzügen, kaufen sich ne Aufblas-AK.. Dann haben die vielleicht ein paar Kameras, weil sie ja öfter was drehen, drücken die ihren Freunden in die Hand und gut ist. Authentische Streetvideos.
Sowas kann gar nicht daneben gehen. Die feiern’s einfach und machen dann was. Feier ich. Man spürt das einfach. Keiner möchte einen schlecht inszenierten Bankraub sehen, schlecht besetzt, aber halt irgendwie dann natürlich 4k-Video. Dann schaust du’s dir mal auf einem fetten Retina-Display an, und merkst: Okay, für 4k hat’s gereicht, aber ne Maskenbildnerin ist nicht am Start. Das sagt alles darüber aus.

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Die Leute müssen sich mal aufs Wesentliche konzentrieren. Weniger auf Zahlen und mehr auf Kunst.
4k ist videotechnisch echt ein gutes Beispiel. Ein 4k-Bild ist, wenn du es richtig produzieren willst, hochaufwändig. Das ist für eine Kinoleinwand gedacht. Bestes Beispiel: Schau dir King of Queens im Röhrenfernseher an, das hat ein gewisses Feeling. Es gibt davon aber auch ein Blu-Ray-Remaster in HD und du kannst es dir nicht anschauen. Es ist absolut lächerlich. Du siehst auf einmal, dass da eine Stellwand ist, und auch das übertriebene Minenspiel. Es ist tot auf einmal. In der kleinen Auflösung funktioniert’s wieder. Das ist das Gleiche: Mois, du brauchst halt einfach keine 4k-Videos für zuhause. Das macht, außer für Heimkino mit Beamer oder professionelle Anwender, einfach keinen Sinn. Das ist ein schönes Sinnbild für die Art, wie viele Leute Videos machen.

Du machst das ja glücklicherweise etwas anders. Hast du beim Drehen denn auch ein paar gute Geschichten erlebt, die du erzählen möchtest?
Real Story: Ich hab Money Boy, als wir das erste Mal zusammen gedreht haben "Kola mit Ice" von MC Smook gezeigt, woraufhin sie dann auch den Remix gemacht haben. Auch noch einen anderen GUDG Artist, aber das ist noch nicht public, das schreiben wir lieber nicht.

Jetzt kommen wir aber mal endlich zu deinem Rekord: Du hast letztes Wochenende in Wien eine Ausstellung gehabt, bei der du dein 28-Stunden-Money-Boy-Video gezeigt hast. Auch ohne Guinnes-Eintrag ist das wohl das momentan längste Musikvideo der Welt. Wie hast du es geschafft, so ein langes Video zusammenzubasteln, und hast du es dir danach nochmal ganz angesehen?
Ne, kein Mal. Bisschen durchgeklickt, aber vor der Ausstellung hatte ich davon nicht mehr als eine halbe Stunde gesehen. Ich hab erstmal den kompletten alten Money Boy-Youtube-Channel runtergeladen, aussortiert in Videos, in denen sich was bewegt und Money Boy auch wirklich vorkommt. Dann hatte ich so 14 Stunden Material, hab die mit einem Algorithmus in zufällige Stücke in einer Länge von zwei bis zehn Sekunden geschnitten und als Einzelclips exportiert. Die circa 10.000 Videos habe ich dann mit einem anderen Algorithmus zufällig benannt und dadurch eine Reihenfolge festgelegt. Das war die Grundlage der alles vernichtenden Collage.

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Die Algorithmen sind eine gute Erklärung, warum du nicht verrückt geworden bist.
Es geht mir darum, dass es verschiedene Stellen gibt, in die man reinklicken kann. Dann gibt es Parts, die wirken, als wäre das gerade wirklich das Musikvideo zu dem Song. Ist halt ein bisschen ein Datenexperiment und ein Spiel mit dem Zufall. Computerdadaismus. Die Gestaltung trat auch ganz schnell in den Hintergrund und hauptsächlich ging es nur noch darum: Wie kriegt man das Teil jetzt exportiert? Wie kriegt man das überhaupt abspielbereit? Das auf Vimeo zu kriegen war die viel größere Arbeit, von Wochen, weil keine Streamingplattform über 24 Stunden lange Videos abspielt. Ich hab dann jetzt zwei Akte. Ich hab mit dem Kundenservice so lange Emails geschrieben bis die mir das Geld für mein Abonnement zurückgeben wollten. Die sagen zwar „all your videos belong here“, aber scheinbar dürfen die nicht länger sein als 24 Stunden.

Warum war die Ausstellung in Wien? Weil das Money Boys Heimatstadt ist?
Ja. Und weil die Veranstalter, der Kunstverein based, in Wien sitzt, und die interessieren sich halt für so modernen Medienscheiß, den ich halt mache. Die sind auf mich zugekommen, weil ich auf Twitter dieses Video immer ein bisschen angedroht habe. Supernice Leute, war einfach wundervoll in Wien.

