FYI.

This story is over 5 years old.

Noisey Blog

The whitest boys alive—Frequency, Tag 2

Ja, wir sind immer noch da. Und leben.

Alle Fotos: Christopher Glanzl

Alle Leute, mit denen ich am zweiten Tag des FM4 Frequency Festivals rede, sind sich einig: Der Freitag ist vom Line Up her der schwächste der drei Tage. Das kann allerdings auch daran liegen, dass ich mich bevorzugt mit Menschen umgebe, die ohnehin meiner Meinung sind. Das kommt so mit dem Alter. Gebt also hier nicht zu viel auf meine Meinung.

Der Tag beginnt ähnlich wie der Donnerstag: ankommen, Bussis geben, Bier trinken, Menschen im Presse-Bereich „Und, fit?“ fragen (die Antwort ist immer „Geht so.“), mit einem halben Ohr den Wombats zuhören, die zu ihrer Hochphase jung und nett waren und jetzt nur noch nett sind. Die Karawane aus Wiener Journalisten und Mitarbeitern der Musikindustrie bewegt sich danach zur Green Stage, um sich Frittenbude anzuhören, die zufällig an dem Tag auch ihr viertes Album Küken des Orion releasen. Jeder nimmt sich fest vor, die Band gut zu finden. Auch ich. Es sind ja auch sympathische Jungs auf einem sympathischen Label aus einer sympathischen Stadt, die dazu noch sympathische Meinungen vertreten und immer wieder Pro-Flüchtlings-Statements in und zwischen ihren Songs verbreiten. Leider ist das Konzert wirklich eher langweilig. Die Songs klingen live noch ähnlicher und ein wenig eintöniger als auf Platte. Die etwas härteren Nummern kicken nicht richtig, und die sanfteren wie der Überhit „Mindestens in 1000 Jahren“ verlieren live durch die Überperformance. Weil ich die Band mag, hoffe ich, dass das eher eine Ausnahme war. Ich befürchte aber, dass auch die Jungs von Frittenbude das grundsätzliche Dilemma linker Tanzmusik nicht auflösen können. Über dieses Dilemma hat ja schon mal jemand einen klugen Text geschrieben. Wer war das nochmal? Ach ja, ich. Kleine Notiz am Rande: Neben mir unterhalten sich Menschen darüber, dass Tinder am Frequency sehr viel ergiebiger ist als Grindr. Verdammte Heteronormativität.

Anzeige

Während ich mich kurz bei Simple Plan frage, warum so unvorstellbar viele Menschen die Texte mitsingen können und mir erzählen lasse, dass bei The Last Internationale am Ende zahlreiche Nudisten mit Pappherzen auf der Bühne getanzt haben (OK, sie trugen Unterwäsche), beginnt drüben schon Kwabs. Die Performance des britischen Shooting Stars wird von verschiedenen Menschen unterschiedlich bewertet werden—eine Sache, die sich irgendwie durch den gesamten Freitag zieht, was ja auch nicht schlimm ist. Einigen ist der Auftritt der siebenköpfigen Band zu glatt, ich find es ziemlich gut. Verglichen zum Beispiel mit Jungle vielleicht ein bisschen zu soulig und zu wenig R'n'B, aber doch. Kwabs macht übrigens zwischendurch auch mal fünf Minuten lang einfach nur „Woohoooo!“. Der Junge hat auf jeden Fall noch ein paar goldene Jahre vor sich, darin sind sich dann doch alle einig. Zu Nero sag ich lieber nichts, weil ich mir vorgenommen habe, freundlicher zu sein.

Nach Kwabs füllt sich die Fläche vor der Green Stage, weil jetzt ein Quintett kommt, auf das hier alle Menschen zwischen 15 und 45 Jahren gewartet haben. Mich verstört der Auftritt von The Offspring ehrlich gesagt ein bisschen. Nicht, dass die fünf alten Männer das nicht gut machen würden. Sie kommen auf die Bühne, geben die Bühnenansagen zum Besten, die sie wahrscheinlich überall im selben Tonfall zum Besten geben, und reihen professionell Hit an Hit. Ich kann lange nicht benennen, was ich da so komisch finde. Es ist gar nicht mal die Tatsache, dass ich zahlreiche dieser Hits schon in der Volksschule gehört habe. Das find ich nicht schlimm. Aber als der Schlagzeuger eine Ansage macht, die so in jede mittelmäßige High School-Komödie gepasst hätte („We're gonna party till each and everyone of us is getting laid tonight!“) und alle jubeln, wird es mir schlagartig klar: Das ist glaube ich die weißeste Veranstaltung, auf der ich je war. Und das kommt von einem Mann, der schon einmal ein Yung Lean-Konzert besucht hat.

Anzeige

Nachdem die whitest boys alive die Bühne verlassen und alle bis auf mich glücklich zurückgelassen haben, teilt sich die Menge auf: Die eine Hälfte fährt wieder zurück nach Wien, die andere geht zu The Prodigy. Auch wenn ich als Disclaimer voranstellen möchte, dass nicht jeder meiner Meinung war, kann ich an dieser Stelle sagen: The Prodigy waren richtig gut. Ja, die Songs sind alle sehr ähnlich, und man hätte daraus sicher ein Medley machen können, ohne das die Songwechsel groß aufgefallen wären. Aber The Prodigy machen etwas, was man von Headlinern auf großen Festivals gar nicht so richtig gewohnt ist: Sie reißen sich den Arsch auf. Die Menge vor der Bühne ist ziemlich groß, schreit, tanzt und geht mit. Beachtlicherweise gar nicht nur zu Hits wie „Firestarter“ oder „Smack My Bitch Up“, sondern durchgehend. Was eventuell mit der oben beschriebenen Medley-Struktur zu tun hat. Aber ich will das jetzt nicht klein reden, das war schon super. Daumen rauf. Das war mehr, als ich von einem großen Headliner gewohnt bin.

Der Abstecher in den Nightpark ist dann eher enttäuschend. Nicht wegen dem Nightpark an sich. Doch leider langweilt sowohl Cyril Hahn, dessen Sets mittlerweile aus relativ standardisiertem Disco-House bestehen, als auch Klangkarussell. Ich hab ja nichts gegen die Salzburger. Ich persönlich empfinde das eher Lamo-House, aber es gefällt Leuten, und das darf es natürlich auch. Aber es bleibt auch live irgendwie Hintergrund-Musik, was ein bisschen schade ist. Weil heute dann ja Kendrick kommt, beschließe ich nach „Sonnentanz“ zu gehen. Zu dem Track kann ich übrigens wenig sagen. Außer: Es ist meiner Ansicht nacht rechtlich und moralisch OK, sich Samples von einer Sample-CD zu ziehen. Aber beim nächsten Mal bitte ein paar spannendere. Danke.

Anzeige

Das Frequency auf VICE und Noisey:

VICE

Wie du mit 10 Euro am Frequency überlebst

Frequency-Besucher über Flüchtlinge und den Sinn des Lebens

Das waren die Kostüme am Frequency

Diese Typen triffst du auf dem Frequency

Noisey

Ich habe versucht, der durchschnittlichste Besucher am Frequency zu sein

Ich habe einen meiner Frequency-Tage minutengenau protokolliert

My Festival Crib—So lebt ihr auf dem Frequency

Tagesberichte: Tag 1, Tag 2, Tag 3

Der Guide für Frequency-Daheimbleiber

Das Frequency-Bingo