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Hört auf euch über diese Dinge in der Musik zu beschweren

Eine Liste an Dingen, über die die Leute in der Musik hinwegkommen müssen.
Ryan Bassil
London, GB
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Jeder, der einen Vermieter hat, wird dir das bestätigen—es bringt überhaupt nichts, sich zu beschweren. Und das gilt vor allem in Bezug auf Musik. Beschwer dich über Billy Corgan und er wird eine achtstündige Synthesizer-Interpretation von Siddhartha aufführen. Schick einen Tweet an Rick Ross und sag ihm, dass sein letztes Album total beschissen ist und er wird dich einfach ignorieren. Musiker haben einfach keine Zeit, alles im Internet zu lesen, sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, Philanthropen, Schauspieler, Markenbotschafter, Teilzeitquadbiker oder was auch immer zu sein. Dazu kommt noch, dass Menschen, denen Musik etwas bedeutet, sich immer wieder über das Gleiche beschweren werden, in der Annahme, dass sich etwas ändert, wenn sie nur penetrant genug sind.

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Natürlich wird sich absolut gar nichts ändern. Einige Dinge werden einfach für immer bestehen bleiben und es tut mir wirklich leid, aber genau wie bei der nicht gerade einvernehmlichen Beziehung, die du mit dem süßen kleinen feuchten Fleck über deinem Bett eingehst, gibt es leider ein paar Dinge, an die du dich gewöhnen musst. Hier ist eine Liste mit allem, mit dem die Leute in der Musik endlich mal klarkommen müssen.

HANDYKAMERAS AUF KONZERTEN

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Es sind meistens alte Menschen, die sich darüber aufregen, vor allem weil sie selber noch nie ein Social Media-Profil hatten, das sie am Laufen halten mussten. Wenn sie mal sterben, werden sie nichts außer einem Grabstein und einem Familienstreit um die verschreibungspflichtigen Medikamente hinterlassen. Wenn dann aber endlich die ganzen heutigen Teenager miteinander in die Kiste springen, kann ihr Nachwuchs den turbulenten Lebensstil der Eltern mitsamt migräneverursachenden Videos von Kanye Wests Ausrastern und Abermilliarden von Drake Instagram-Posts aufrechterhalten. Jack Black, She and Him und Prince haben alle schon versucht, Handys von ihren Konzerten zu verbannen. Verstehen die nicht, dass Technologie nicht einfach verschwinden wird? Dass wir eines Tages dazu in der Lage sein werden, einen Live-Stream von unseren Augen zu senden? Dass wir niemandem wehtun, sondern lediglich immer alles aufnehmen, damit es für die Ewigkeit hält? Die Beschwerde darüber, dass die Menschen die Show nicht genießen können, wenn sie die ganze Zeit ihre iPhones hochhalten, ist ein netter Gedanke; er zeigt, dass du dir mehr Sorgen um das Vergnügen anderer Menschen machst, als um dein eigenes. Aber spar dir deine Ratschläge. Wir sind alle alt genug, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen und unser Konto zu überziehen. Sei egoistisch, ignorier die ganzen Leute, die ständig alles aufzeichnen wollen, und konzentrier dich mehr darauf, selbst Spaß zu haben.

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CASTINGSHOWS WIE X-FACTOR

Shows wie X-Factor sind in den letzten zehn Jahren allgegenwärtig. Ein Ende davon ist nicht abzusehen und die Sendung ist eine beliebte Zielscheibe für Musikfans, die gerne darüber grübeln, warum eine Sendung, die Millionen von Euros umsetzt und Europas größten Fernsehwettbewerb darstellt, noch immer existiert. Ist X-Factor schlecht für Musik? Nein. Es ist einfach eine Sendung, die sich deine Mutter gerne anguckt. Sie ist nicht für Leute konzipiert, die sich gerne über die Bedeutung von Pitchforks Album des Jahres den Kopf zerbrechen, sondern für eine Zielgruppe, für die der perfekte Samstagabend eine Flasche mittelklassigen Wein und Kabelfernsehen beinhaltet. Mach es einfach wie bei einer langen Beziehung, tu so als ob die ganzen schlechten Seiten gar nicht da wären, denk an die ganzen Eltern. Und schon sieht alles viel besser aus.

