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„Es wäre doch geil, wenn wir leuchten“—Gudrun von Laxenburg im Interview

Wir haben mit Gudrun von Laxenburg im von der Schließung bedrohten mo.ë über ihr neues Album, Performance und die Notwenigkeit von künstlerischen Freiräumen gesprochen.

Alle Fotos vom Autor.

Gudrun von Laxenburg haben die Band-Märchengeschichte, die es im dotcom-Zeitalter eigentlich nicht mehr geben dürfte. Gudrun von Laxenburg hat sich bei einer spontanen Jamsession bei der Filmpremiere einer Bekannten getroffen und werden bald ihr Debutalbum PANIC! auf Skint veröffentlichen—bei dem Label, bei dem auch Fatboy Slim unterschrieben hat. Die erste Single des neuen Albums kommt im April. Wir haben mit ihnen über die Wichtigkeit von Freiräumen, das Nicht-Wertschätzen von Kunst, das Problem, den lebendigen Livesound auf Platte zu kriegen und über DJ-Sets gesprochen. Das Interview fand im mo.ë in Wien statt. Das mo.ë ist ein künstlerischer Freiraum, der nun durch Immobilienspekulationen vor dem Ende steht—VICE berichtete. Gudrun von Laxenburg haben ihr ganzes Album in Künstlerzentren, autonomen Freiräumen und ähnlichen Institutionen aufgenommen und möchten darauf hinweisen, dass diese Freiräume notwendig sind und immer mehr in Bedrängnis geraten.

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Noisey: Die erste Single vom neuen Album kommt im April raus. Was hat sich geändert? Was macht ihr anders, im Gegensatz zu eurem vorigen Material?
Daniel: Wir arbeiten… viel… mehr. [alle lachen] Es hat sich überhaupt das Bandprojekt von einem reinen Spaßprojekt zu einer für uns recht ernsten Sache entwickelt. Die Qualität ist dadurch immer wichtiger geworden und alles, was wir machen, muss auch Hand und Fuß haben. Dieses Gesamtpaket auf ein neues Level zu bringen, bedeutet einfach viel daran zu arbeiten und viele Sachen zu machen, die auch nichts mit Musik zu tun haben. Das ist es, was sich größtenteils verändert hat. Ansonsten machen wir nach wie vor das, was wir vorher gemacht haben. Wir versuchen nur es besser zu machen, in Wirklichkeit.
Julian: Wir versuchen uns einfach auf die nächste Ebene zu heben, das entwickelt sich ja ständig weiter.

Seht ihr euch eher als Musiker oder als Performance-Act, da ihr doch ein starkes visuelles Element habt. Gibt es zu Gudrun von Laxenburg eine Lore, eine Mystique, eine Backstory—wie Funk seine sexuellen Aliens hat?
Julian: Wir haben viel gebraint, was da jetzt die Backstory sein könnte, aber im Endeffekt gibt es keine. Ja, wir inszenieren auf der Bühne—aber das jetzt so überzuinszenieren, dass es nachher peinlich wird oder wir uns nicht mehr damit identifizieren können.
Daniel: Das alles hat sich auch natürlich entwickelt. Als wir unsere erste Show gespielt haben, haben wir uns gefragt: „Ja was wäre jetzt lustig?“ Das war glaub ich eh am Yppenplatz. Wir haben dann am Brunnenmarkt einen Haufen Blödsinn zum Anziehen eingekauft, der hoffentlich lustig war. Das hat sich dann über die Jahre immer mehr entwickelt und wir haben uns gedacht: „Es wäre doch geil, wenn wir leuchten, oder?“ Dann haben wir uns diese Anzüge gebastelt. So hat sich das stetig weiterentwickelt. Diese Bühnenpersonen sind eigentlich nur eine Inszenierung für das Konzert—für den Moment. Die Bühnenpersonas passen ja auch zu diesem elektronischen, technoiden Zeug. Der Gedanke „sollen wir da eine Story schreiben, sind wir diese Aliens vom Planeten xy“ ist uns schon gekommen, aber das passt irgendwie nicht zu uns.

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Ja ich glaube viele haben sich da einfach mal superbreit in eine Ecke gelegt und gesagt „das ist jetzt die Backstory“—egal wie dumm die dann war.
Daniel: Ja, wenn man das macht muss man es natürlich voll durchziehen. Da musst du auch der Typ dafür sein. Wie Money Boy zum Beispiel oder Die Antwoord. Da musst du Schauspieler genug sein, um das permanent durchzuziehen und das sind wir nicht und wollen wir auch nicht sein.

Unterstützt das Visuelle nicht nur die Musik, sondern greift das bei euch Hand in Hand?
Daniel: Wobei natürlich die Musik nach wie vor das Wichtigste ist—das sieht man auch, wenn man unseren Arbeitsaufwand betrachtet. Da fließt einfach am meisten Zeit in die Musik. Die Lichtshow ist ein zusätzliches Goodie zu dem Ganzen. Wir haben jetzt viereinhalb Jahre am ersten Album gearbeitet, weil das auch unserem Anspruch genügen muss. Das war extrem schwierig und wir haben das bis zum Erbrechen durchgekämpft.

