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Wir waren bei der Kool Savas-Autogrammstunde in der Lugner City

Kool Savas hat am Samstag in der Lugner City Autogramme ausgeteilt. Wir waren vor Ort.

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Als wahre Noisey-Rap-Tussi hatte ich am Wochenende den genialen Einfall, am Samstag um 14 Uhr in der Lugner City die Kool Savas-Autogrammstunde zu besuchen. Genial deshalb, weil das Ganze eine einzige vorhersehbare Katastrophe war, die ich einfach nicht vorhergesehen habe. Der Plan war schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Erstens: Samstag 14 Uhr ist eine wirklich beschissene Zeit, wenn man am Freitag fortgeht. Wirklich beschissen. Kein Mensch ist um 14 Uhr ausgenüchtert genug oder noch fett genug, um das zu ertragen. Zweitens: Lugner City, Oida. Für alle Nicht-Wiener: Lugner City ist zu meiden—immer und unter allen Umständen. Außer man mag Trash. Oder Lugner. Drittens: Autogrammstunde. Ich war nicht mal in meinen jungen Jahren ein Autogrammjäger. Mir geht es bis heute nicht in den Kopf, was daran erregend ist, die Unterschrift eines Künstlers zu haben. Vor allem wenn sie eh mindestens 200 andere Menschen haben, die mit mir bei der Autogrammstunde waren. Viertens: Eine Kool Savas-Autogrammstunde in der Lugner City. Was habe ich erwartet? Liebliche Blumenfeen und Doppel-Doktoren? Wenn ich noch einmal in dieser Woche „Missgeburt“ höre, dann gehe ich in jeden Drogerieshop in der Lugner City und kaufe alles Haargel. Kein Witz.

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Nun ja, ich verwundere mich ja immer wieder selber mit meiner kindlichen Naivität und meiner „es wird nicht so schlimm sein“-Einstellung. In meiner naiven Vorstellung hätte es bei meiner ersten Autogrammstunde so sein sollen: Ich komme gut gelaunt kurz nach Anfang der Autogrammstunde in die Lugner City. Kool Savas lacht und winkt einer Handvoll Menschen zu. Wir holen unsere zu unterzeichnenden Artikel raus, plauschen locker und lustig und beide Seiten gehen zufrieden nach Hause. Der Künstler, weil er seine Fans kennengelernt hat und seine Eier gekrault worden sind. Und die Fans, weil sie Kontakt mit ihrem Helden hatten und noch dazu sein Krixi-Kraxi auf ihren Chiller-Pulli. Da ich in meinem Leben vielleicht zwei Alben gekauft habe und mein Chiller-Pulli kein Autogramm braucht, musste ich mir etwas anderes überlegen. Ich wollte ihn bitten unter diesen Tagebucheintrag etwas lustig-witzig-spritziges für euch zu schreiben:

Eventuell war die Idee betrunken lustiger.

Die Vorstellung fing an zu bröckeln, als mein Wecker um 13 Uhr läutete. Ich werde nicht erörtern, wie viel Schlaf ich hatte, aber es war zu wenig. Gelaunt wie eine Vorstadtmutter in ihrer Menopause zog ich mich an. Für den Deutschrap-King habe ich eine hautenge Laufhose rausgeholt—für Make-Up oder eine Frisur hat es dann nicht gereicht. Mindset am Hinweg: Naja, das machst du schon, Fredi. War deine Idee. Wird schon passen. Bald kannst du wieder ins Bett.

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Die Tatsache, dass ich wirklich langsam war und mich zwei Mal in meiner eigenen Stadt verfahren habe, verursachte eine Verspätung von 15 Minuten. Erster Mindfuck: Lugner hat einen silbernen Anzug an und sein neues Viecherl hat nichts dagegen unternommen. Sie stand einfach daneben und hat nichts unternommen. Auf der Bühne waren also Lugner, sein Viecherl und ein ziemlich mitgenommener Kool Savas. Wir beide hatten eine ähnliche Laune. Davor eine Menschenmasse. Schlimmer als Menschenmassen sind Menschenmassen in der Lugner City. Wäre ich nicht so übermäßig fertig gewesen, dann hätte mein Verstand mich zu dem Zeitpunkt wieder retour geschickt. Wahrscheinlich.

Der wahre Volksboi und Mountain Man, in aluminiumsilber. Die Haters prallen an ihm ab.

Ich wollte mich also brav S-förmig anstellen, vor mir an die 150 Menschen oder mehr. Ich wurde weggeschickt. Warum? Ich solle mir doch im Snipes eine offizielle Autogrammkarte holen. Oh-KAY. Mit der „offiziellen“ Autogrammkarte bin ich wieder zu der Schlange zurück, die sich infektiös vermehrt hat. So wie bei „Resistance“, wenn die Aliens angreifen und ihre Eier—egal. Vor mir stand: Ein wirklich süßer, maximal zehnjähriger, stiller Junge, den ich auf der Stelle—trotz Laune—adoptiert hätte. Hinter mir standen drei 14-jährige Mädls, die mich total gemobbt hätten, wenn ich mit ihnen in einer Klasse gewesen wäre. Und zwei Typen in meinem Alter, die unnatürlich trainiert und orange waren. Die Menschen um mich haben Gespräche geführt—oh Gott. Kennt ihr die Momente, in denen man die Überbevölkerung dieser Welt kritisch betrachtet und anfängt Lösungsansätze zu suchen? Gut, ich hatte einen solchen Moment. Zwei ganze Stunden lang. Richtig, ich bin zwei Stunden angestanden. Die Schlange wurde hinter mir relativ schnell zugemacht, ich war eine der Letzten.

