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Interviews

„Zu 90% beim Texten und der Produktion war ich stoned“—Interview mit Ufo361

Der Kreuzberger Rapper hält nicht viel vom derzeitigen Deutschrap und der Ignoranz der Majorlabels.

Foto: Gergana Petrova

Falls du mal ein Wochenende in Berlin warst und dich über den Spruch „Du! bist kein Berliner“ gewundert hast, den der eine Typ auf seinem Shirt trug, gibts jetzt Aufklärungsarbeit: Das Shirt ist Merch aus dem Hause Hoodrich, dem von Rapper Said gegründetem HipHop-Label. Fester Teil der HR-Family ist auch ein gewisser Ufo361, der nach der gefeierten EP Bald ist dein Geld meins jetzt sein Debütalbum Ihr seid nicht allein raushaut. Wir haben den Rapper getroffen und über Grafitti, Kiffen und fette Pickel-Faces in Labelbüros gequatscht.

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Noisey: Warum du Ufo heißt, hast du ja schon oft erklärt (eigentlich heißt er Ufuk, wurde immer mit „o“ am Ende abgekürzt). Aber du spielst in Videos oder auch auf deinem Albumcover oft mit der Alien-Thematik. Glaubst du an Außerirdische?
Ufo: Nein, das mache ich eigentlich nur wegen meinem Künstlernamen und dem Albumtitel. Ich dachte, dieses Ufo-Ding kann ich gut als Faden für das Artwork benutzen. Für den Künstler war das auch sehr passend, weil er etwas in der Richtung noch nie gemacht hatte. Das Cover ist zwar sehr dezent, aber im Innenteil gehts nochmal richtig ab, da werd ich von Aliens aufgeschnitten und so. Ist sehr cool geworden.

Als Werbeclip vor deinem Video lief bei mir ein Clip der 361-Kampagne gegen Ausgrenzung. War Ausgrenzung je ein Thema für dich?
Als Grafitti-Sprayer habe ich mich vielleicht selbst ausgegrenzt. Ich bin nicht den typischen Weg gegangen wie jeder normale Bürger, sondern habe meinen Anarchistenfilm gefahren. Ich bin maskiert losgezogen und habe sechs Stunden an irgendwelchen Spots abgehangen, nur um 15 Minuten zu malen. Das Mysterium war natürlich sehr interessant: „Wer ist dieser Ufo?“ Wenn du meine Graffitis gesehen hast, wusstest du nicht, dass das so ein Kanake aus Kreuzberg ist. Ufo hört sich eben so nett an.

Sprühst du heute immer noch?
Ja, aber nicht mehr so extrem wie früher, das hängt immer mit den Jungs aus meiner Crew zusammen. Wenn die nicht so aktiv losgehen können, weil sie gerade auf Bewährung sind, im Gefängnis sitzen oder private Probleme haben, dann versuche ich, meinen Teil dazu beizutragen und das trotzdem am Leben zu erhalten. Ich gehe dann alleine los. Mein Leben ist im Moment aber auf die Musik fokussiert.

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Wurdest du eigentlich mal erwischt?
Ja, aber noch nicht so schlimm. Ich musste kleinere Summen bezahlen oder Strafarbeit leisten, aber mir wurden noch keine 500 Pieces nachgewiesen, wie bei anderen Sprühern. Gott sei Dank nicht.

Weiß die Polizei, wer Ufo ist?
Jaja, wenn ich jetzt irgendwo „Ufo“ malen würde, würde ich sofort einen Brief bekommen. Wenn sie mich nicht dabei erwischen, können sie mir es zwar nicht nachweisen, aber sie wissen, wer hinter „Ufo“ steckt. Ich mach das ja mittlerweile seit zehn Jahren. So schwer ist das für die nicht, das herauszufinden. Heutzutage gibt es auch viel mehr Kameras. Ist nicht mehr so einfach.

Tracks wie „Ganjaboi“ zeigen, dass du dem Kiffen nicht abgeneigt bist. Eine Inspirationsquelle deiner Ideen?

