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Wie reagiert die Musikszene auf Rot-Blau?

Oft fragen Menschen, ob Musik politisch sein kann. Gegenfrage: Gibt es eine Möglichkeit, dass sie das nicht ist?

Foto: Hanna Herbst

Am Mittwoch war ein sehr seltsamer Tag. Es war einer dieser typisch österreichischen Tage, an dem man gerade noch dabei war, den einen absurden innenpolitischen Moment zu verdauen, als schon der nächste Hammer ohne Vorwarnung einschlug. Erst traten mit Georg Vetter und Marcus „Pograbsch-Paragraf“ Franz zwei Mandatare des Team Stronach zum ÖVP-Klub über und machten diesen damit noch ein bisschen weißer, älter und männlicher. Danach schaffte es die FPÖ Landstraße tatsächlich, die Arschloch-Latte nochmal ein Stück höher zu legen, indem sie traumatisierte, jugendliche Flüchtlinge mit diesen Schildern hier begrüßte. Am Abend wurde dann bekannt, dass Hans Niessl im Burgenland wohl eine Koalition mit der FPÖ eingehen wird.

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Nichts von dem überrascht so richtig, aber der Teil dieses Landes, der sich selbst als liberal und weltoffen einstufen würde, wirkte angesichts dieser geballten Schläge gegen den politischen guten Geschmack dann doch geschockt. Mit Recht. Vielleicht ist „Schockzustand“ gar nicht das richtige Wort. Im Wort Schock schwingt ja auch immer die Apathie mit. Aber es regt sich ja Widerstand. Gerade erst heute macht die Sozialistischen Jugend ihrem Ärger Luft.

Kein gelungenes Experiment! Verrat an unseren Werten! #neinzurotblau pic.twitter.com/GHUQTBZaIC

— Julia Herr (@frauherr) 5. Juni 2015

Aber auch in Musikerkreisen und dem, was man gemeinhin „Szene“ nennt, formiert sich der Wunsch, zumindest ein Zeichen zu setzen. Das ist nichts grundsätzlich Neues. Auch bei den Demonstrationen gegen den WKR-Ball schalten sich immer wieder Bands ein, und im Zuge der Donnerstagsdemonstrationen bei der Machtübernahme von Schwarz-Blau 2000 formierte sich der Widerstand innerhalb der Künstlerszene ebenfalls lautstark.

Auf der Ebene sind den höheren Zielen dann natürlich oft Grenzen gesetzt. Das wohl recht spontane Facebook-Posting von FM4-Urgestein Slack Hippy, ob man nicht gemeinsam ein Open Air veranstalten und den gesamten Erlös den Flüchtlingen zugute kommen lassen könnte, steht gemeinsam mit seinen Kommentaren exemplarisch für den Wunsch vieler, irgendetwas zu tun. Aber eben auch für die Schwierigkeiten, auch wirklich etwas umzusetzen. Das häufigste Statement: „Bin dabei, nur wie?“

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Bei der Grellen Forelle ist man schon einen Schritt weiter. Heute kündigte sie für den 3. Juli eine ganztägige Veranstaltung an, deren Erlös vollständig an den Verein Ute Bock gehen soll. Da ist noch viel TBA, was ja auch OK ist. Man will schnell reagieren, wer partizipieren möchte, kann und soll sich bei den Veranstaltern melden. Auf die Bitte um ein Statement, verweist die Forelle nur auf den Event-Text, der ja tatsächlich eigentlich alles sagt: „Die aktuelle Flüchtlingsdebatte kotzt uns an. Wir wollen ein Zeichen für Toleranz setzen und solidarisieren uns mit Menschen auf der Flucht.“ Letztlich geht es oft genug darum. Ein Zeichen setzen. Wenn man schon nicht viel machen kann, sollte man die wenigen Möglichkeiten nutzen, die man hat.

Eine Frage, die in dem Zusammenhang öfter kommt, ist „Kann Musik politisch sein?“. Das beantwortet man am besten mit einer Gegenfrage: Kann Musik nicht politisch sein? Musik und die Szene sind keine abgeschlossenen Blasen, sie existieren in der Gesellschaft, und in ihr werden alle guten und schlechten Dinge, die diese Gesellschaft so mit sich bringen, fortgeführt. Leider eben auch Rassismus, Sexismus und Machtverhältnisse. Nicht politisch zu sein ist eine politische Aussage. Eine legitime, klar, aber man sollte sich dessen zumindest bewusst sein.

So richtig Feuer gefangen hat das Ganze noch nicht. Aber OK, das Burgenland ist klein, und es gibt wenig bekannte Musiker von dort. Vielleicht kommt ja noch ein Statement von Ja, Panik!. Doch je näher wir dem Oktober und den Wahlen in Wien und Oberösterreich rücken, je stärker die FPÖ in den Umfragen zulegen wird, desto lauter wird die Musikszene werden. Oder ihr Schweigen wahrnehmbarer.

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