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Noisey Blog

Ein paar Dinge, die noch zum ESC zu sagen wären

Lob für den ORF, Buh für die Buh-Rufe und Gerechtigkeit für die Makemakes.

Foto: Elena Volotova/EBU

So, Großevent vorbei. Der Eurovision Song Contest in Wien ging gestern reibungslos und ziemlich spektakulär über die Bühne. Mit dem bekannt unspektakulären Ende: Schweden gewann vor Russland und Italien. Das war exakt auch die Reihung bei den Buchmachern, womit man auch die Frage stellen darf, ob das nicht eine self fullfilling prophecy ist. Wenn vor dem Auftritt von Schweden in ganz Europa Moderatoren durchgeben, dass „jetzt der Favorit“ kommt, dann macht das natürlich etwas mit den Zuschauern.

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Ein paar Dinge waren eh wie jedes Jahr: Gewisse Länderblöcke schoben sich Punkte zu, was voll OK ist und außerhalb der deutschen Boulevardmedien auch niemanden aufregt. Beziehungsweise niemanden aufregen sollte. Wenn man sowas nicht will, soll man halt kein Publikumsvoting machen.

Vieles von dem, was wir von Noisey-Seite zum ESC zu sagen haben, könnt ihr hier in unserem Live-Ticker nachlesen. Aber nach einer Nacht drüber schlafen hab ich das Gefühl, auf fünf Dinge noch einmal gesondert hinweisen zu wollen. Hier also noch ein paar gedankliche Notizen, die ich mir gestern und heute gemacht habt.

Die Jury-Publikum-Diskrepanz

Es ist nicht ganz einfach einzuschätzen, ob das musikalisch eher ein gutes oder schlechtes Jahr war. In meinem Freundeskreis und in den sozialen Netzwerken finden sich beide Meinungen. Interessant finde ich aber vor allem die Diskrepanz zwischen dem Publikums- und dem Jury-Voting.

WOW! Italien gewann haushoch bei Telefon-Voting, Schweden haushoch bei Jurys. #ESC2015 #Eurovision pic.twitter.com/2rhdY7g0mp

— marco schreuder (@marcoschreuder) 24. Mai 2015

Was kann man da herauslesen? Der italienische Amore-Sound kam offenbar bei den Nicht-Professionellen sehr viel besser an als bei den Auskennern. Umgekehrt eben bei der wirklich verdammt großartigen Lettin, die mit einem modernen Sound antrat, der halt irgendwie nicht so richtig in den Zuckerwatte- und Emotionsreigen des Song Contest passen wollte. Auch hier beachtlich: Österreich ist das einzige Land, das auch im Telefonvoting die Null stehen hat. Dafür kommen die Makemakes bei der Jury deutlich besser weg als es am Ende den Anschein hatte.

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Leave The Makemakes alone

Wenn wir eh schon mal bei den Makemakes sind: give them a break. Es kann eh ein Blasen-Ding sein, aber gestern tauchte dann ziemlich schnell einiges an Häme gegenüber der Band auf. Eh, wenn man als Gastgeber null Punkte bekommt, fordert es das ein bisschen heraus. Aber das ist eigentlich nicht gerecht gegenüber den Makemakes. Sie haben mit einem sehr soliden Popsong eine sehr solide Performance abgeliefert. Das Outfit und das brennende Piano hätte man eventuell überdenken können. Damit erfindet man keine Räder neu, aber man verdient dafür auch nicht, durch die sozialen Medien geprügelt zu werden. Die Makemakes hatten realistisch gesehen natürlich nie eine Chance. Ein kleines Land wie Österreich, das anders als die Skandinavier oder die Balkan-Staaten nicht auf relativ sichere Nachbarschaftshilfe bauen kann, braucht man natürlich eine sehr außergewöhnliche großartige und herausstechende Nummer, um erfolgreich zu sein. Die hatte Österreich nicht. Aber das ist ja jetzt auch nichts Neues. Natürlich darf man die Frage stellen, ob es die richtige Idee ist, mit einer durch und durch durchschnittlichen Nummer beim Heim-ESC anzutreten. Aber hey—es hat einen Vorentscheid gegeben. Das kann man den Makemakes schlecht ankreiden. Vielleicht wäre man mit der „Freak-Variante“ Johann Sebastian Bass ja wirklich besser gefahren. Wer das aber für sicher hält, fragt mal bei Alf Poier und Stefan Raab nach.

