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Warum ich Konzerte hasse

Konzerte sind nicht für alle Menschen cool.

Fotos von Isabella Kohm

Ich habe bereits einen Artikel geschrieben, in dem es darum geht, dass ich Festivals nicht leiden kann. Dieser Artikel wurde natürlich nicht so gemocht—aber jetzt kommt das härtere Geständnis. Ich kann auch Konzerte nicht ausstehen. Versteht mich nicht falsch: Ich liebe Musik. Ich liebe sie echt. Sonst würde ich hier ja nicht arbeiten. Ich höre auch permanent Musik. Meine Kollegen scherzen über die laute Musik, die aus meinen Kopfhörern dröhnt. Und Zuhause dröhnt sie weiter. Und am Weg egal wohin dröhnt sie auch. Und wenn ich ausgehe dröhnt sie ja sowieso. Für viele meiner Freundschaften ist Musik ein wichtiges Thema. Was zur Folge hat, dass ich tendenziell gegen Weihnachten und Geburtstag Konzerttickets geschenkt bekomme. Das ist wahrscheinlich auch gut so, weil ich mir selber nie welche kaufen würde. Irgendwie ist es ja schon interessant, wie der Mensch, den man so auf portablen Geräten und Anlagen hört, auf der Bühne agiert. Und wie er „live” klingt. Es ist eine große Party voll mit Liedern, die man mag und mit Menschen, die den selben Geschmack teilen—im Idealfall. Das alles ist ur super und lässt mich die geschenkten Konzerttickets auch einlösen. Ich kaufe mir selbst keine und würde auch nicht unbedingt auf die Idee kommen. Hier sind die Gründe, warum das so ist.

Weil ich Menschenmengen noch immer hasse

Ernsthaft. Ich besuche auch keine Partys die wahnsinnig viele Zusagen haben. Ich gehe nicht samstags in den Ikea und schlafe lieber bis Montag am Boden. Lieber verhungere ich, als am Sonntag im Parterstern-Billa meine Lebensmittel zu besorgen. Ich meide Christkindlmärkte. Es ist nicht so, dass ich eine Panikattacke bekomme, sobald fünf Menschen um mich herumstehen. Aber ich fühle mich nicht wohl. Ich finde es scheiße, wenn gedrängelt wird. Das macht mich aggressiv. Immer wenn ich auf einem Konzert bin, bin ich kurz davor „MÄH“ statt „Zugabe“ zu schreien, weil ich mir wie ein Herdentier vorkomme.

Weil die meisten Konzerte, eigentlich Shows sind

Gott sei Dank höre ich auch Rap. Also Deutschrap, ich weiß nicht, ob die US-Rapper noch live dabei sind. Deutschrapper rappen leider auch sukzessive immer weniger und weniger live. Was mich dazu bewegt, nur noch den Unterground anzusehen. Der dann eh nicht so underground ist und für einen komplett überfüllten, kleinen Konzertraum rappt oder singt. Rihanna war eine gekaufte Enttäuschung. Ich liebe sie noch immer, aber wenn ich ihre Musik aufgenommen hören will, dann kauf ich mir die CD um 15 und nicht das Ticket um 80 Euro. Bei vielen anderen Künstlern ist mir aufgefallen, dass Playback immer mehr eine Rolle spielt, während sie „PUT YOUR HANDS IN THE AIR VIENNA” gröhlen. Ich will meine Hände nicht zum Himmel strecken. Ich will dass du das Lied singst, verdammt. Und wenn du dich versingst, ist das OK. Und wenn du den Text nicht kennst, dann schreie ich ihn für dich mit. Aber Gott verdammt, tu zumindest so, als würdest du ein Konzert geben, um Gottes willen. Regt mich auf. Einzige, unerreichte Ausnahme: Money Boy.