DIE SACHE MIT DEM SELLOUT

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Obwohl es inzwischen ziemlich unmöglich geworden ist, seinen Lebensunterhalt nur mit einer halbwegs erfolgreichen EP zu bestreiten, sind viele Menschen immer noch genervt, wenn eine Indie-Band merkt, dass sie eigentlich doch nicht so viel Bock darauf hat, sich jeden Abend in der Restekiste vom Lidl auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen, sondern doch lieber den 400.000 Euro Scheck von McDonalds annimmt. Die Hater leben alle in der Vergangenheit, als Integrität noch eine andere Bedeutung hatte und ein Song seine ganzen Qualitäten verlor, sobald er zusammen mit einer Montage aus fröhlichen Pärchen gezeigt wurde oder mit den Bildern aus dem neuen Epos von Martin Scorsese. Natürlich ist das nicht so. Selbst wenn irgendetwas als Soundtrack für die YouTube-Werbung, die du nach 5 Sekunden überspringen kannst, verwendet wird, wen interessiert das? Ein guter Song ist und bleibt ein guter Song und wenn du etwas anderes denkst, sorry, aber dann bist du ein Vollidiot mit Hang zum Launischen. Wir brauchen alle etwas zu essen und, WARTE, für welche Firma arbeitest du eigentlich noch mal?*

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*Falls du Weihnachtsbäume fällst, um sie an irgendeiner gottverlassenen Landstraße zu verkaufen, und dementsprechend dein eigener Boss bist, dann bist du entschuldigt.

MENSCHEN, DIE SICH DARÜBER AUFREGEN WERDEN, DASS SICH DIESER ARTIKEL ÜBER SACHEN AUFREGT, ÜBER DIE ANDERE LEUTE AUFHÖREN SOLLEN, SICH AUFZUREGEN, UND DIE SICH DARÜBER IN DER KOMMENTARSPALTE AUFREGEN WERDEN

Toll gemacht, du Flachpfeife. Brauchst du einen Job?

FANS, DIE SICH DARÜBER AUFREGEN, DASS [BANDNAME BITTE HIER EINFÜGEN] NICHT BEI SPOTIFY SIND

Der Mensch ist ein gieriges Wesen. Gib uns eine Bar mit kostenlosen Drinks und wir beschweren uns, dass noch fünf andere Leute anstehen. Mach uns ein Kompliment und wir kleben dir eine Woche lang am Hintern und betteln um Zuneigung. Und wenn du uns einen kostenlosen Musikservice gibst, der fast jeden Song enthält, der jemals aufgenommen wurde, werden wir uns darüber beschweren, dass er nicht wirklich jeden einzelnen Song der Welt enthält.

DASS [BANDNAME BITTE HIER EINFÜGEN] SICH DARÜBER BESCHWERT, BEI SPOTIFY ZU SEIN

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Auf der anderen Seite gibt es wiederum Künstler, die es hassen bei Spotify zu sein—in erster Linie Thom Yorke und sein Buchclub. Ihnen sage ich: Hi, habt ihr das nicht schon direkt zu Beginn versaut, als ihr euer Album einfach gratis rausgegeben habt?!

DOWNLOADEN

Und dann gibt es noch diese Vollpfeifen. Menschen, die dir erzählen, dass MP3s einfach falsch sind. Sie denken, dass du dir, obwohl du dir im Handumdrehen gratis Musik besorgen kannst, lieber überteuerte physische Tonträger kaufen solltest, weil echte Kunst eben auf schön aufgemachte Dinge beschränkt ist, die du auch anfassen kannst. Nur, um es euch hier mal kurz zu sagen: Leute wie ihr habt die Musikindustrie in den Ruin getrieben, da ihr es nicht hinbekommen habt, auf Napster umzusteigen, sondern einfach weiter versucht habt, Doppelalben für 25 Euro zu verkaufen.

SICH DARÜBER AUFZUREGEN, DASS KANYE WEST EIN ARSCHLOCH IST

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SICH DARÜBER AUFZUREGEN, DASS MILEY CYRUS EIN ARSCHLOCH IST

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SICH DARÜBER AUFZUREGEN, DASS ALLE ANDEREN ARSCHLÖCHER SIND

Arschlöcher werden einfach immer Arschlöcher bleiben. So ist das.

