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„Hilfe, mein Kind hört Deutschrap“

Was können verzweifelte Mütter tun, wenn ihre Kinder Deutschrap hören? Wir haben uns in Foren schlau gemacht.

Jede Generation hat ihre Musik, mit der sie in der Pubertät gegen die Eltern rebellieren will. Unsere Omas hatten Rock'n'Roll, unsere Eltern Punk und wir hatten die Qual der Wahl: Grindcore, Assipunk oder doch lieber Deutschrap? Die Entscheidung wurde uns dann Mitte der 00er von Aggro Berlin und Bushido abgenommen. Seitdem sind zehn Jahre vergangen und noch immer erzittern die Kinderzimmer einer neuen Generation von den Bässen der Deutschrapper. Egal, ob Bushido, Sido, Kollegah oder sogar dieser Spongebozz—den Eltern läuft dank des Musikgeschmacks ihrer Kinder noch immer der Gallensaft aus den Mundwinkeln. Denn die alten Fragen bleiben: Was hört denn mein Kind für eine gefährliche Musik? Wird der Nachwuchs jetzt zum gewaltgeilen Frauen -und Schwulenhasser? Sollte ich ihm solche Musik nicht verbieten? Oder würde ich ihn damit noch weiter radikalisieren?

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Da niemand mit solchen Fragen gerne alleine dasteht, suchen viele Eltern Rat in Internetforen, wo sie von verständnisvollen Kollegen wertvolle Tipps erhalten. Wir haben uns mal in dieser düsteren Ecke des Internets umgesehen und gelernt, was Eltern tun können, wenn ihre Kinder plötzlich Deutschrap hören.

Der besorgte Vater sucht Hilfe, weil er nicht weiß, wie er seinen Sohn vom wortgewandten Teufel befreien soll. Zum Glück lernt er durch den als „hilfreichste Antwort“ gekürten Tipp, was bei so einem Schreckensszenario hilft: eine CD von JAW. An dieser Stelle möchten wir sowieso allen Eltern Menschenfeind von JAW und Hollywood Hank ans Herz legen, immerhin schlummert doch in jedem Menschen, der Nacht für Nacht von einem ohrenbetäubend laut heulenden Baby geweckt wird, um eine zugeschissene Windel zu wechseln und sich 13 Jahre später anhören zu dürfen, eine „dumme Nutte“ zu sein, nur eines: ein Menschenfeind.

Eigentlich wurde uns seit frühester Kindheit von heuchlerischen Lehrer verbal eingeprügelt, dass es keine dummen Fragen gäbe, nur dumme Antworten. Ist natürlich Unfug, wie so vieles, was in der Schule so verbreitet wird („Integralrechnung braucht ihr später mal!“) und hier haben wir den Beweis: Die ratlose Anne ist sich klugerweise sehr bewusst, dass es dumm wäre, ihrem Sohn Kollegah zu verbieten, weil das pädagogisch gesehen wie Fitness-Training mit Muskelkater wäre. Das weiß auch der schnell kommentierende Pamo, kann sich aber nicht zurückhalten, auf die klug gestellte Frage eine irritierend beleidigende Antwort zu finden: „Unreife Früchtchen wie dein Sohn und hohle Nüsse mögen das cool finden, doch die meisten Jugendlichen mit ein wenig Perspektive und Grips verlieren bald das Interesse daran.“

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Klingt ganz so, als fürchte die nette Mutter (die vielleicht denkt, 1933 sei ein gutes Jahr gewesen—oder die einfach 33 Jahre alt ist), dass ihr geliebter Sohn durch Deutschrap zu einem abgrundtief schlechten Menschen wird. Vielleicht ein bisschen übertrieben. Und tatsächlich raten ihr viele, ihren Sohn doch Aggro Berlin hören zu lassen. Jedenfalls so lange, bis er selber böse Wörter benutzt, denn dann ist Schluss mit tolerant, dann werden die CDs weggenommen und Sido und Co. vom Handy verbannt. Trotzdem überwiegt die Ansicht, dass das ja alles nur eine Phase sei und man später gemeinsam darüber lachen könnte. Immerhin habe man ja selbst damals „grausame“ Musik wie diesen „Arschl…“-Song von den Ärzten gehört. Ach ja, was war man damals doch rebellisch.

Obwohl die Ratlose ganz und gar unterschwellig einen direkten Zusammenhang zwischen Rap und Gewalt herstellen will, erklären ihr viele, dass es wohl eher an der familiären Situation liegt, dass die Kleine so durchdreht. Wobei Sido und Bushido trotzdem als Feinbilder ausgemacht werden. So meint Chrissi1410: „Ich halte von solcher Musik gar nichts, Sido und Bushido finde ich mit ihren Meinungen und ihren Texten das allerletzte.” Der hat gesessen. Userin Passwort setzt nach: „Mein Großer hört ja so'n Kram… Bushido DARF er nicht hören, möchte auch nicht, dass er das auf dem Handy hat… Das ist für mich der letzte Musiker, ohne Abstand und Moral.“ Der Abstand zwischen ihr und ihrem Sohn wird durch solche Einstellung vielleicht aber auch nicht gerade kleiner.

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Die gefragten Eltern sind sich ziemlich einig, dass das eigene Geld nun wirklich zu schade für HipHop-Merch wäre. Soll der Bengel sich den Kram doch selbst kaufen. Ob solche Verbote nun aber besonders schlau sind, darüber ist man sich uneinig. Claudia schlägt einen diplomatischen Mittelweg vor: „Wir haben es ihm [ihrem Sohn] nur insofern verboten, als dass der absolute Abschaum bei uns Hausverbot hat. Über den Rest (der mich teilweise auch zum Würgen bringt) haben wir lange und ausgiebig diskutiert.“ Leider sagt sie nicht, was sie unter „Abschaum“ versteht. Wahrscheinlich aber wieder der allseits verhasste Elternschreck Bushido. Oder doch nicht? Denn über dessen Film hat Claudia nichts wirklich Schlechtes zu sagen: „Soweit ich weiß, gibt sich der Mann geläutert.“

Auch hier wird von vielen Ratgebenden wieder darauf verwiesen, dass man das nicht so eng sehen, aber auf jeden Fall mit dem Knilch darüber sprechen sollte. Sei ja schon mal ein gutes Zeichen, dass er sich für die Texte vor seiner Mutter schäme. Das Schlusswort hat diesmal Knoeterich, die zwar einen Satz von sich gibt, den wir immer wieder bei anderen Fragen in abgewandelter Form gelesen haben, der aber nur hier komplett ins Schwarze trifft: „In ein paar Jahren wird er kopfschüttelnd überlegen, was er denn für einen Mist gehört hat.“

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