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Suff mit der Familie – so machst du es richtig

Wenn man eine unhomogene und große Familie hat, sind Familienfeiern der Vorhof zur Hölle. Vor allem, wenn es Alkohol gibt.

Eine tatsächliche Familienfeier. Und die erste, die für mich lustig war. Alle Fotos von der Autorin.

Vor einiger Zeit habe ich einen Text darüber geschrieben, wie es ist, mit Geschwistern fortzugehen. Bereits in der Einleitung habe ich anklingen lassen, dass Fortgehen mit den Geschwistern zur Gattung „Familienfeier“ gehört, aber meistens viel angenehmer vonstatten geht. Familienfeiern sind nämlich die Feiern des Teufels. Der Vorhof zur Hölle. Das Schlimmste, was jedem, der am Tisch sitzt, passieren kann. Ja, auch deinen Großeltern.

Natürlich kann es sein, dass du zum Bruchteil der Menschheit gehörst, dessen Familie in Ordnung ist. Wo alle Generationen die selbe Weltanschauung haben, oder es zumindest im Rausch schaffen, kritische Themen wie Politik, Familiendramen und dein ehemaliges Schulschwänzen zu vermeiden. Auch liberale oder Großstadt-Familien—Freunde aus eben solchen berichten stets von einfacher Langeweile und nicht einer Krise der Extraklasse. Wenn dem so ist: Ich gratuliere dir und wünsche dir viel Spaß an Ostern.

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Die gefühlte Mehrheit der Menschen hat eine sehr umhomogene Familie—ein Teil kommt vom tiefsten Land, ein Teil ist rassistisch, der andere Teil total links. Ein Teil lebt in alten Strukturen aus 1960, ein anderer checkt alle zwei Minuten Facebook. Nicht zu vergessen die einzelnen psychischen Poscher—der Onkel Klaus, der ein bisschen ein Alkoholproblem und voll die Midlife-Crisis hat. Die paranoide Tante Gerti, die Angst vor allem Neuartigen hat und ihre Kinder auch 2016 ohne TV und Handy erzieht. Und sie somit die neue Generation von Familienmitgliedern mit Poschern heranzüchtet.

Der cholerische Opa, mit den rassistischen Parolen, der stets mit deiner Schwester streitet, die seit ihrem Sozialwissenschaftsstudium die KPÖ wählt. Ihr Freund, der die ganze kranke und morbide Familiendynamik gar nicht verstehen kann, weil man in diese Scheiße reingeboren werden muss.

Deine Mutter, die deine Aussetzer mit 16 nicht vergessen hat und sie als lustige Anekdoten betrachtet und deinem Vater, dem grundsätzlich alles egal ist. Dann ein paar laute, unerzogene Kinder und Pubertierende am Tisch und voilá—fertig ist eine klassische Familienfeier.

Die wichtigste Zutat: Mindestens zwei Liter Wein pro Person, abgerundet mit drei Obstlern. Und dahin geht die oberflächliche Harmonie und hier bist du—mittendrin, angesoffen und dich wundernd, wie in so einer Umgebung ein so wundervolles und nur halb-kaputtes Wesen wie du entstehen konnte. Du achtes Weltwunder, du.

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Da ich Slowakin bin und unser Osterfrühstück meistens schon mit einem Obstler startet—das ist Tradition und deshalb nicht verwerflich—und Erfahrungen mit Familienfeiern habe, in denen jemand (ich) meinem Cousin vor die Füße gekotzt hat, habe ich seit zehn Jahren meine Familienfeier-Strategie perfektioniert. Früher dachte ich, ich sollte mich ehrlich äußern und das meine Meinung zu politischen Themen oder Lebensansichten gefragt ist—ich erbärmlicher Narr. Hier die wichtigsten Ratschläge. Wenn du sie befolgst, wird auch deine Familienfeier ein Fest der Freude und des Zusammenhaltes. Und ganz ehrlich: Destruktive Familien bringen einfach die besten Persönlichkeiten hervor. Fad wird es auch nie. Kann man schon ruhig stolz sein. Oder so.

