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Interviews

Ich habe 50 Motherfuckin‘ Cent interviewt!

I shit you not. Ihr fragt euch vielleicht, wie es Fiddy geht: Es geht ihm blendend. Und ja, er nuschelt gewaltig.

Das Jahr 2003 war ein großartiges. Ich kann mich an einen heißen Sommer und an eine prägende Jugendfreizeitreise erinnern. Doch noch wichtiger war für mich in diesem Jahr der Aufstieg von 50 Cent. Als Get Rich or Die Tryin‘ rauskam, war ich 13. Ich hatte vorher schon Eminem, Tupac, Wu-Tang und Mobb Deep gehört. Dank MTV wurde auch ich zum Fiddy-Jünger. Er war der Gangstarap-Auserwählte. Ein vorbestimmter Superstar, ausgestattet mit neun Einschusslöchern, hochgezüchtet von Eminem und Dr. Dre—entsandt um das ganze Game zu knechten. So wie das Intro vom „In Da Club“-Video es uns suggeriert. Curtis Jackson war derjenige, der HipHop endgültig an die Popspitze führte—und wieder davon runterkickte.

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50 Cent erwies sich als das beste Produkt des Gangstaraps, ein letztes großes Hurra der Durag-Generation. Leider ist das exzessive Durchdeklinieren von Champaignepoppin‘ einfach nicht dafür geeignet, um dauerhaft die thematische Speerspitze einer ganzen Musikkultur darzustellen. Irgendwann wollte keiner mehr 50 Cent hören. Ich auch nicht. Plötzlich war Kanye West mit seinen pinken Poloshirts derjenige, auf den sich alle einigen konnten.

Traurige Geschichte. Ich habe mein Jugendidol lange Zeit bemitleidet und irgendwann nur noch ignoriert. Doch letztes Jahr, zum zehnjährigen Jubiläum von GRODT, wollte ich checken, wie es 50 eigentlich so geht. Kurze Antwort: Blendend.

50 Cent ist immer noch einer der fünf reichsten HipHopper der Welt. Er hat schon alles vertickt, was geht: Kopfhörer, Klamotten, Computerspiele, Groschenromane. Er spielt in schlechten Filmen mit, aber es scheint ihm Spaß zu machen. Fiddy hat immer was zu tun, er hat noch nicht mal Zeit, sich einen runterzuholen. Vor allem im Moment nicht. Nach erfolgreichen Jahren bei Interscope/Shady/Aftermath brachte er Anfang dieses Monats sein Album Animal Ambition Independent raus.

Als ich erfuhr, dass ich 50 Cent zu einem Telefoninterview bitten könnte, war ich völlig aus dem Häuschen. Einen Tag später saß ich mit zusammengezogenen Arschbacken vor meinem Schreibtisch und wartete darauf, dass 50—Motherfucking—Cent mich anrufen würde.

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Punkt 16 Uhr klingelte das Telefon. Nach kurzer Einweisung von einer Frau mit britischem Akzent („20 Minutes, please, we have a tight schedule“) wurde ich an 50 weiter gereicht.

Noisey: Hey Fifty, ich heiße Toni und arbeite für Noisey in Deutschland.
50 Cent: Hallo Toni, wie geht’s dir? Sehr gut. Ehrlich gesagt bin ich etwas aufgeregt. Get Rich or Die Tryin‘ war das erste HipHop-Album, das ich mir gekauft habe…
Das freut mich. Ich hoffe aber, dass dir mein neues Projekt Animal Ambition auch gefällt. Wenn die Leute schreiben, dass sie meine alten Sachen mögen, dann möchte ich auch, dass sie sich die Songs anhören. Aber ich möchte nicht, dass sie in dieser Box bleiben. Ich will, dass sie meine Entwicklung beobachten. Deswegen habe ich „Prosperität“ als Leitmotiv für dieses Album angegeben. Wenn du diese erreicht hast, gibt es viele Menschen neben dir, die neidisch werden.

