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Fünf Meinungen zu Bilderbuch in Wien

Fünf Leute aus der Redaktion waren gestern in der Arena. Deshalb gibt es von uns auch gleich fünf wertlose Meinungen.

Alle Fotos: Verena Bogner

Gestern war es dann endlich soweit. Bilderbuch, Tourabschluss, das Konzert, auf das alle gewartet haben. Allein aus unserer Redaktion waren fünf Leute dort. Als wir dann nach dem Konzert begonnen haben zu reden, haben wir gemerkt, dass die Meinungen auseinander gehen. Und deshalb gibt es jetzt gleich fünf Kurzreviews des Konzerts in der Arena. Man kann an der Länge der Reviews übrigens gut ablesen, wer gestern wie viel getrunken hat.

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Oh, der Leib Christi! (Markus)

Ich verstehe nicht viel von Musik. Als Jugendlicher habe ich Science-fiction-CDs gesammelt, auf denen englische Orchester die Theme-Songs von Doctor Who und Battlestar Galactica nachspielten (vermutlich aus Copyright-Gründen) und seit einer Woche höre ich das neue Kendrick Lamar-Album, weil das irgendwie jeder tut. Mein letztes Konzert vor Bilderbuch ist zwar erst eine Woche her und fand ebenfalls in der Arena Wien statt; allerdings war die Band damals Goblin—die Italo-Synthpop-Gruppe, die den Horror auf die Tonspur von so ziemlich jedem Dario Argento-Film der 70er brachte. Ich bin musikalisch also zirka so cool wie euer Onkel, der stolz seinen Handy-Holster beim Fortgehen herzeigt oder die Friseurin im Dorf eures Vertrauens, die euch die „freche Frisur" aus dem Lookbook von 1999 einreden will. Wenn ihr nach einer musikalisch fundierten Expertise sucht, seid ihr mit anderen Noisey-Schreibern vermutlich besser bedient. Jedenfalls hat mir das Bilderbuch-Konzert getaugt und ich musste an zwei, drei Stellen sogar mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und dann wieder zurück verlagern, was bei Leuten wie mir als „Mitwippen" durchgeht. Die Bühnenpräsenz war jahrmarktsreif, die Show auf herrlich unprätentiöse Art theatralisch (die Song-Ankündigungen übrigens auch) und die Songs selbst waren perfekter Pop und weit weg von allem, wozu Menschen in Rollkragenpullis mal „postmodern" gesagt haben. Trotzdem hatte ich meine Probleme mit dem Konzert. Sie hatten wenig mit der Musik und erstaunlicherweise noch weniger mit der hohen Dichte von jungen Männern in Merchandise zu tun. Meine Probleme spielten sich zwischen mir und Maurice Ernst ab. Wie soll ich das am besten erklären: Es gibt Sänger, die schaffen es, dass man mit ihnen mitjubeln will. Und es gibt Sänger, bei denen man das Gefühl hat, dass sie angejubelt werden wollen. Der Unterschied klingt vielleicht akademisch, aber bei ersteren fühlt man sich wie auf einer Sauftour mit Freunden und bei zweiteren wie ein kleines Fangirl. Das passt zwar irgendwie ganz gut dazu, dass Maurice Ernst eine „Rock'n'roll-Messe" veranstalten wollte (in der Kirche begegnen sich Prediger und Gläubige ja auch eher nicht auf Augenhöhe), aber es macht einem auch schmerzlich bewusst, dass man selber kein „Maschin" T-Shirt trägt und damit hier zu den Uncoolen gehört. Vielleicht ist das die Kehrseite davon, wenn jemand aus Österreich wieder richtig klassischen, guten Poprock macht. Und ja, klar, das ist irgendwie auch ziemlich Falco und hat in Wien eine gute Tradition. Aber irgendwie würde ich halt auch von Falco keine Pop-Hostien empfangen wollen. Vielleicht bin ich zu alt und zu ungläublich. Das einzige, was ich mit ziemlicher Sicherheit weiß, ist, dass das zum Glück alles egal ist, wenn man Schick Schock beim Autofahren hört—und dass Bilderbuch trotz ihrem Namen halt nicht in erster Linie zum Anschauen da sind.