UNTERLAGE

Warum: Den Unterlagen-Tipp kennen wir seit unserer frühen Jugend und er ist allgemeingültig, wenn es um das gediegene Saufen geht. Bei der Familienfeier ist es aber doppelt von Bedeutung, dass du richtig reinhaust.

Erstens: Komm schon junger Erwachsener, wann wirst du wieder so viel gutes und warmes Essen in die Finger bekommen? Ohne dafür zu zahlen? Eben.
Zweitens: Das hier ist kein Spaß-Saufen, mein Soldat. Das hier ist advanced. Rüste dich.
Drittens: Je eher du Bauchweh und Übelkeit vor lauter Überfressen bekommst, desto glaubwürdiger kannst du dich verziehen.
Viertens: Du wirst dir bei deinem ersten Promille danken, dass du gegessen hast.

Wie: Du verwöhntes Kind vergisst jetzt mal den ganzen Scheiß mit der Sommerfigur. Du achtest jetzt auch nicht auf den essgestörten Teil der Familie und vergleichst dein Essverhalten. Auch ignorierst du Kommentare zu Figuren von älteren und frustrierten Familienmitgliedern. Du haust jetzt einfach rein wie ein Kind. Zu Ostern werden wir alle sowieso fett und niemand mag Menschen, die einen perfekten Körper haben.

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Was: Wie gesagt, scheiß auf den Salat und die Suppe. Geh gleich zum Braten über. Belegte Brötchen als Vorspeise. Als Nachspeise Kuchen. So zivilisiert du bei den Gesprächen bleiben solltest—so unzivilisiert solltest du reinhauen.

SAUFEN

Warum: Blöde Frage—alle trinken, weil es sich so in Europa gehört. Sich zusammen anzusaufen symbolisiert Freude und Genuss am Leben. Eigentlich geht es aber beim Berauschen viel um Verdrängung und ganz viel darum, dass man Spaß bei etwas empfindet, was eigentlich nicht Spaß macht. Mit der Familie länger als zwei Stunden zu verbringen, wäre so ein äußerst treffendes Beispiel. Die Frage nach dem Warum stellt sich also nicht. Es ist ja nicht so, dass wenn du nüchtern bleibst, dein cholerischer Onkel auch nüchtern bleibt. Es wird—wie so oft im Leben—nicht erträglicher, wenn du nichts trinkst.

Wie: Trinke bewusst. Nicht so einfach—ich weiß. Deine Psyche wird dir flüstern, dass besinnungsloses Abschießen der Weg zum Ziel ist, aber das ist nicht wahr. Bleibe—wenn möglich—bei einem leichten Schwips.Trinke zwischendurch ein Glas Wasser. Führe die Regel „Ein Schluck pro zehn Minuten“ ein. Ja, es klingt hart und du wirst es nicht immer schaffen—aber du kannst das.

Was: Fange mit einfachen Dingen wie weißen Spritzern und Bier an. Bleib dabei, wenn es möglich ist. Selbstgebrannter ist nicht einmal mit deinen Kumpels eine gute Idee. Versuche nicht aufzufallen. Wenn alle mit einem Obstler—im Familienjargon auch oft „Appertif“, „Digestif“ oder „Geheimrezept und Familienstolz“ genannt—anstoßen, dann stoße auch an. Bediene dich einfach nicht selbstständig, heize die Trinksituation nicht auf und um Gottes Willen, trinke nicht heimlich vor. Das ist eine entsetzliche Idee und so kotzt du nur deinem Cousin zweiten Grades vor die Füße. Das kannst du dir dann so lange anhören, bis alle anwesenden Familienmitglieder verstorben sind. Also für immer.

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THEMEN

Warum: Schau, sich unvorbereitet hinzusetzen und einfach Sachen zu sagen, die dir spontan durch dein betrunkenes Hirn geistern: So einen liberalen Scheiß kannst du bei deinen Freunden bringen. Aber nicht bei der Familie. Kommunikation ist das A und O einer guten familiären Beziehung und wenn du die richtige Art von Kommunikation beherrschst, wird es ein lustiger Nachmittag oder Abend.