Auf jeden Fall. Bei dem Album war ich zu 90% beim Texten und der Produktion stoned. Seit einem Monat habe ich aber nicht mehr gebufft, weil ich einen Lungenkollaps hatte. Heute habe ich mir aber eine Pfeife gekauft, weil morgen ja mein Release ist. Da rauche ich jetzt nur noch pur. Ich habe mir geschworen, nie wieder Tabak zu rauchen.

Einen Lungenkollaps?
Ich hatte mir einen fetten Joint gebaut, hab gebufft wie immer und irgendwann richtig stark gehustet. Das habe ich aber erst am Morgen danach so richtig bemerkt. Nachdem sie dann im Krankenhaus meine Lunge geröntgt hatten, sagten sie mir, dass ich einen Lungenkollaps habe. Zwischen meinen Brustkorb und meiner Lunge ist irgendwie Luft gelangt, die da nicht hingehört. Durch eine Dränage wollten sie die Luft dann rauspumpen. Hat aber nicht geklappt und ich war zehn Tage außer Gefecht. Jetzt gehts aber wieder.

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Viele Künstler sind am Besten, wenn sie am Abgrund stehen, wie ist das bei dir? Am Kreativsten, wenn's dir Scheiße geht?
Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass es jemandem in unserem Sozialstaat wirklich scheiße geht, was beispielsweise Finanzen betrifft. Wenn du so broke bist, dass du eine Bank überfallen musst, rappst du nicht darüber. Mir gehts Gott sei Dank finanziell nicht so schlecht. Ich muss nicht broke sein, um diesen gewissen Hunger zu bekommen. Gestern war ich mit meinen Jungs unterwegs, die in eine Wohnung einbrechen wollten, in der fünf Kilo Gras lagerten, um sie auszurauben. Ich war halt zufällig dabei und wir wurden von den Bullen aus dem Wagen gezogen. Das verarbeite ich nicht gerne in meinen Texten. Mein Kollege meinte gleich: „Ey, jetzt hast du eine geile Inspiration! Erzähl einfach von dem Tag heute!“ und ich dachte dann: „Nein, Dicka. Das ist nicht das, was ich feiere.“ Ich will nicht verkörpern, dass du kriminell sein sollst. Ich habe vom Sozialamt gelebt und meine Familie war in der Hinsicht am Abgrund, dass sie eben wenig Geld hatten.Hier hast du trotzdem immer noch genug für Frischkäse und Brot. Du musst nicht hungern, also tu auch nicht so. Natürlich, wenn meine Freundin mich verlässt oder ich darüber erzähle, dass mein Vater krank ist und ich das verarbeite, dann muss das schon sein. Das ist ja auch nicht gelogen. Aber dieses „Ich muss broke sein, um Hunger zu haben“ ist Schwachsinn. Dann gehst du halt zum Amt und dir gehts besser als manchen Kindern in Afrika.

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Ich muss nochmal nachfragen: Du bist im Auto gesessen und dann hat euch schon die Polizei erwischt?
Wir wurden sechs Stunden oder so observiert. Die sind dann direkt an den Wagen ran. Mein Kollege hat versucht, seinen Ausweis rauszuholen, weil er ja wusste, dass er ihn eh gleich zeigen musste. Die dachten aber, dass er vielleicht eine Waffe ziehen würde. Dann hat der eine Polizist ihm gleich die Waffe an den Kopf gehalten und wir mussten aussteigen. Der Typ hatte auch schon gut gezittert. So passieren Unfälle, von wegen aus Versehen abdrücken. Aber ist nichts passiert.

Die Rapszene ist heute bunt wie nie. Wie schwierig ist es da, als junger Rapper hervorzustechen?
Es ist nicht mehr der HipHop, den ich feiere. In Deutschland feiere ich ehrlich fast gar nichts mehr. Entweder hast du es schon tausend Mal gehört oder es sind neue Sachen, wo du dich fragst, ob das wirklich HipHop ist, zum Beispiel McFitti. Er ist Künstler, ich respektiere das und will auch gar nicht haten, aber ich kann das nicht pumpen. Ich kann das nicht hören, auf mein Handy ziehen oder mir kaufen. Wenn ich mit meinen Jungs grillen gehe, läuft das nicht auf unserem Ghettoblaster. Das ist mittlerweile gar nicht mehr echter HipHop. Es ist 2014 und wir sind weit weg von den 80ern, den Wurzeln. Klar entwickelt sich das. Jeder versucht, sein eigenes Ding zu schaffen. Trotzdem sollten bestimmte Regeln eingehalten werden, um sich nicht zu krass von der HipHop-Kultur zu entfernen. Das ist aber mittlerweile sehr oft der Fall. Es rappen mehr Leute, als es Fans gibt. Das ist traurig. Ich tu ja auch nicht so, als ob ich Fußballer wäre.