Das ist meistens das Schwierige am Musikproduzieren—man weiß, wenns gut ist, aber man weiß nicht, wie man dorthin kommt.
Daniel: Genau. Das war absolut das Problem. Uns gibts live schon länger, denn als Studiomusiker. Live ist immer alles ur laut, es klingt ur fett, es gibt Bier, alle sind besoffen—dann machst du einen Song am Computer fertig und alle sagen nur „Najaa, is schon OK, aber live is viel besser“.
Christoph: Das war auch für uns der Anspruch, dass wir diese Energie, die du als Liveband auf der Bühne einfach hast, auf Platte zu bringen. Es ist auch egal, ob du eine Elektronikband bist oder eine Rockband bist, ich kenne da mehrere Beispiele die Probleme hatten, diesen Sound, diese Energie auf Platte zu bringen.

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Musik lebt immer vom Kontext.
Daniel: Es war ein massiver Soundfindungsprozess. Ich meine damit, es ist leichter, wenn du ein Album machst und dann damit auf Tour gehst. Dann ist das Album das erste, was die Leute von dir mitbekommen und du hast dann live noch die Steigerung davon.

Kann ich nicht ganz unterschreiben. Ich hab schon Bands live gesehen, die haben sehr viel vom Album auf die Bühne mitgenommen und du denkst dir dann nur „Oh, wow, das ist jetzt die CD in laut, nur weniger tight“ und du würdest es dir eigentlich lieber zuhause anhören, weil die Liveshow dem Ganzen überhaupt nichts dazugibt. Es ist langweilig. Ich erwarte mir da persönlich eine kleine Re-Interpretation—dass der Künstler auf den Kontext ‚Live-Show‘ eingeht—sonst bin ich enttäuscht.
Christoph: Da versuchen wir auch hinzukommen. Unser Credo oder Dogma ist wirklich, dass wir keine Playbacks mit auf die Bühne nehmen. Dann muss man sich auch entscheiden, welche Elemente man mit auf die Bühne nimmt und muss sich entscheiden, welches Element jetzt wichtig ist.

In eurem Song „Attack, Decay, Sustain, Release Me“ habt ihr den Chorus direkt von Prinz Pis „Wir bleiben immer Anti“ geklaut (Augenzwinkern, sic!).
Julian: Prinz Pi? Wann hat er das rausgebracht?

2008.
Julian: Wirklich?

Ist natürlich kein Vorwurf, ich wollte nur ein bisschen Sticheln und dachte „Yess, jetzt hab ich euch beim Klauen erwischt!“
Julian: Ich bin echt beeindruckt, dass du da so gut vorbereitet bist, dass du einfach Dinge weißt, die uns noch niemand gesagt hat. Musst du uns nachher schicken.

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Mache ich. Ihr spielt am Nuke. Was haltet ihr vom Nuke?
Julian: Ich war noch nie am Nuke.
Daniel: Ich war einmal dort, das war ziemlich lustig. Da war die U21 von der österreichischen Nationalmannschaft ziemlich weit in der EM, da gabs einen Monitor. Es waren alle bei der Fußballleinwand und haben sich nicht Wir Sind Helden angeschaut. Da war ich noch ein richtiger Festivalgeher—kann mich auch nicht mehr an zu viel erinnern.
Julian: Hat aber immer ein sehr sympathisches LineUp gehabt. Es waren nie diese super riesen Acts, sondern auch viele gute einheimische. Wann ist man zu alt für Club und Partygehen?
Daniel: Irgendwann wird's entweder langweilig für einen, außer man ist ein totaler Club-Head oder so, aber ich bin einfach etwas gesättigt. Man kriegt eh wieder mit, dass live wieder mehr zieht. Mich interessiert dieses reine Club-Gehen nicht mehr so. Aber das wird für jeden natürlich anders sein.
Julian: Ich glaube, man kann auch ehrlich sagen: Bis zu einem gewissen Alter gehen die Leute auch in den Club, um einfach aufreißen zu gehen—Frauen wie Männer.
Daniel: In einem gewissen Alter ist dir das Aufreißen ur wichtig und später halt eher nicht mehr.

Ihr macht ja alles live, also ihr seid eine Band, nur eben ohne Gitarre, was haltet ihr von der derzeitigen DJ-Glorifizierung?
Julian: Ich tu mir damit sicher nicht ganz leicht, weil wir das Pferd von der anderen Seite aufgezäumt haben. Wir sind eine Live-Band und der Veranstalter will dann gerne mal einen Namen auf dem LineUp stehen haben und meint dann: „Spielt doch ein DJ-Set“, weil das braucht weniger Equipment und nur eine kleinere Bühne. Wir sind eine Band, die kein DJ-Set spielen kann und auch nicht will.
Daniel: Es ist mittlerweile ja schon jeder DJ. Du kriegst echt viele DJ-Sets mit schlechtklingenden MP3s zu hören. Ich war zum Beispiel letztens in der Forelle und hab mir Todd Terje angesehen. Zuerst dachte ich, das ist live mit Schlagzeug, wars dann doch nicht. Er hat dann trotzdem noch seine Synth-Lines dazu gespielt und es war mega-fett.
Christoph: Das ist auch ein Grund, warum bei uns kein Laptop auf der Bühne steht. Es wäre nicht, dass wir etwas gegen Laptops hätten, aber du weißt halt nie, ob bei einem Laptop nicht die ganze Show vom Rechner kommt.
Daniel: Manche Leute glauben, der Lichttechniker fährt die ganze Show. Man hat ihn sogar einmal gefragt, ob er nicht etwas Chilligeres auflegen könnte.

