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Post Ringtone Music ist die Zukunft des Pop

Egal, ob du es liebst oder hasst, die seltsame Originalität dieser Musik kannst du nicht abstreiten.
Ryan Bassil
London, GB

Dieses Jahr ist etwas passiert, das mich alles in Frage stellen lassen hat: Die Lipgloss-Bloggerin und professionelle GIF-Macherin Bip Ling hat „BIPPING“—eine Ode an das Bloggen—über YouTube in die Welt geblasen. Die Meinungen waren geteilt; Cosmo hat Bipping zum neuen Twerken erhoben, mein Freund hingegen hat es als musikalischen Durchfall einer Partygängerin, die überall auf der Gästeliste steht, bezeichnet.

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Warum ich alles in Frage gestellt habe, lag darin, dass ich nicht herausfinden konnte, ob die Musik brillant war und ich meine komplette iTunes-Sammlung löschen und den Rest meines Lebens nur noch Bip Ling hören wollte oder ob die Musik furchtbar war und mich die Worte „Bipping. Mooching. Blogging. Blogging“, die sich wie eine Blogspot-Version von Und täglich grüßt das Murmeltier wiederholen, in den Wahnsinn treiben.

So etwas in der Art passiert mir hin und wieder. Das kann durch eine Komposition hervorgerufen werden, die die Grenzen eines Sounds sprengt, einen Song von Nelly, in dem er gesteht, wie sehr er sich zu einem Auto hingezogen fühlt oder ein paar japanische Mädchen, die in einem Speed Metal-Song darüber singen, dass sie Schokolade essen wollen, dies aber nicht können, da Mars-Riegel dick machen. Egal, was es ist; alles, was zählt, ist, dass die Songs meinen Sinn für Musik, bzw. was gute Musik ist, verwirren. Es sind die Art von Songs, die auf massiven Widerstand stoßen können: Entweder du spielst es allen vor und sagst, dass es das Beste auf der Welt ist, bis dir höflich gesagt wird, dass du dich verpissen sollst oder du spielst es allen vor und sagst, dass es das Schlimmste auf der Welt ist, bis dir höflich gesagt wird, dass du dich verpissen sollst. So oder so ist es anders als alles andere und das Internet wurde dazu erfunden, dies mit anderen zu teilen.

Hannah Diamond—von der du vielleicht noch nicht gehört hast—ist eine Künstlerin, die in diese Kategorie passt.

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Anfang des Jahres habe ich ihren Track „Pink and Blue“ gehört. Er ist wie ein Wiegenlied—nur für Teenager, die pinke Emojis über ihr iPhone verschicken. Der Track ist niedlich; er klingt nach unschuldigen Küssen und Zettelchen, die in der Klasse weitergegeben werden, aber auch schrill—wie als würde man in einem fremden Bett mit edlen Kissen schlafen, die eher beeindruckend als gemütlich sind. Ich habe es nicht verstanden.

Viele Monate—und zwei Songs—später kann ich immer noch nicht aufhören, das Zeug zu hören. Die Musik ist verlockend, unschuldig und verlangt danach, immer wieder gehört zu werden—egal, ob du nun denkst, dass sie gut oder schlecht ist. Ich habe wiederholt den Play-Knopf gedrückt und immer wieder versucht, es zu verstehen und je öfter ich das getan habe, desto mehr habe ich verstanden. Am Ende habe ich mich so gefühlt, als hätte ich jeden nicht gesendeten Twitter-Entwurf auf Hannahs Smartphone gelesen. Es war, als wäre ich auf die private Tumblr-Seite einer alten Ex-Freundin gestoßen; wie etwas, das nicht für dich bestimmt ist, aber das langsam, je mehr du davon liest, immer mehr Sinn ergibt. Es hat mich fasziniert.

Hannah—die vor einem Monat SOPHIE im Editions Hotel in London supportet hat—ist auf einem Plattenlabel namens PC Music. Dort finden sich eine Reihe Künstler, die ein Sound verbindet, der als Post Ringtone beschrieben werden kann. In den letzten elf Monaten hat das Label mindestens 40 Tracks auf seiner SoundCloud-Seite veröffentlicht und jeder davon ist gleichermaßen abstrus.

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Die Musik von Hannah ist für Leute gemacht, die zuhause sitzen und sich fragen, ob ihr Schwarm in einem Tweet vielleicht unterschwellig über sie spricht. Aber sie repräsentiert nur die eine Seite des Labels—die andere klingt so, als wäre sie für Leute gemacht, die keine Zeit verschwenden; sie finden ihren Schwarm, machen ihn zum Fuckbuddy und wundern sich dann, dass sie sich selbst das Herz gebrochen haben. Es ist direkt und brillant, schon beim ersten Hören.

