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In der Kirche des Trap-God: Gucci Manes Comeback-Show war ein Atlanta-Revival

Wir waren bei Guccis Manes Comeback-Show dabei—2 Chainz, OJ da Juiceman, Future und Drake übrigens auch.

Das letzte Mal, dass ich auf einem Gucci Mane Konzert war, war auch das letzte Mal, dass ich bei einem Ostergottesdienst in der Kirche war. Rückblickend hat das eigentlich ziemlich gut gepasst. Auch wenn sich beide Veranstaltungen inhaltlich an den völlig entgegengesetzten Polen des afroamerikanischen Lebens befinden, so erwecken sie doch bei ihren Besuchern das gleiche Gefühl freudiger Ausgelassenheit. Guccis Shows erinnern mich immer an den Spontangottesdienst einer Straßenkirche. Gucci ist dabei der charismatische Pfarrer, der seine ehrfürchtige Gemeinde mit Straßenpredigten und Liedern aus dem Gesangbuch der Hood versorgt. Und diese Gemeinde ist in den letzten Jahren stetig gewachsen—Jahren, in denen Guccis Zwangsurlaub ihn physisch von der Rapwelt ferngehalten hatte und Trap, zu dessen Pionieren er gehört, einen globalen Siegeszug hinlegte.

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Von seinen Karriereanfängen bis hin zu seinem Status als Trap-Gott, als den man ihn heute kennt, hat der Lauf der Dinge—egal ob Probleme mit dem Gesetz oder Streitereien im Geschäft—Gucci immer einen Schritt von der Dominanz des Rap-Business entfernt gehalten—eine Position, für die er eigentlich prädestiniert zu sein scheint. Gerade als er dabei war, das größte Southern-Rap-Label diesseits der 2000er aus dem Boden zu stampfen, wurde er eingebuchtet. Abgesehen davon, dass Gucci irgendwie mit jedem angesagten, jungen Produzenten in Atlanta verbandelt ist, liest sich die Liste der Künstler, die mit 1017 zu tun haben oder hatten, wie ein Who’s-Who der aktuellen Trap-Rap-Szene: OJ da Juiceman, Peewee Longway, Young Thug, Young Dolph, Migos, Chief Keef, Young Scooter und Waka Flocka Flame. Dank dieses guten Auges für Talent, kombiniert mit Guccis hervorragendem Geschäftssinn und unglaublicher Street Credibility standen für Mr. Zone 6 schon alle Zeichen darauf, der nächste Master P. zu werden. Aber dann kam die dreijährige Haftstrafe.

Guccis anhaltender Einfluss und seine unermüdliche Arbeitsmoral erlaubten es ihm jedoch, weiterhin relevant zu bleiben. Dank eines Haufen alter Verses veröffentlichte er während seiner Haftstrafe weiter neue Musik, bediente seine Diehard-Fans und gewann neue dazu. Die Legende des Trap-Gott wuchs und wuchs. Als er schließlich im Mai entlassen wurde, hätten die Erwartungen an ihn nicht höher sein können. Aber Gucci enttäuschte seine Fans nicht und veröffentlichte dann am Freitag sein neues Album mit dem passenden Namen Everybody Looking. Aus diesem Anlass fand am gleichen Abend auch sein erstes Konzert seit seiner Haftentlassung statt.

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Auf der Texttafel für die Show am Freitagabend—dem Abend, an dem sich die ganze Arbeit der letzten Jahre entladen sollte—, stand einfach nur "GUCCI AND FRIENDS". Wie bei diesen gigantischen Massengottesdiensten hatten sich die unterschiedlichsten Menschen verschiedenster Nationalitäten, alte und neue Gucci-Fans zur Rückkehr des Trap-Gott zusammengefunden. Bei dem momentan in Amerika vorherrschendem Klima war es großartig, wenn nicht sogar etwas surreal, diese ganzen Individuen in friedlicher Eintracht zu sehen. Alle waren sie da: weiße College-Girls, Yuppies, prollige Verbindungstypen, Schwarze und Weiße aus den unteren Schichten, Gangster und alles dazwischen sowieso. Die Polizeipräsenz war wesentlich entspannter, als ich bei einer Atlanta-Rap-Show erwartet hätte—wir sprechen hier immerhin von Gucci Mane im Fox Theatre. Am Abholschalter ging es zwar zu wie im Irrenhaus, aber auch hier zeigten sich alle Mitarbeiter von ihrer besten Seite, waren hilfreich und geduldig. Die Angestellten waren genau so aufgeregt auf die Show wie die Gäste. Eine Frau vom Abholschalter rief sogar in die Menge: "Beeilt euch und holt euch eure Tickets, damit ich mein Baby, Gucci, sehen kann."

Die feierliche Stimmung sollte auch den ganzen Abend über anhalten. Als ich den Saal betrat, wurde ich erstmal von einer Rauchwolke jeder erdenklichen Geruchsnote eingehüllt. Dass ich den Anfang der Show verpasst hatte, machte mir gar nichts aus. "Lemonade" dröhnte gerade von der Bühne und selbst vom Eingang aus konnte ich Guccis Diamantenkette und seinen paillettenbesetzten Trap-Michael-Jackson-Blazer funkeln sehen. Für eine Minute konnte ich nicht anders, als völlig gebannt und ehrfürchtig so dazustehen. Der Platzanweiser musste fast schon handgreiflich werden, um mich von der Stelle und zu meinem Sitz zu führen.