Wolltest du diesen Menschen einen Denkzettel verpassen?
Als ich mit Robert Green „The 50th Law“ geschrieben habe, war ein wichtiger Aspekt zum Erreichen von Erfolg oder Einfluss, keine Angst davor zu haben, sich zu entwickeln. Wenn die meisten Menschen eine Collage mit Dingen, die sie im Leben glücklich machen erstellen würden, müssten sie irgendwann einsehen, dass sie sich in einem Job befinden, der sie nicht so weit bringt. Offensichtlich müssten sie einige Veränderungen tätigen. Aber sie haben zu viel Angst sich zu verändern, deswegen lassen sie ihren Frust durch Neid raus.

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Warum hast du eine Veränderung gesucht, als du Interscope/Shady/Aftermath verlassen hast?
Mit Eminem ist es was anderes. Ohne Em wäre ich nicht hier, wenn er mir nicht die Chance gegeben hätte. Bei Interscope wusste ich, dass die Verantwortlichen einen Krieg zwischen Beats by Dre und SMS-Audio (50 Cents Kopfhörermarke, Anm. d. Red.) initiieren wollten. Wenn du ein Produkt hast, das zu einem Multimillionen-Unternehmenszweig wird, dann verändern sich deine Prioritäten abseits der Musik. Aber die Musik war mir immer wichtig. Alles Positive in meinem Leben entwickelte sich im Zusammenhang mit der Musik. Deswegen musste ich etwas verändern.

Siehst du dich immer noch als Musiker oder bist du mittlerweile durch und durch Geschäftsmann?
In der heutigen Zeit musst du beides sein. Wenn ich meine Aufmerksamkeit nicht auf das Business legen würde, könnte ich im Moment ohne Interscope nur schwer funktionieren und könnte mein neues Projekt nicht vorstellen. Ehrlich gesagt, ist meine Musik besser, weil ich jetzt nicht mehr bei Interscope bin.

Warum glaubst du das?
Sie hatten viele Personalveränderungen. Das war nicht mehr die gleiche Belegschaft, die mich von Anfang an begleitet hat. Damals waren diese Menschen schon lange dabei und es war eine gut geölte Maschine. Ich bin mir nicht sicher, ob die neuen Leute die gleiche Leidenschaft hatten, wie die früheren Mitarbeiter.

Wenn man sich so sehr ums Geschäft kümmert, kann die Musik da drunter leiden?
Nein, schau mal: Alles was ich gemacht habe, wurde als tabu gesehen. Meine Arbeit mit großen Unternehmen und all die anderen Dinge wurden, als ich angefangen habe, noch als Grenzüberschreitung wahrgenommen. Heute hat sich vieles verändert. Große Popstars wie Mariah Carey bekommen von den Plattenfirmen ein Budget von 20 Millionen Dollar. Um diese Kampagnen zu finanzieren müssen sie Kooperationen mit großen Unternehmen wie Ford oder GMC machen. Früher wurde es nicht gerne gesehen, wenn du dich nicht komplett auf die Musik fokussiert hast. Heute ist es eine Notwendigkeit, alles zu können, damit du sichtbar bist und die Öffentlichkeit dein musikalisches Talent erkennen kann.

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In welchem Zusammenhang stand darin der Plan für jeden Song von Animal Ambition ein Video zu drehen?
Ich habe alle Videos im Voraus gedreht. Die Wahrnehmung der Leute hat sich nämlich verändert. Wenn sie einen neuen Song von mir im Radio hören, will ich, dass sie in ihrem Smartphone nach dem Song suchen können und sich sofort das Video dazu angucken können.

Glaubst du als musikalischer Geschäftsmann, dass die großen Plattenfirmen ein Auslaufmodell sind?
Die großen Plattenfirmen sind sehr langsam. Sie beraten und planen, welche Künstler man herausbringen kann und welche noch warten müssen. Diese schieben sie dann einfach aus dem Weg. Als Künstler kann das frustrierend sein. Sie bringen das heraus, was ihrer Meinung nach den höchsten Verkaufswert hat. Wenn du dir Oldschool-Musik anhörst fragst du dich oft: „Dieser Typ war großartig. Was ist passiert? Warum bringt er keine neue Musik mehr raus?“

Und was ist passiert?
Ich kann dir sagen, was passiert ist: Das Musikbusiness ist passiert. Ich bin froh, dass ich mich mittlerweile auf mich selbst verlassen kann.

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