Wie: Öffne deinen Mund nur wenn du gefragt wirst. Streue ab und zu Komplimente. Meide Blickkontakt mit den Familienmitgliedern, die gerne sticheln. Wenn sie sticheln, lache darüber. Versuche dich nicht auf Streit einzulassen. Steige ja nicht auf politische Grundsatzgespräche ein. Sie werden fix auftauchen, aber du mein Freund, ja du hast keine Meinung. Nicht heute. Ob Cannabis legalisiert werden sollte oder nicht, ob die Obergrenze für Flüchtlinge richtig ist oder unlogischer, rechter Scheiss—alles Themen für deine Freunde, die ähnlich denken wie du. Nicht für deine Familie.

Was: Sprich offen Themen aus deinem Leben an—wenn sie zum Angeben geeignet sind. Du hast Prüfungen geschafft? Einen Job? Einen Partner? Alle Dinge, die toll sind, kannst du locker erwähnen. Vermeide Vergleiche—vergleiche dich nicht mit deinen Eltern, Geschwistern, Cousins und auch nicht mit deinen Freunden, die deine Familie kennt. Ungeeignet als Thema sind Erziehungsfehler, die deiner Meinung nach, bei dir oder grundsätzlich begangen wurden. Deine wirkliche Meinung ist überhaupt ein schwieriges Thema.

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Ganz harte Genossen können Sätze mit „In der Pubertät war ich ja schwierig“ beginnen lassen. Es ist wichtig zu wissen, dass alle Familien drei Dinge lieben: Einsicht, Verständnis und eine Stock-im-Arsch-Lebensweise. Wenn sie das Gefühl haben, dass du diese drei Dinge hast, wirst du nicht zum Ziel sondern als ein Familienmitglied gewertet, aus dem „was g’scheid’s geworden ist“. Erwarte dir um Gottes Willen nicht, dass sie so etwas wie Einsicht oder Verständnis zeigen. Wenn dann erst nach dem fünften Achterl.

AUFTRITT

Warum: Dein Äußeres und dein Sitzplatz sind weitere wichtige Faktoren, die in der normalen Welt eher egal sind, aber bei der Familie wichtig werden. Dein Äußeres einfach deshalb, weil es zum Ziel eines gehässigen Mitglieds werden könnte. Ich für meinen Teil werde nie wieder ein Pulli mit einem Fleck tragen. Weil ich nie wieder hören möchte, wie „heruntergekommen“ ich aussehe. Auch werde ich nie wieder wie verletztes Wild am Ende des Tisches sitzen, das nur darauf wartet, erlegt zu werden. Schön auf der Seite bleiben. Das Ziel ist: Nicht aufzufallen.

Wie: Pflege dich vor der Feier. Geh duschen, mach deine Haare (ganz wichtig), zieh sauberes, frisches Zeug an und setze ein leicht debiles und freundliches Lächeln auf. Seitenscheitel oder Perlenohrringe? Warum eigentlich the fuck nicht? Scheiß drauf, dass du sonst abgefuckt durch die Gegend rennst. Das müssen sie nicht wissen und das sollen sie auch nicht wissen.

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Sitzplan: Setze dich auf einem Eckplatz. Oder entlang des Tisches. Wenn es dir möglich ist, umgebe dich mit Familienmitgliedern, die gerne nüchtern sind, denen das Ganze egal ist und die umgänglich sind. Ja, solche gibt es auch auf jeder Familienfeier. Du musst nur fest nachdenken. Schlimmstenfalls umgebe dich mit Partnern von Familienmitgliedern—sie sind immer die friedlichsten und meistens damit beschäftigt peinlich berührt zu sein und einen netten, offenen Anschluss zu finden.

Was: Ich habe die besten Erfahrungen mit Jeans und Hemd gemacht. Oder Rock und Hemd. Nicht gut funktioniert hat: Mein Emo-Outfit. Outfits, die mein Tattoo zeigen. Schmutzige Sachen. Abgefuckte Turnschuhe (auch wenn es limitierte AirMax sind). T-Shirts aus Amsterdam. Side-Cut oder unfrisierte Haare.

Fredi wünscht auch auf Twitter viel Erfolg: @schla_wienerin

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