Weil die Menschen, die meine Musik hören, oft enttäuschend sind

Früher, als ich noch naiv und unverdorben war, waren Konzerte eine Möglichkeit für mich, sich mit Gleichgesinnten zu treffen. Doch nach meinem dritten Mal musste ich feststellen, dass Gleichgesinnung selten über Musik läuft. Wenn man sich versteht und zusätzlich einen gemeinsamen Musikgeschmack hat: Freundschaftsjackpot! Wenn man nur einen gemeinsamen Musikgeschmack hat: Hm. Ja, besonders im Rap, stoße ich an viele Grenzen des friedlichen Co-Existierens. Aber auch Techno, Pop und Rock haben mich schon oft enttäuscht in der Ecke stehen lassen und meine Fähigkeit, Menschen zu mögen, anzweifeln lassen. Ich bin nicht anti-sozial oder so. Ich bin sogar viel zu gern mit Freunden auf Veranstaltungen, bei denen andere Menschen auch sind. Ich helfe gerne. Ich höre jedem zu, der mit mir spricht. Aber meine Erwartungshaltung an das Publikum—intelligente, lustige und wahnsinnig spannende Menschen (also Mini-Me’s)—hat noch kein Künstler erfüllen können. Das war ein überzeichneter Witz. Oder auch nicht.

Weil Pogen

Pogen ist fremde Menschenberührung auf einem Schmerz- und Angstniveau, das kann ein S&M-Keller nicht nachmachen. Zumindest für mich. Was auch immer die Pro-Argumente sind: Nein. Nein, Danke.

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Weil Getränkepreise

Ernsthaft Gasometer und andere Lokalitäten? Ich weiß schon, der betriebswirtschaftliche Hintergrund ist so: Management/Veranstalter/Künstler bekommen den Ticketpreis, die Lokalität bekommt davon die festgesetzte Miete und verdient theoretisch am Getränk. Ja, ja. Aber echt—4 Euro ein kleiner, weißer Spritzer? Wie soll ich hier die Menschen um mich herum ausschalten? Ist es nicht genug mir 50 Euro für ein Ticket einer Playback-Show zu berappen? Wirklich nicht? Ich zahle doch nicht um mich verarschen zu lassen. Sorry.

Weil man sieht eh nichts

Ich bin über 1.80 und sage das. Auf Konzerte begleiten mich oft meine 1,65 Meter großen Freundinnen. Die sehen wirklich nichts. Umso rätselhafter für mich, dass sie immer wieder Konzerte besuchen wollen. Sie sehen wirklich gar nichts. Also einmal war ich mit einer meiner engsten Jugendfreundinnen, die an die 1,65 ist, auf einem Konzert. Es gab eine Feuershow. Ich nachher: „Naja, zumindest gab es die Feuershow. Durchgehend.” Sie zu mir: „Welche Feuershow?”
Wenn ich sage, man sieht eh nichts, dann meine ich damit, dass man den Künstler nicht erkennt, weil man random fünf Kilometer weg von der Bühne steht. Oder man geht rein, in die ersten Reihen und wird entweder angepogt oder von 12-Jährigen mit Tinitus beschenkt oder niedergeremepelt. Slow Clap für diese Freizeitgestaltung.

Weil man eh nix hört oder es auch gar nicht hören will

Ja genau, dein bestes Konzert der gesamten Tour—eh klar, Austria. Und die besten Fans? Natürlich, die sind hier. Und überhaupt ein oder zwei lustige Anekdoten zu der Stadt. Bleibt nur die Frage, warum dieser Mensch nicht in die beste Stadt der Welt zieht? Gut, die Antwort wäre unsere nicht-existente Musikförderung. Aber außer den aufgetischten PR-Lügen, die dann eh auch dahergenuschelt sind, hört man kaum etwas. Dein Gesang über den Playback interessiert mich auch minder. Vor allem, wenn zwischendurch „MAKE SOME NOISEEEEEE VIENNA” hereindröhnt und die Herde dann brav noise macht. Oida. Vielleicht werde ich auch einfach alt.

Weil Handys

Meine kleineren Freunde reagieren auf nicht sehen, meistens mit dem Zücken des Handys und dem Erstellen von mindestens fünf Videos. Die sieht man dann nachher zusammen an. Geht mir tierisch auf die Nerven. Lasst es stecken. Macht keine Videos. Oder macht eins. Nachher zu sagen „Ich bin abgegangen, die Stimmung war bombastisch“ ist auf dem Level von „THIS IS THE BEST CITY ON MY XY-TOUR“. Eine Lüge. Es ist eine Lüge.

Eigentlich ist sie eh nett: @Schla_wienerin

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