Den Makemakes wird das glaube ich überhaupt nicht schaden. Sie haben vorher netten, eher unspektakulären Pop-Rock gemacht, mit dem man in der Breite punktet, ohne den Respekt der Auskenner zu bekommen. Und sie werden jetzt genau das auch weiter machen. Nur dass die Breite eben noch breiter geworden ist. Sie haben sich im Zuge der ESC-Kampagne nicht lächerlich gemacht, immer ein klein bisschen ironische Distanz bewahrt. So auch in dem Video, das sie gestern noch gepostet haben:

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(function(d, s, id) { var js, fjs = d.getElementsByTagName(s)[0]; if (d.getElementById(id)) return; js = d.createElement(s); js.id = id; js.src = "//connect.facebook.net/en_GB/sdk.js#xfbml=1&version=v2.3"; fjs.parentNode.insertBefore(js, fjs);}(document, 'script', 'facebook-jssdk'));

We are the ZEROES of our time

Posted by

The Makemakes

on

Saturday, 23 May 2015

Die Makemakes sind ein leichtes Ziel, weil sie auch durch ihren Style immer noch ein bisschen Indie-Charme versprühen, aber keine Berührungsängste mit Ö3 haben. Das ist in Österreich eine gefährliche Variante. Wer aber damit klar kommt, dass er von bestimmten Leuten keine Schulterklopfer kriegt, der kann sogar in Österreich ganz gut von seiner Musik leben. Ich nenne da nur mal Julian Le Play.

Buh, Russland!

Polina Gagarina hat gestern nicht gewonnen, aber es hat lange so ausgeschaut. Wie schon im vergangenen Jahr buhte das Publikum bei jedem Punkt für Russland laut und vernehmlich mit. So lange, bis sich Conchita Wurst demonstrativ zu der Russin setzte. Leute, srsly? Ich weiß nicht, wogegen ihr mit euren Buhrufen protestieren wollt. Die russische Rolle in der Krim-Krise? Das wird Putin aber Angst machen. Die russische Gesetzgebung gegen Homosexualität? Ja, die ist skandalös. Aber warum bestraft ihr dann eine Sängerin, die sich im Vorfeld mehrfach demonstrativ mit Conchita Wurst gezeigt hat? Nur zwei weitere Gedanken: Wäre es nicht auch ein Zeichen gewesen, wenn das schwule Hochamt ESC nächstes Jahr in Moskau stattgefunden hätte? Und ist euch eigentlich klar, dass ihr einem Schweden zujubelt, der Homosexualität als „abnormal“ bezeichnet hat?

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Daumen rauf, ORF

Ja, als privates kleines Medium haben wir natürlich immer einen Heidenspaß daran, den gebührenfinanzierten Riesen ORF zu trollen. Oft ist die Kritik ja auch völlig berechtigt. Aber gestern hat der ORF (bis auf einige kleinere Dinge, wie die Werbeinschaltung zu unpassenden Momenten) eine sehr gute Show abgeliefert. Und wie gestern auch schon von anderen bemerkt: Grubinger ist nie eine falsche Wahl, braucht aber auch Mut.

Andi Knoll ist unter aller Sau

Man hatte leider am Ende das Gefühl, dass Andi Knoll bei seinem eigenen, privaten Saufspiel mitgemacht hätte. Ich möchte ehrlich gesagt nicht, dass ein öffentlich-rechtlicher Moderator den Hintern der deutschen Teilnehmerin Ann Sophie bewertet, über die ehemalige finnische Teilnehmerin bei der Punktevergabe sagt „sie hat ein bisschen zugelegt“ oder schmierige Aussagen über das Kleid der Niederländerin macht. Das geht echt bitte besser.

OK, und was bleibt? Eine sauteure Veranstaltung mit einem fucking enormen Werbewert. Österreich durfte sich der Welt toleranter präsentieren, als es eigentlich ist—wenn man sich die Kommentar-Spalten der Flüchtlings-Artikel anschaut. Passt schon. Aber jetzt so langsam bin ich froh, dass der Alltag wieder beginnt.

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