Hast du das zum Selbstzweck gemacht um’s gemacht zu haben, oder für den Rekord? Oder hast du auch eine Vorstellung, wie das konsumiert werden könnte?
Am Anfang war vor allem die Faszination für den Output von Money Boy. Ich hab mir irgendwann mal Mixtapes zusammengesucht und festgestellt, dass die eine Abspielzeit von circa 30 Stunden hatten. Und dann entwickelte sich das so, nachdem ich das immer wieder getwittert habe, dass das kommt.

Wer ist dein Lieblingstwitterer, und warum ist es Paul Rippe?
Paul Rippe macht grad eine harte Zeit durch wegen Reberka. Reberka hat ihn verlassen. Grüße gehen raus an Paul Rippe von Mitgefühl her. Lass das mit Reberka, tanz einfach schnell Hiphop!

Deine Twitter-Video-Serie Kurt ihm sein Hund: Welche Drogen hast du genommen, und warum? Hast du überhaupt einen Hund?
Nein, aber ich find Hunde ganz cool. Ich hab mir vorgestellt, wie’s wär, wenn ich einen eigenen hätte. Ich glaub Hunde halten ist aber krass belastend, deshalb erfinde ich halt eine Form, in der das nicht so belastend ist: Digital. Ich hab irgendwann angefangen mit so alten 3D-Programmen zu arbeiten, ich wollte meine Videos ein bisschen erweitern mit eigenen 3D-Modellen. Kurt ihm sein Hund kommt aus dem ganz billigen Scheißprogramm Poser von vor 15 Jahren oder so. Da gibt es eben auch Tiermodelle, und ich dachte es muss eigentlich eine Twitterserie geben und ein Hund ist nice.

Zum Abschluss die Swag-Rap-Interview-Standardfrage: Hörst du privat überhaupt (Deutsch-)Rap?
Wenn ich da was höre, dann Haftbefehl, alte Bushido-Sachen, aktuell Juicy und Haiyti. Ich hör in ein paar Sachen rein, aber ich find, ein Deutschrapalbum am Stück zu hören in der Regel eine belastende Angelegenheit. Das sind echt so Sachen, die ertrag ich einfach nicht. Bones und A$ap Rocky feier ich gerade unfassbar. Und das neue Kanye West-Album finde ich toll, und auch das davor. Ich liebe ihn auch als Künstler generell.

Ich hab den Hate auch nicht ganz verstanden, da sind echt Banger drauf, und es stimmt auch im Gesamtbild.
Ja, ich find die Produktion auch unfassbar. Das Klangbild ist einfach genial, und wie’s geschrieben ist. Unfassbar. Aber allgemein höre ich auch Ami-Rap eher in überschaubaren Ausmaßen.

Letzte Frage: Zukunft. Was sind deine Pläne? Wie groß willst du mit Kurt Prödel werden? Wie groß kann Kurt Prödel überhaupt werden?
Das ist eine gute Frage. Kommt halt drauf an, was für Projekte entstehen. Was ich auf jeden Fall gerne machen würde ist, eine zweite Staffel Kurt ihm sein Hund komplett durchschreiben und produzieren. Die dann eine Geschichte erzählen, aufgeteilt in zehn Folgen á 30 Sekunden, mit Cliffhangern. Das ist der Plan. Und dann will ich das Kurt ihm sein Hund-Wackelbild-Game noch ein bisschen erweitern. Die von der Ausstellung sind 50 mal 50 Zentimeter, aber ich hab herausgefunden, dass man auch bis einen mal zwei Meter drucken kann. Da kann man dann vor der Wand so hin und her gehen. Es ist geil, aber auch belastend.

Mal schauen wo’s hinführt. Kann auch sein, dass ich morgen aufwache und alles lösche. Ich bin jederzeit bereit, mich von diesem Projekt komplett zu trennen, ich häng da an gar nichts. Ich kann das nur frei machen, und in dem Projekt frei sein, wenn ich immer bereit bin, komplett damit aufzuhören.

Ich finde das Wort belastend so passend für Kurt Prödel. Kunst muss ja nicht immer angenehm sein. Unangenehm finde ich aber das falsche Wort, man zieht es sich ja trotzdem freiwillig rein.
Das ist der Grund, warum man manche Punk-Alben anmacht, die komplett überpegelt sind, die auf Kopfhörer ballert und sie einen weghauen. Weil sie einen auf eine komische Art und Weise berühren, die man normalerweise nicht nachfühlt. Das ist dann vielleicht ein bisschen belastend. Eigentlich ist belastend ein schönes Wort, und ich würd’s auch gut finden, wenn die Sachen, die Kurt Prödel macht, einfach belastend bleiben. Und an dem Punkt, wo sie nicht mehr belastend sind, kann ich eigentlich aufhören.

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