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Ist der Markt langsam übersättigt und Rap wird bald wieder eine Durststrecke durchmachen müssen?
Ich glaube, je länger du brauchst, um hochzukommen, umso länger bleibst du auch oben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Cro in fünf Jahren noch relevant ist, aber Savas ist seit 20 Jahren relevant. Er hat das von den Undergroundtapes bis Universal und was weiß ich, wo er überall schon war, selber durchgezogen. Er hat viel Energie und Zeit reingesteckt, ohne einen Hit zu landen. Ein gutes Beispiel ist in den USA gerade Trinidad James. Nach dem Song „All Gold Everything“ wurde er direkt von Def Jam gesignt, hat nie wieder einen geilen Song geschrieben und wurde wieder gedropt.

Klar, die Labels versuchen natürlich, das nächste größte Ding zu signen.
Mit der Hoffnung, dass der Hype durch die Decke geht und sie Millionen mit dir verdienen. Diese fetten, im Büro sitzenden, bärtigen Pickel-Faces—was weiß ich, was für eklige Leute bei den Majors sitzen—die das gar nicht interessiert, ob du das liebst, ob du das leidenschaftlich machst. Die gucken sich irgendwelche Finanzpläne an und investieren. Denen gehts um Gewinn. Was für Musik du machst, ist denen scheißegal.

Dein neues Album heißt Ihr seid nicht allein, was sowohl negativ als Drohung, aber auch positiv als Trost interpretiert werden kann. Wen sprichst du damit an?
Ich habe jetzt zwei Jahre für das Ding gebraucht, mein Hype war vorbei und jetzt kommt das Zeichen, dass ihr ab jetzt nicht mehr allein sein. Ich will jedes Jahr mindestens eine VÖ raushauen. An jeden Rapper und HipHop-Liebhaber da draußen ist diese Message. Das ist eine Warnung an die Szene. Vielleicht kommt das auch noch aus meiner Kindheit, von wegen: „Hört mal auf, mich zu übersehen!“ Dann natürlich noch die Doppeldeutigkeit mit Ufo und Aliens.

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Planst du schon eine Tour?
Leider noch nicht. Ich hab keine Single, die durch die Decke gegangen ist und die jeder pumpt. Die Bookingagenturen sind noch nicht auf mich aufmerksam geworden. Ich versuche, durch ein paar Rapgigs an mögliche Support-Gigs zu kommen. Ich organisiere jetzt selber meinen ersten Auftritt in einem Club bei uns in der Hood. Wenn 200 Leute kommen, wird das cool. Touren ist einfach noch nicht drin, dafür bin ich noch nicht groß genug.

Hättest du denn mal Bock auf so Battle-Kram?
Mittlerweile ist das für mich zu spät. Ich hab schon sehr viel Zeit und Geld in meinen Namen investiert. Ich bin halt ein Studio-Rapper, schreibe in Ruhe meine Parts. Wenn ich sehe, was mit MC Bogy passiert ist, der viel Erfahrung und einen krassen Ruf hat und dann von diesem kleinen Jungen in Grund und Boden gebattlet wurde. Obwohl der nicht mal HipHop erlebt oder gelebt hat. Finde ich traurig. Ich will mir auch keinen Kopf darüber machen müssen, was für einen Text ich gegen irgendeinen Rapper schreiben muss. Darunter würde meine Albumproduktion leiden, ich muss mich eben entscheiden. Von den Leuten, die da mitmachen, kenne ich kein krasses Album.

Ufo361's Album ist bei Hoodrich (Membran) erschienen. Kauft es auf CD oder MP3.

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