Es gibt Songs wie „Broken Flowers“ von Danny L Harle, einer der besten Popsongs, die ich dieses Jahr gehört habe. A.G. Cooks „Did U Ever Love Me“—ein Song der auf das britische Äquivalent zu Solanges Label St Heron gehört (welches das auch immer sein mag). Und dann gibt es GFOTY—Girlfriend of the Year—die seit Jahren Musik veröffentlicht, früher einen Blog hatte und im The Mushpit zu sehen war.

Ich habe mich per Mail mit GFOTY unterhalten, um ein bisschen mehr über PC Music herauszufinden. Sie hat sich allerdings geweigert, Fragen über PC Music zu beantworten—vielleicht weil es ein riesiges Geheimnis ist. Wie auch immer, hier ist der Rest unserer Unterhaltung.

Noisey: Du heißt Girlfriend of the Year. Was bedeutet das?
GFOTY: GFOTY ist ein Geisteszustand, der nur durch tiefste Meditation an einem Strand in Barbados, umgeben von süßen Jetski-Lehrern, erreicht werden kann. Es ist eine ziemlich wilde Angelegenheit, die, wenn sie der Macht der falschen Freundin überlassen wird, dazu führen kann, dass sich die Red Bull Studios auflösen.

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Eine Zeile in „Bobby“ (ein Track über eine Trennung, der, auch wenn er total klischeehaft ist, das Beste ist, was GFOTY veröffentlicht hat) ist für mich herausragend—„I can’t remember anything as clearly as the day that we broke up / the day that we fucked up”. Sie ist sehr simpel, aber trifft einen direkt. Erzähl mir davon.
Mir hat einmal dieser Typ im Friseursalon die Haare geföhnt und er war total heiß, also habe ich seinen Namen herausgefunden und habe mich dann durch 53 Profile bei Facebook gearbeitet, bis ich ihn endlich gefunden habe und habe ihm dann eine Freundschaftsanfrage gesendet. Er hat mich eingeladen und hatte dieses wirklich protzige Apartment in Marylebone und dann hat er mich rausgeschmissen und ich habe herausgefunden, dass er eine Frau und Kinder hat :’( Es war eine ziemlich harte Zeit, wie du dir bestimmt denken kannst, aber ich bin damit ganz gut fertig geworden und einfach in einen anderen Salon gegangen.

Ist Tinder eine gute Sache? Ich schiebe die Leute immer nach rechts und werde dann zu ängstlich, um wirklich mit jemandem zu sprechen.
Tinder ist überhaupt nicht nett. Meine Daumenmuskulatur erlaubt es mir nur, sie nach links zu bewegen, wenn ich also jemanden nach rechts schieben will, benutze ich meine Zunge und wenn ich dann zu einem Date gehen will, liege ich krank im Bett, wegen der ganzen Bakterien, die über das Telefon in meinen Mund gelangt sind. :’(

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Jeder Künstler auf dem Label macht seine Musik in einer Rolle. Es sind Künstler, die in einer HTML- und SMS-Welt aufgewachsen sind; einem Mikrokosmos, der langsam auf das absolute Minimum reduziert wurde, mit Sätzen wie „ICH KANN GERADE NICHT" und kleinen Cartoon-Bildchen, die für Emotionen stehen. Es ist eine Sprache, die sich einfach als ungebildet und unerwachsen abtun ließe, aber das ist sie nicht; es sind Gefühle, die auf direkte Weise ausgedrückt werden.

Die Veröffentlichungen von PC Music sind nicht das Äquivalent zum neuen Internet-Dialog, aber sie fühlen sich davon inspiriert. Sie sind direkt und auf den Punkt. Und sie beinhalten eine Dosis Popmusik-Nostalgie; in einem Mix von GFOTY findet sich „Unbreak my Heart“.

Natürlich sollte man das Ganze nicht zu ernst nehmen. Die Musiker dahinter sind junge Erwachsene, die sich bewusst sind, was sie machen, keine Teenager, die unschuldig etwas veröffentlichen, an dem sie als Nebenprodukt ihrer Existenz gearbeitet haben. Aber es ist einzigartig—und selbst wenn du es mit Ablehnung hörst, kannst du die seltsame Originalität nicht abstreiten.

Für diese Art von Dingen wurde das Internet gemacht. Wie „Bipping“ wird es die Meinungen spalten und das ist genau der Punkt. Es ist das Internet und wir können damit machen, was auch immer wir wollen. Vorher hätte so ein Projekt nur innerhalb eines kleineren Nischenpublikums existiert, aber jetzt sind wir in der Lage, es aufzuspüren und, wenn wir wollen, Stunden damit zu verbringen, es zu erörtern. Ich mache lieber genau das, als mir blöde Singer-Songwriter mit christlichen Namen aufzwängen zu lassen.

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