So schauen Handtaschen um vier Uhr früh aus

Im letzten Monat habe ich den Wiener-Fortgehleuten die Beichte abgenommen. Herausgestellt hat sich, dass in die Passage geschissen worden ist, dass man nach dem Selbstbefriedigen weinen kann und dass man seriell(?!) monogam sein sollte, aber irgendwie alle hübschen Frauen ficken/lieben möchte. Menschen im verletzlichsten Zustand, nämlich dem Vier-Uhr-in-der-Früh-Zustand, nach den Abgründen ihres Innenlebens zu fragen bereitet mir große Freude. Teufelsmiley-Emoji.

Der Spiegel eines weiblichen Innenlebens um vier Uhr in der Früh ist die Handtasche. Beziehungsweise deren Inhalt. Was hat sie mitgenommen, bevor der Abend begann? Was hat sie im Laufe des Abends erworben? Was haben ihre handtaschelosen Freunde (=Kumpels) in ihre Obhut gegeben? Wie schaut der mysteriöse Ort „Handtasche“, den sich kein Mann vor das geistige Auge holen kann, nach einigen Stunden Party aus? Was haben die Handtasche und ihre Besitzerin noch vor?

Bewaffnet mit einer Kamera, keinerlei Scham und Anonymitäts-Beschwichtigungen bin ich nachts in Wien herumgezogen. Von wegen Make-up-Tascherl und Parfüm. Hättet ihr gerne. Ich habe eine Menge Bücher, Drogen und eine Packung Nachos gefunden. Und mit Stolz präsentiere ich euch die Wiener-Fortgeh-Frau des 21ten Jahrhunderts. Wirklich mit Stolz. Und mit meinem Kommentar. Ich habe mir zwar Kommentare der fotografierten Taschenträgerinnen geholt, aber es war auch für mich vier Uhr in der Früh. Betrachtet das deshalb bitte nicht als LÜGENPRESSE.

Handtasche Nummer 1

Was sehen wir auf diesem Foto? McDonalds-Gutscheine, losen Tabak, lange Papers, einen offenen Lippenstift, Zigarettenstummel, Schminke, Pinsel, Feuerzeug, Kugelschreiber.

Was sagt die Besitzerin? „Kann ich das Foto sehen? Oh okay, hier sind meine Dreh-Tschick also. Ah und die Mäcci-Gutscheine! Magst du einen haben? By the way: Nieder mit OCB!“

Was denke ich? Das ist die perfekte Tasche für ein erstes Date. Schminkzeug zum Freshmachen, Papes und loser Tabak zum Bauen. Abgerundet wird das Traumdate durch einen Gang zum exquisten McDonalds, wo es für die beiden Turteltauben ein Menü zu speziellen Konditionen geben wird.

Handtasche Nummer 2

Was sehen wir? Ein iPhone-Ladegerät, rosa Taschentücher, rosa Tschick, rote Tschick, ein Buch, ein trendy Geldbörsel, Kopfhörer und eine mysteriöse Dose.

Was sagt die Besitzerin? „Klar darfst du, ich habe ja nichts zu verstecken.“

Was denke ich? Die Tasche ist für die Uhrzeit viel zu ordentlich. In der Dose befindet sich eine biologische Massenvernichtungswaffe. Wir werden von außerirdischen Wesen angegriffen. Das Buch dient zur Tarnung. Oder es sind O.B. in der Dose.

Handtasche Nummer 3

Was sehen wir? Pailletten, ein Deo, eine Einwegkamera, chemische Drogen, natürliche Drogen, legale Drogen und ein Geldbörsel.

Was sagt die Besitzerin? „Ja das ist Gras und ein Brief'l. Warte—wie anonym ist das? Mein Freund denkt, dass ich wenig trinke, weil ich immer so nüchtern heimkomme. Haha.“

Was denke ich? Dieses Weibchen hat Party erfunden, und sie lebt das auch aus. Mit einem Deo, Pailletten und ungefähr jeder Sparte von Drogen, die es gibt, kann sie nur ein Party-Kracher sein. Vielleicht wird sie bald wieder Single sein.

Handtasche Nummer 4

Was sehen wir?: Tschick, Handy, einen Pass und einen Schuh.

Was sagt die Besitzerin? „Naja, falls mir die Füße wehtun. Aber irgendwie passt der zweite nicht wirklich in die Tasche. Ich muss ihn mit mir tragen. Ich glaube, wenn ich die Schuhe wechsle, passt überhaupt kein einziger Schuh in die Tasche.“

Was denke ich? I feel ya sister. Wer kennt das nicht? Eine viel zu kleine Tasche für viel zu tolle Ideen. Wenn die Ballerinas kaum Platz haben, haben die High-Heels natürlich erst recht keinen Platz.

Handtasche Nummer 5

Was sehen wir? Diese Postkarten, die es gratis gibt, Kopfhörer, Handy und zwei Arten von Geldbörsen.

Was sagt die Besitzerin? „All black everything. Immer wenn ich betrunken bin, fange ich an, diese Postkarten zu sammeln.“

Was denke ich?: Jemand, der gerne doppelt Geld ausgibt, aber auf der anderen Seite Gratis-Postkarten nicht aufgegeben hat? Wahrscheinlich eine Träumerin und eine naive, aber liebe Seele.

Handtasche Nummer 6

Was sehen wir?: Binden, eine leere OCB-Packung, einen Filter, Schlüssel, Handy, Pass.

Was sagt die Besitzerin? „Ich habe meine Tage und keine Papers mehr. Hab ich jetzt zumindest irgendeine Art von Trostpreis gewonnen? Nein ernsthaft, hast du Papers?“

Was denke ich?: Du arme Sau.

Handtasche Nummer 7

Was sehen wir?: Ein sehr, sehr schlaues Buch, eine Geldbörse mit einem Schriftzug, Drehzeug für Tschick, Tabak, ein Baggy in einer Tasche, ein schwarzes Sackerl, ein Comic-Notizbuch, einen ungelösten Fahrschein.

Was sagt die Besitzerin? „Ich weiß ja selber nicht, was da drin ist.“

Was denke ich: Wer so cool ist, verdient es das zu hören: Du bist cool.

Handtasche Nummer 8

Was sehen wir?: Eine Videokarte, zusammengerollte 20 Euro, ein gelbes kleines Briefchen.

Was sagt die Besitzerin? „Schlüssel und Handy habe ich in Hosentaschen bei mir. In der Tasche ist nur das Notwendigste."

Was denke ich? Warum nimmt sie eine Videokarte aus Plastik mit? Warum sind die 20 Euro zusammengerollt und nicht zusammengefaltet? Was ist in dem gelben Ding?

Handtasche Nummer 9

Was sehen wir?: Medikamente, zwei Taschentuch-Packungen, zwei iPhone-Kabel, Makava

Was sagt die Besitzerin? „Eigentlich bin ich krank."

Was wir denken: Also ob man im Bett oder beim Tanzen die Viren rausschwitzt, ist eigentlich egal. Hauptsache man kann im Notfall das I-Phone aufladen.

Handtasche Nummer 10

Was wir sehen: Nachos und einen Pulli.

Was sagt die Besitzerin? „Hahahahaha. Oh Mann. Hahhahahahaha."

Was denke ich?: Eine wahre Chillerin hat immer etwas für den Heißhunger am Start.

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