DEN TOD VON GITARRENMUSIK

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Es ist jetzt ungefähr fünf Jahre her, dass Gitarrenmusik gestorben ist. Fünfzehn, wenn du schon Kinder hast. Dreißig, wenn du Rentner bist. Fünfzig, wenn du tot bist. Solange Fender allerdings noch Gitarren baut und Erwachsene labile Kinder in die Welt setzen, wird auch die Gitarrenmusik wohl am Leben bleiben. Das einzige, was sich dabei ändert, ist die Definition einer Generation, falls sie clever genug ist, zu merken, dass die gesamte musikalische Bandbreite nicht nur auf die immergleichen drei Bands beschränkt ist, die von den Mainstream-Musikmagazinen jede Woche behandelt werden. Eigentlich beschweren sich die Leute, die den Tod von Gitarrenmusik beklagen, darüber, dass es keine neuen Bands gibt, die ihren limitierten Horizont bedienen, der auf der ersten Band, die sie mit 13 gesehen haben, basiert.

[Falls nötig, kannst du die Grundzutaten des oberen Abschnittes auch auf jedes andere Genre beziehen, einmal gut durschütteln und wiederholen]

DARÜBER, DASS AWARD-SHOWS BESCHISSEN SIND

Irgendjemand ist immer angepisst, dass seine Lieblingsband nicht den Award für das Album des Jahres gewonnen hat. Was bringt dir auch schon dein persönlicher Geschmack, wenn du ihn dir nicht von irgendwelchen wildfremden Juroren bestätigen lassen kannst? Die meisten Award-Shows werden auch immer beschissen bleiben, denn die Leute, die dafür verantwortlich sind, haben doch etwas andere Interessen, als das Album auszuwählen, mit dem sie sich „wirklich verbunden gefühlt haben“ und das sie dazu gebracht hat, ihre komplette Kindheit zu überdenken. Sich über so etwas zu beschweren, ist also irgendwie überflüssig. Ihr wisst schon, dass die Entscheidung darüber, wer bei den Grammys oder dem Echo auftritt, in erster Linie von den Verkaufszahlen oder den Major-Labels gefällt wird, die den Awards in diesem Jahr vorsitzen, oder? Wenn du wirklich SOOO emotional bei der Sache bist, dann lad doch ein paar Freunde ein, kauf ein paar Flaschen Prosecco und buch ein paar preiswerte Promis, dann kannst du deine eigenen Awards abhalten. Mach’s dir doch einfach selbst, du kleiner Frechdachs. Oder, weißt du was? Komm einfach darüber hinweg und merk endlich, dass Musik kein Wettbewerb ist.

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SICH DARÜBER AUFREGEN, DASS LEUTE ÜBER EIN FESTIVALS TWITTERN, AUF DEM DU NICHT BIST

Das ist quasi das Äquivalent der heutigen Generation dazu, nicht am selben Pausentisch wie deine Freunde sitzen zu können. Stell dich nicht so an, es heißt bei Twitter nicht ohne Grund „Folgen“.

SICH DARÜBER BESCHWEREN, DASS DIE LIEBLINGSBAND DEN SOUND VERÄNDERT HAT

Es ist ziemlich gut belegt, dass ein Mensch nicht der gleiche Mensch ist, wie er noch vor zehn Jahren war. Komischerweise schließen wir berühmte Menschen immer von dieser Regel aus, als wären sie ein Produkt, dass niemals von seiner perfekten Formel abweichen darf. Wie kann Kanye es nur wagen, ein Album zu machen, dass sich in keiner Weise wie The College Dropout anhört?! / Ich kann gar nicht verstehen, warum Miley Cyrus nicht für immer ein Teenie mit einer wirklich beeindruckenden Kollektion an Schlaghosen bleiben wollte?! / Ich bin so enttäuscht, dass Hanson nie wieder einen so guten Song wie „Mmmmbop“ gemacht haben.

Es ist nicht so, dass die Beschwerden nicht berechtigt sind, aber es ist einfach so, dass Künstler uns nichts schuldig sind. Was hat dir denn mit 13 gefallen? Ich habe gerne Löcher in meine Pullover gerissen, bin mit meinem Fahrrad alle möglichen Treffpunkte abgefahren, um meine Freunde zu finden, und habe mir gerne eine Tüte ‚Gemischtes’ vom Kiosk geholt. Jetzt bewirkt bei mir alleine der Gedanke daran, BMX zu fahren, nachdem ich mir ungefähr 57 Colakracher einverleibt habe, ein großes Verlangen nach einem Mittagsschläfchen. Mir geht es da so wie jedem Musiker. Glaubst du Kanye mochte vor zehn Jahren pinke Polohemden und Rucksäcke? Tja, jetzt trägt er einen Rock. Das hier ist das Menschen-können-sich-ändern-Land, es ist ein toller Ort, ihr seid alle eingeladen!

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