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Ich war noch nie auf einem Festival

Hier sind ein paar gute Gründe, warum ich nie auf ein Festival fahren werde.

Ich war noch nie auf einem Festival. Was für eine Schande. Gehört das Festival-Besäufnis doch zu den Must-Do Jugendaktivitäten in Deutschland. Neben dem Besuch im Berghain und dem Männertags -und Faschingsbesäufnis, gehört es zu den Dingen, die man zumindest einmal getan haben muss. Hat man mir so gesagt. Um es klarzustellen: In diesem Text geht's um die großen Mainstream-Festivals. Ich meine damit nicht die kleinen Festivals oder die Festivals, wo man im Ticketpreis ein Appartment inkludiert hat—beide besuche ich in diesem Jahr zum ersten Mal. Hier geht es um die riesigen, Staub-und-Matsch-Festivals in der Pampa.

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Als ich noch ein Teenager war, fand meine Festival-Abstinenz niemand schlimm. Wahrscheinlich weil man dachte, dass mich das Herzklopfen bei dem Gedanken, ein großes Festival zu besuchen, noch erwischen würde. Hat es nicht. Doch kaum über 20, sind die Reaktionen auf diese Aussage Schnappatmung und entsetztes Kopfschütteln. Gefolgt mit einem fassungslosen „WIESO?!“

Ja, wie kann nur ein in Deutschland sozialisierter Mensch noch nie auf einem Festival gewesen sein? Wie passiert sowas? Ich könnte sagen, ich weiß es nicht. Ich könnte sagen, ich habe keine Freunde, aber das stimmt nicht. Ich könnte sagen, ich hasse Musik, aber das stimmt auch nicht. Oder ich könnte sagen, dass ich mich nicht gerne besaufe, aber das wäre die schlimmste Lüge überhaupt, die die Lügen aller Politiker und Rapper zusammen übertrumpfen und in den Schatten stellen würde. Aber die Antwort ist viel einfacher. Ich finde Festivals scheiße. Also die Vorstellung davon. Schon immer. Nicht weil ich mich cooler finde, sondern weil Festivals einfach nur scheiße sein können. Nach meiner Logik zumindest. Hier ein paar Gründe:

Im Zelt schlafen ist scheiße

Hey, ich bin bei Gott keine Prinzessin. Ich habe an Orten geschlafen, da ist ein Zelt ein Fünfsternehotel dagegen. Aber nie mit Absicht. Und nie würde ich auf die Idee kommen, 100 Euro zu zahlen, um drei Tage im Zelt schlafen zu können. Ist doch eine Verarsche, Leute. Ehrlich. Ich bin nicht geizig, eher im Gegenteil. In meinen manischen Nächten gebe ich gerne meine Miete für ein minder gutes Saufgelage in einem minder guten Club aus. Aber im Voraus drei Nächte einen Zeltplatz für viel Geld zu buchen? Danke, nein, lass ich aus. Wie es ist, in einem Zelt zu schlafen, muss ich ja wohl nicht erläutern. Es ist scheiße. Auf einem Festival? Laut, ergo doppelt beschissen. Ich frage mich immer, wie das Menschen mit ihrem Schlaf machen. Oder im Suff—wie findet ihr euer Zelt wieder?

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Also irgendwann, während der drei oder fünf Tage, muss man sich ja hinlegen. Wie macht ihr das? Ist es nicht einfach total laut, total unbequem und total scheiße? Kotzen euch nicht irgendwelche Besoffenen auf euer Zelt? Ist es nicht heiß da drin? Zum Wetter komm ich noch, aber den Preis zu zahlen, finde ich echt irre. Es gibt dann ja die VIP-Dinger und es gibt Hotels in der Nähe, aber ein Geldscheißer hat bei mir leider auch noch nicht angeklopft.

Das Preis-Leistung Verhältnis ist eine komplette Verarsche

Gut, ich bin kein Rockfan. Deshalb fallen Festivals wie das With Full Force für mich flach. Das Melt! hat mich, als es noch cool war, einfach noch nicht interessiert. Jetzt sind lauter Kinder dort. Wenn ich aber Lust bekomme, mich mit 16-Jährigen wegzuschießen, buche ich eh. Die anderen Festivals á la Dockville und so—naja, was soll ich sagen, mich interessieren bei jedem deutschen Festival maximal drei bis fünf Acts, und das passiert echt selten. Meistens habe ich diese wenigen Künstler auch schon irgendwo gesehen. Und ja, das Beste ist ja, dass diese drei bis fünf Acts dann meistens gleichzeitig auftreten. Oder am Nachmittag für eine halbe Stunde. Weil Festivalmacher halt auch wissen, wie man taktisch Menschenmassen verteilt.