Ah, meine Libido! (Verena)

Als Bilderbuch angefangen haben, „Softdrink" zu spielen, habe ich meine Freundin gefragt, ob ihre Libido das wohl noch ertragen kann. Ihre Antwort war: „Sicher, ich bin sowieso schon drei Mal gekommen." Das Bilderbuch-Konzert in der Arena war eine bloße Aneinanderreihung von sexy Songs, die mich—traurig aber wahr—in Wallungen versetzt haben, die ich seit viel zu langer Zeit so nicht erleben durfte. Jeder einzelne Song war einwandfrei gespielt, und, ich hätte es nicht gedacht, „OM" war vielleicht sogar der beste Song des Abends. Obwohl das Publikum anfangs zugegebenermaßen ein bisschen lahm war, haben die vier Burschen auf der Bühne so lange mit den knackigen Popos gewackelt, bis alle es ihnen gleich getan haben. Mittlerweile wissen die vier Klosterschüler einfach, dass sie geil sind. Kein Wunder, bei einer ausverkauften Tour und Hallen voller feuchter Höschen.

Ah, mein Uterus! (Hanna)

Bilderbuch fand ich sehr lange nicht gut. Weshalb, kann ich im Nachhinein gar nicht genau erklären und nach gestern sowieso nicht mehr. Bilderbuch funktionieren auf der Bühne noch viel besser als auf jede andere Art und da lässt sich sogar verkraften, dass man sich zwischen lauter kreischenden 17-jährigen befindet, die jede einzelne Songzeile auswendig können und bei „Maschin" kurz versuchen, so etwas wie einen Moshpit für Vorschüler zu starten. Und man vergisst auch, dass der nach Babys schreiende Uterus von Männern in „Maschin"-Merchandise umgeben ist, was wohl der einzige Typ Mann ist, den ich prinzipiell und kategorisch für immer und in jeder Lebenslage als Vater meiner Kinder ausschließen kann. Aus zwei Gründen schreibe ich gerade über Babys: Ich habe nach dem Konzert noch keine einzige Sekunde geschlafen und fühle mich, als wäre meine biologische Uhr schon vor Jahrzehnten abgelaufen und außerdem will ich viele musikalische Babys vom Schlagzeuger. Gute Nacht.

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Schäm dich, Wien. (Jonas)

Hmm. Was soll man dazu sagen? Bilderbuch sind neben Königleopold aktuell natürlich eine der richtigsten Live-Bands Österreichs. Die Show war natürlich wirklich gut und souverän. Wenn man Bilderbuch einmal live gesehen hat, kann man auch überhaupt nicht verstehen, wie sie überhaupt mit Austropop in Verbindung gebracht werden können. Das ist teilweise Glamrock in Perfektion, und man verzeiht der Band auch Gitarrensoli. Aber leider wollte der Funke gestern nicht so richtig überspringen. Erst ab „Plansch" wachten die Leute für die letzten 4,5 Nummern ein bisschen auf. Die Crew, die mit auf der gesamten Tour war, siedelte das Wiener Publikum wohl mit Recht „im unterem Drittel" an. Woran lag's? Ich reihe mal in Columbo-Manier die verdächtigen Thesen auf: 1. Zu hohe Erwartungen. Es war der Tourabschluss in Bilderbuchs Heimatstadt und in dem Land, in dem sie gerade hyperventilierend gefeiert werden. Sowas hat natürlich immer eine ziemliche Fallhöhe. 2. Hoher Bekanntheitsgrad. Auch wenn Bilderbuch gerade in Deutschland aufpoppen, gibt es die Band halt auch schon zehn Jahre. Sie haben in den vergangenen zwei Jahren im WUK gespielt, im brut, beim Donauinselfest, als Vorgruppe von den Beatsteaks. Nein, Österreich ist alles andere als Bilderbuch-müde. Aber in Deutschland ist das halt was Neues, die Crowd kennt eigentlich nur Schick Schock, während in Wien Leute auch immer noch ein bisschen auf „Moonboots" warten. 3. Wien ist oasch. Stock im Arsch, wissen wir eh. Und vielleicht auch ein bisschen zu viele Musikjournalisten wie ich, die eher hinten ein bischen wohlwollend mitnicken. Da muss sich Wien einfach an die eigene Nase fassen. Und ein bisschen schämen.

*Stöhn* (Nicole)

Ich war zu lange auf der After Show Party. Geht's alle scheißen.

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