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Meine Laune glich meiner Maniküre.

Die ganze Situation war so furchtbar schrecklich und skurril. Kool Savas sitzt vorne und unterschreibt mit „Kool Savas“ auf 200 Bildern von Kool Savas, während es Kool Savas spielt. Die größte Ego-Sau auf Erden hätte—klarerweise—nach 20 Minuten keinen Bock mehr auf den Scheiß. Aber naja, er wurde ja bezahlt. Hinter der Schlange, die schon zugemacht worden ist: Kleine Jungs wie der vor mir, die ernsthaft traurig sind. Und es waren die einzigen Menschen, die tatsächlich von dieser Aktion was gehabt hätten. Der Junge vor mir hat geleuchtet. Er war auch ganz alleine da. Wie ich. Und die anderen Jungs in seinem Alter. Keine Freunde, kein Handy in der Hand. Nur „John Bello Story II“ und leuchtende Augen. Das war sein Highlight der Woche. Die Anderen? Die wollten ein Selfie für Facebook. Oder einfach so Angeben. Das habe ich aus Gesprächen herausgehört, die mit „Missgeburt“ übersäht waren. Die Unterstufen-Mädels haben nachgedacht wie sie Backstage kommen können, um etwas zu machen, was man in ihrem Alter einfach nicht macht. Meine verwunderten und bitterbösen Blicke hätten sie nicht abgehalten. Ich glaube, sie haben eh angefangen mich zu mobben, aber gut, da bin ich restfett-lässig drübergestanden. Die Typen in meinem Alter—keine Ahnung, geht’s euch schämen, dass ihr die Mädls so angebaggert habt, dafür kommt man übrigens in den Häf’n. Und da gibt’s weder Wachstumshormone, noch ein Solarium.

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Ich habe mich schlagartig wirklich scheiße gefühlt, einem dieser jungen Jungs einen Platz weggenommen zu haben. In der ersten halben Stunde wurde ich ein Misanthrop und wollte den Jungen vor mir die Ohren zuhalten. Dann eine Durchsage: Private Gegenstände sind verboten, für ein Autogramm haben wir ja eh die „offizielle“ Autogrammkarte. Tumult brach aus, wollte einer der Unterstufen-Mädls sich doch ihren Brustkorb signieren lassen. Brustkorb weil da keine „Titten“ waren—entgegen ihrer Behauptungen. Ich war vollkommen am Ende. Mitten in dieser Schlange, nach einer Stunde, bekomme ich nicht mal ein Tagebuch-Autogramm. Wow. Der Junge vor mir packte sein Album traurig in den Rucksack. Mein Herz ist gebrochen und seit dem trage ich eine unbändige Wut auf die Industrie in mir. Der Junge wollte sein Lieblingsalbum signieren lassen und ihr habt ihm gesagt, dass das nicht geht. Ich gratuliere euch. Gratulation!

Eine einzigartige Möglichkeit, seinen Star aus der Nähe zu sehen. Das Bild wurde mit 5-fach Zoom aufgenommen.

Die letzte Stunde versuchte ich mich auf Kool Savas zu konzentrieren. Es war immer dasselbe Prozedere. Fan geht rauf, Kool Savas murmelt „Hallo“, lächelt vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Unterschreibt dann eine „offizielle“ Karte und dann macht ein „offizieller“ Fotograf ein Foto. Zwei Stunden anstehen für fünf Sekunden. Und dann gibt es nicht mal ein eigenes Selfie. Danke. Fotos sind übrigens noch immer nicht online. Fans die kurz vor ihren fünf Sekunden sind, werden nervös. Typen fangen plötzlich an, in ihren Taschen zu kramen, alle Mädls öffnen ihre Haare. Die kleinen Jungs gehen einzeln, schüchtern rauf, geben schüchtern die Hand. Dann, nach zwei Stunden, kommt meine Zeit. Ich habe meine Haare nicht aufgemacht, weil leckt’s mich alle am Arsch. Mitarbeiter stehen auf der Bühne und versuchen sein neues Mixtape an den Mann zu bringen. Der kleine Junge vor mir kauft es. Dann stehe ich endlich vor Kool Savas. Er sagte: „Hallo“. Ich sagte: „Dr.Pepper schmeckt scheiße.“ Das hat er nämlich die ganze Zeit gesoffen. Hat er nach meinen Namen gefragt? Nein, hat er nicht. Er hat mir aber ein ganz individuelles Herzchen gemalt:

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Mein eigenes, individuelles Autogramm. Danke!

Mein erstes und letztes Autogramm, meine Damen und Herren. Ich mag Kool Savas Musik nach wie vor und sein Konzert war einer der besten Konzerte, auf denen ich je war—back in the days. Ich verbinde Musik halt eher selten mit der Person die dahinter steht. Als Musiker kann ich ihm nichts vorwerfen. Als Menschen eigentlich auch nicht. Weil zwei Stunden sitzen und unterschreiben ist zach. Wäre es für uns alle. Aber ein Lösungsvorschlag in die bessere Richtung: Fixen Platz an die jungen Fans. Die haben echt noch was davon. Und die kaufen auch ein Mixtape.

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