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Noisey Blog

Koenigleopold stehen auf Meerschweinchen

Meerschweinchenporno, Sellerie und Schlager. Koenigleopold waren im Wiener Konzerthaus.

Dass die Jazzwerkstatt-Schwergewichte Leo Riegler und Lukas König ein bisschen eigen sind, was Musik, Performance und äh, Ästhetik angeht, wissen wir allerspätestens seit dem „Kohlhauser“-Skandal. Skandal deshalb, weil ein Mönichwalder Fleischer namens Kohlhauser sich durch den Song damals so in seiner Ehre gekränkt fühlte, dass er von Koenigleopold pro Youtube-Klick zehn Cent Entschädigung forderte. Unangenehm für das Duo, da sie sich natürlich einen Anwalt zur Seite stellen mussten.

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Da die Sache aber schon länger als zwei Jahre her ist, seitdem ein absolut fantastisches und seltsamerweise skandalfreies Album namens „Eure Armut kotzt mich an“ erschienen ist und das Duo mittlerweile zumindest live zum Trio ausgeweitet wurde, wollen wir die Vergangenheit endgültig ruhen lassen und uns auf die gestrige Nacht im Konzerthaus fokussieren.

Koenigleopold waren also da. Schon im Vorfeld des Konzerts hatten sie via Social Media angekündigt, dass es eine ganz besondere Show werden würde. Dass das nicht bloß am unüblich schicken Ambiente des Wiener Konzerthauses in der Lothringenstraße liegen würde, war fast zu erwarten. Während im Foyer fancy Gin verkostet wurde und wir kurz überlegt hatten, uns als Snack ein winziges norwegisches Lachsbrötchen um 3,50 Euro zu gönnen, füllte sich der Berio-Saal, der zu unserem Entsetzen nicht einmal bestuhlt war. Ein Stehkonzert! Nach der kurzen Begrüßungsrede, vorgetragen von einem nuschelnden Menschen mit Elefantenkopf (man vermutete Leo Riegler), ging es los.

Auf der Videowall erschien eine Dame, die eine Art Schaukelpferd-Mammut-Elefanten in einen großen, leeren Raum schob. Im nächsten Moment saßen Riegler und König darauf. Splitterfasernackt, die pikanten Stellen durch die überschlagenen Beine und/oder den Kamerawinkel verdeckt. Die Musik im Hintergrund war filigran und aufgeladen wie in einem Psychothriller. Es hätte auch jemand ermordet werden können. Ein bärtiger Typ mit rotem Pulli umkreist sie, mustert sie. Es scheint heiß zu sein, die Haut der beiden bildet überall Schweißperlen zwischen Falten und Behaarung. Der bärtige Typ setzt sich, bekommt kleine Häppchen serviert und trinkt einen Schluck Champagner. Dann bis zum Schluss nur noch die dunklen Silhouetten der beiden Nackerpatzln. Heute posteten sie das Video zu „Arco“, einem Instrumental-Stück auf „Eure Armut kotzt mich an“, schließlich auf Facebook.

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Riegler und König kamen ohne Tamtam auf die Bühne, setzten sich an Klavier und Schlagzeug und fingen an, weirde Jazz-Improvisationen zu spielen. Auf der Videowall sah man ein gebärendes Meerschweinchen. Das Publikum wurde ein bisschen unruhig. Neben uns lehnte sich ein Herr in weißem Hemd zu seiner Begleitung und fragte halbironisch: „Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“ Später dann: „Und die verlangen auch noch Geld dafür?“ Tun sie. Es sollte noch etwas dauern bis der Herr den Grund seiner Teilnahme am Konzert vor sich selbst rechtfertigen konnte. „Die Mama sagt, ich soll schlafen gehen, ich will aber nicht schlafen gehen, weil ich noch nicht müde bin“, lamentierte Leo Riegler zu immer lauteren und aufreibenderen Sounds am Klavier, während die Meerschweinchen in Kaleidoskop-Ästhetik auf der Videowall wuselten.

Meine Begleitung interpretierte die Zeile als die Gedanken der Meerschweinchen. Dann gab es einen finalen Knall und die Show eröffnete mit einem „Hallo, Mama“. Die beiden spielten ihre Schlager („Südsee von Palermo“, „Heat The Water“), hantierten mit Instrumenten, Laptops und Synthesizern, regten sich in ihren babyblauen Glitzer-Smokings lässig über die nicht vorhandene Stimmung auf und wurden von der netten Dame, die augenscheinlich hinter der Meerschweinchen-Thematik der Visuals steckte, mit Karotten und Sellerie gefüttert. Ein hungriger Besucher namens David wurde ebenfalls mit dem frisch geschnittenen Gemüse versorgt. Man fand keine Worte für das, was da gerade passierte.

Das oben erwähnte dritte Bandmitglied kam schließlich auch noch auf die Bühne. MC Rhine, eine junge Frau mit Mom Jeans und harten Rhymes, übernahm den Rap-Part von „Jay-Rap“. Ganz unbekannt ist sie in Koenigleopold-Gefilden aber doch nicht, auf „Eure Armut kotzt mich an“ rappte sie auch schon „Holla Bitch“. Sie passte jedenfalls ganz hervorragend ins Konzept. Irgendwann sagte sie mit zuckersüßer Stimme, dass Meerschweinchen ihre Lieblingstiere wären. Im Hintergrund schnupperte ein solches gerade an einem Furby oder saß unter einem geschmückten Mini-Weihnachtsbaum. Die Szenen verschwammen ein bisschen. Zum Schluss, als der Hit „Kohlhauser“ und die Ballade „Bist du bei mir“ zum Besten gegeben wurden, wurde es ein bisschen happig, was die Visuals anging. Meerschweinchenpenisse in Dauerschleife. Ja. Aber ansonsten – bedingungslose Verehrung für Koenigleopold.

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