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Guccis Rückkehr wird Atlantas Trapszene ordentlich durcheinanderbringen—und wenn die Energie dieser Nacht als ein irgendwie gearteter Indikator interpretiert werden kann, dann bewegt sie sich in eine positive Richtung. Einen Mann zu sehen, der wiederholt allen Widrigkeiten getrotzt und hart für seinen Erfolg gearbeitet hat, hier auftreten, seine Freiheit feiern und die Früchte jahrelanger Arbeit zusammen mit seinen begeisterten Fans ernten zu sehen, war eine unglaublich bewegende Erfahrung. Dass DJ Holiday auch noch als Resident DJ und Hypeman dabei war, verstärkte diese Erfahrung nur. Er verpasste keinen Beat und haute in genau den richtigen Momenten Drops mit "Gucci’s home!" und "Holiday season!" raus. Nachdem er ein paar ausgewählte Klassiker abgeliefert hatte, holte Gucci den ersten seiner Freunde auf die Bühne: OJ da Juiceman. Die Reaktion des Publikums lässt sich in etwa so beschreiben, wie ich mir die Reaktion der Bürger Pompejis zum Vulkanausbruch vorstelle: die Party, die alle Partys in den Schatten stellt. Und so sollte es auch den ganzen Abend weitergehen. Keisha Ka’oir (ehemals Dior) kam mehrmals während seiner Trap-Liebeslieder zu ihm auf die Bühne. Das Paar stellte seine charismatische Beziehung zur Schau und bei "I Think I Love Her" stieg sie sogar mit ein und gab eine kleine Twerk-Einlage.

Seine Diskographie ist gigantisch und er spielte davon einen Haufen Hood-Klassiker, Fanlieblinge und Radiohits, inklusive "That’s My Hood", "Freaky Girl" und "Photoshoot". Gucci war immer schon ein großartiger und herausragender Performer gewesen, aber an diesem Abend war er ein neuer Mane. Er spittete jedes Wort fehlerfrei und ließ sich kaum Zeit zum Luftholen. Sein Workout-Programm scheint ihm wirklich gut zu tun. Gucci gab maximale Energie, Verse für Verse. Er füllte die komplette Bühne aus, tanzte und steckte die Fans mit seinem Enthusiasmus an—nicht dass die viel Ermunterung gebraucht hätten.

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Guccis weiteren Freunde an diesem Abend waren 2 Chainz, Youg Dolph, Peewee Longway, Fetty Wap, Future und Drake. Alle hießen Gucci zu Hause willkommen und verloren ein paar Worte darüber, was der Trap-Gott ihnen bedeutete und spielten ein paar Songs, bevor sie dann wieder von der Bühne gingen. Es passte einfach alles. Drake gab "Summer ’16" und ein paar Songs mit Future zum Besten, bevor er dann als Hypeman bis zum Ende der Show dabei blieb. Ich habe alle Künstler, die dort aufgetreten sind, schon mehrere Male live gesehen und ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass sie hier einige ihrer besten Sets überhaupt spielten: Guccis Energie hatte sie offensichtlich angesteckt. Er für seinen Teil schien genau so glücklich wie die Fans und Rapper selbst zu sein. Es machte richtig Spaß, Gucci fröhlich neben den Legenden des Atlanta-Rap und Freunden tanzen zu sehen, als wäre er nie weggewesen. Nichts davon kam gezwungen oder aufgesetzt rüber und alle Gastauftritte fügten sich organisch in Guccis eigene Performance.

Gegen Ende des Abends machte sich Gucci an Material von seinem neuen Album, Everybody Looking, das überraschend viele Menschen aus dem Publikum bereits kannten. Sein letzter Song war "First Day Out the Feds"—der erste Track, den er nach seiner Freilassung veröffentlicht hatte. Es war ein mehr als stimmiges Ende und beinahe eine Art Statement: Jetzt würde Guccis neue Ära beginnen.

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Und genau so fühlte es ich auch an. Wir alle waren hier gemeinsam Zeuge eines großartigen Konzerts geworden, das ohne offensichtliche Streits über die Bühne gegangen war. Alle waren glücklich, zufrieden und würden danach auch unbeschadet wieder nach Hause kommen. Für mich und viele anderen Menschen in Atlanta hat Gucci einen besonderen Platz in unserem Herzen. Wir alle haben ihm dabei zugeschaut, wie er sich von ganz unten zu einem Megastar und einer wahren Inspiration für seine Heimatstadt gemausert hatte. Gucci ist sich der Bewunderung, die ihm entgegenschläft, durchaus bewusst und gab an diesem Abend alles mit seiner Performance zurück. Während der Show bedankte er sich unzählige Male beim Publikum. Er war eine lange Zeit fortgewesen, gekreuzigt vom Rechtssystem und drei Jahre später wieder auferstanden, um seine Jünger um sich zu scharen. Das hier war sie gewesen, die stürmische Wiedereinkehr in seiner Heimatstadt, der Anbruch eines neuen Kapitels im Testament des Trap-Gott.

Richposlim hängt sein "Free Gucci"-Shirt jetzt mit Freude an den Haken. Folgt ihm bei Twitter.

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