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Erinnert mich an den Meshuggah-Lichttechniker, der einfach die ganzen Kick-Patterns mit den Fingern locker mitspielt, da gibts ein Video.
Daniel: Das müssen wir dann dem Vipz, unserem Lichttechniker, zeigen. Weil wir gerade vorher darüber geredet haben, wie schwer das ganze Licht-Tapping Zeug ist.

Zum Freiraum mo.ë. Ihr seid keine offiziellen Mitbesetzer oder?
Julian: Nein, nein sind wir nicht. Der Gedanke war, dass wir eine Location für ein Fotoshooting gebraucht haben. Eigentlich wollten wir das dort machen, wo wir unser Studio haben, das ist in einem autonomen Zentrum. Die Hausbewohner wollen das aber nicht. Die haben eine strikte Keine-Fotos-Policy und wir respektieren das natürlich. Im Prinzip geht es darum, dass wir unser Album ausschließlich in Freiräumen oder autonomen Zentren produziert haben. Das mo.ë ist kein Raum, den wir benutzt haben, aber er entspricht dem, was wir immer genutzt haben und deswegen solidarisieren wir uns mit dem mo.ë. Wir wollen auf das Problem mit den verschwindenden Freiräumen hinweisen.
Daniel: Diese Zentren und diese Freiräume, die es in Wien gibt, da entstehen einfach Sachen, man lernt Leute kennen. Auch bei uns in der Schönbrunnerstraße, wo wir waren. Da sind extrem viele Künstler und Ateliers gewesen und man befruchtet sich auch gegenseitig. Es ist ein extrem guter Vibe und dieser Freiraum erzeugt auch wieder Kreativität und das ist für die Kultur einfach extrem wichtig.
Julian: Deshalb ist es auch wichtig, Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit solcher Freiräume zu legen. Unser Album wäre ohne diese Freiräume nicht entstanden. Wir releasen jetzt auch über Skint, das Label auf dem auch Fatboy Slim ist und das ist für uns ein riesen Erfolg, der ohne diese Freiräume nicht möglich gewesen wäre. Es geht auch darum, dass man sich austauscht und ich habe das Gefühl, dass diese Räume überhaupt nicht wertgeschätzt werden.

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Von oben halt nicht.
Julian: Ja, von oben nicht. Wir bekommen jetzt Musikerförderung und wenn es eine staatliche Förderung ist, sollte man sich eigentlich auch einmal ansehen „woher kommt das?“, woher kommt diese Musik, die jetzt gefördert wird.

Da wären wir glaube ich wieder dabei, dass Musik Kontext braucht und ohne Kontext tut man sich viel schwerer.
Daniel: Es geht auch darum, dass dich die Muse küsst und wenn es so einen Vibe und einen Raum gibt, geht das einfach viel einfacher.

Ein Nährboden für eine Szene, der einfach nötig ist. Dieses Gesudere von „Österreicher sind International nicht erfolgreich“, kommt meiner Meinung nach einfach daher, weil keine große Szene dahinter ist.
Julian: Ich finde wir haben in Österreich schon eine sehr starke Szene.

Ich glaube, ich habe das ungeschickt formuliert. Wir haben eine starke Szene, aber wir tun uns schwer, damit eine relevante Szene zu haben. Damit man wirklich etwas eues, Relevantes machen kann braucht man eine sehr große und starke Szene in der man sich aufgehoben fühlt damit man zu dieser großen Blase an künstlerischem Achievement etwas dazutun kann.
Julian: Und denen auch den Freiraum lassen. Wenn das nicht gewertschätzt wird. Vor allem, wenn sich Leute keine Gedanken darüber machen, wo das abseits von Kunstuniversitäten—wo es extrem viel Politik gibt—stattfindet. Die Leute machen sich offensichtlich keine Gedanken darüber, wo das eigentlich herkommt.
Daniel: Das mit dem mo.ë hat uns auch etwas an den Pizzeria Anarchia-Fall erinnert. Vor allem war der Pizzeria Anarchia-Fall auch komplett absurd. Wenn der Besitzer zuerst sagt: „ja ihr könnt da wohnen“—nur um die anderen Bewohner hinauszuekeln. Wenn man hier nur für Business auf dem Rücken der Menschen so inhumane sachen macht, verstehe ich auch, warum da so die Wut hochkommt. Das war einfach alles eine ganz extreme Frechheit. Kapitalismus hin oder her, das ist einfach unmenschlich.

Danke für das Gespräch.

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