Fertige Festival Line-Ups schauen immer toll aus. Weil die Namen, die man kennt, sind groß geschrieben und so wirkt es wie ein elitäres Treffen von weltberühmten Musikern. Scheißegal, dass ich sein Album nicht kenne und genau zwei Lieder im Suff mitgrölen kann, weil Mama im Auto Energy hört. Immer, wenn ich ein Line Up sehe, stelle ich mir dieselbe Frage: Würde ich mir, wenn dieser Künstler oder diese Band ein Konzert hätte, ein Ticket kaufen? Meistens ist die Antwort: nein. Wenn sie „ja“ ist, habe ich in der Hälfte der Fälle den Künstler eh schon gesehen.

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Mein Jugendtraum bis heute ist das Tomorrowland. Oder das Frauenfeld in der Schweiz. Aber auch das ist eine Anschaffung. Der Ticketpreis ist dreistellig, Hinweg plus Rückweg meistens auch. Von dem Geld, was ich zahle, um drei Tage im Zelt zu vegetieren, könnte ich mir auch eine Woche Last-Minute Tunesien leisten. Vom Hygienelevel eh ähnlich, nur hab ich in Tunesien mein eigenes Zimmer und ein Meer. Außerdem bauen beide Festivals, gerade was die Line-Ups angeht, extrem ab. Über die Getränkepreise schreibe ich nichts, das ist doch hoffentlich jedem klar, dass das eine absolute Verarsche ist.

Das Wetter und die sanitären Anlagen

Zum Wetter muss ich ja wohl nichts sagen. Es ist grundsätzlich entweder zu heiß und zu staubig. Oder es pisst wie aus Eimern und ist kalt und windig. Viel Spaß im Zelt, haha. Natürlich kann man sich so berauschen, dass es wurscht ist. Aber egal wie viel Alkohol ich mitnehmen würde, nach einer Nacht ist er weg—ich kenne mich. Und dann darf ich noch fünf Euro für ein lauwarmes Bier zahlen. Super. Jemand, der mit 25 Euro all-you-can-drink-Angeboten aufgewachsen ist, kann das nur scheiße finden. Ich will auch nicht drei Stunden auf ein vollgeschissenes Dixie-Klo warten müssen. Die Duschen spreche ich nicht an, weil ich es mir sehr wohl vorstellen kann, beinhart drei Tage nicht duschen zu gehen. Das wäre mir egal. Ich sage ja, ich bin keine Prinzessin. Ich lasse mich einfach nicht gerne gegen Geld verarschen. Gott verdammt, niemals. Ich hasse Sonnenstiche. Erkältungen mag ich auch nicht. Eins von beiden bringen meine Kumpels immer als Souvenir mit heim. Ohne mich, meine Freunde, ohne mich.

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Die Menschen

OK, Menschenmassen sind scheiße. Gelegentlich tut man sich ja viele fremde Menschen an. Für Künstler, die man liebt zum Beispiel. Da auf einem Festival nicht so viele Künstler sind, die man (ich) liebt (s.o.), tu ich es mir nicht an. Und die primitiven Vollidioten erst, aus denen ein Festival zu 80% besteht! Aus besoffenen, primitiven Vollidioten! Die dann rumschreien, sich aufführen, wie die letzten Menschen der Weltgeschichte, ihr lauwarmes Bier süffeln, andere primitive Vollidioten im heißen und verkeimten Zelt ficken und sowieso jede Moral vergessen. Nein, danke. Meistens finden sie es dann sogar noch lustig, sich zu verkleiden. Liebe Grüße an meine Freunde, die ich alle ausnahmslos zu den 80% zähle. Mich eh auch. Aber so viele auf einmal? Festivals scheinen für Deutsche das zu sein, was für Amis Las Vegas ist. Vergessen wir unsere Erziehung, vergessen wir unsere Prinzipien—führen wir uns auf wie Assis. Fuck, no.

Bei Konzerten stehe ich immer hinten, weil ich wenig Platz, pogen und alle anderen Sachen die mit ungewollter Menschenberührung zu tun haben, scheiße finde. Drei Tage primitive Menschenmassen aus lauter Teenagern und ein paar Mittzwanzigern? Eine dreitägige Zombieapokalypse wäre mir lieber, weil dann dürfte ich zumindest um mich schießen. Gott, ich kriege beim Verfassen dieses Textes alle drei Minuten einen Brechreiz—die Vorstellung auf einem Festival zu sein, ist einfach wirklich schlimm für mich.

Ihr seht, in meiner Welt ist es einfach nicht lustig. Weil ich bei dieser verarschenden Geldmacherei einfach nicht mitmachen möchte. Ich verurteile aber niemanden, der gerne Festivals besucht. Wie könnte ich auch, ich bin der einzige Mensch, den ich kenne, der noch nie auf einem war. Und Freunde, die heldenhaft von einem Festival zurückkehren, berichten stets von Spaß. Mit einer Erkältung oder einem Sonnenstich. Eventuell auch mit bis dato unendeckten Geschlechtskrankheiten. Und mit keiner Kohle mehr fürs restliche Monat. Ich bleibe zu Hause und sauf mich in der Zeit an. Mit Assi-TV und kaltem Bier. Prost! **

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