Durch die Jahre mit Justin Timberlake

Wenn du deine Karriere mit ein paar anderen Jungs startest, indem du stehend singst—oder lässig auf einem Stuhl hockst, bevor du beim Wendepunkt des Songs in die Höhe schnellst—sind deine Chancen ziemlich gering, eines Tages zu einem glaubwürdigen und respektierten Musiker heranzureifen. Man macht endlos Witze über dich, du bist mehr als suspekt und dein fragwürdig „trendiges" Bühnenoutfit und in Igel-Form gegeelte Haarspitzen, die du dir in deinen Anfängerjahren verhängnissvollerweiße als „in" einreden hast lassen, erschweren es dir zusätzlich einen Neuanfang zu machen. Aber ich liebe es, dass wir in einer Welt leben, in der sich Künstler fast so sehr verändern können, dass du es kaum glauben kannst, dass der *NSYNC-Justin die gleiche Person ist, die du heute kennst. Aber der großartige Mann, der die History of Rap mit Jimmy Fallon performt, ist der gleiche Junge, der bei TRL mit Schweißband und einer Nylon-Jacke aufgetreten ist. Wir würden dem smoothen Justin von heute keinen Gefallen tun, wenn wir nicht jede seiner Phasen feiern würden. Das ist nunmal Justin, und wenn wir das schon machen, dann müssen wir bis zu den frühen Anfängen zurück gehen. Also lass uns mit Star Search von 1993 beginnen, wo der der 11-jährige Justin Randall mit einem riesigen Cowboyhut auf die Bühne marschiert ist. Ich werde von diesem Shirt noch Jahre schwärmen.

Ein Jahr später wurde Timberlake für den The Mickey Mouse Club gecastet, wo er sein Talent in eine Glitzerkugel gepackt hat und sie in Amerikas Visage geschmettert hat. In der Show hat er auch JC Chasez kennengelernt, der später einer von Justins Bandkollegen der Top-of-the-Pops-Boyband-Erfahrung *NSYNC wurde. Sie wurden von Lou Perlman „entdeckt". Dank seinem lang laufendem Ponzi-Scheme sitzt Lou derzeit traurigerweiße seine Gefängnisstrafe von 25 Jahren ab. Noch trauriger ist nur die Geschichte von O-Town.

Wie alle großen Retorten-Bands wurden 'N SYNC gemeinsam in ein Haus gesteckt, wo sie ihre Egos und Komplexe zu etwas zusammenlegen konnten, das ich mir als wahnsinnige Mischung aus Ambition, Unterstützung und Neid vorstelle. Das Haus stand in Orlando, Florida. Also war Pleasure Island, der „Erwachsenen-Teil" von Disneyland, der passende Ort, um 'N SYNC ihre Songs das Erste Mal vorstellen zu lassen. Justin trat in einem klassischen, kragenlosen Hemd auf, das er mit einer Goldkette und Hosenträgern kombinierte. Wenn ihr darauf steht, Teenagerinnen wegen einer Band kreischen zu hören, von der sie noch nie zuvor gehört haben, raten wir euch, das Video anzuschauen. Außerdem sind die Synths fantastisch. Justin war zu diesem Zeitpunkt übrigens 14 Jahre alt.

Die Jungs hatten das Glück, bei BMG Ariola Munich gesinged zu werden und nach Schweden eingeflogen zu werden, um mit einigen der größten Pop-Zauberer der Welt Songs aufzunehmen. Darunter Max Martin (Katy Perry, Ace Of Base, Taylor Swift) und Denniz Pop.

Es gibt nicht viele Fotos der Band aus dieser Zeit, aber dieses hier macht einiges wett. Ich hatte völlig vergessen, dass sich Teenager eine Zeit lang so angezogen haben, als wären sie gerade vom Lift gehüpft und würden jetzt nach dem Snowboard suchen, dass sie irgendwo in einem Vorort abgestellt hätten. Ich glaube, ich hatte damals Justins Fleece-Jacke in Blau. Ich kombinierte sie gerne mit Sneakers, silbernen Hosen und dem kompletten Unwissen davon, wie idiotisch ich eigentlich dabei aussah. Beachtet bitte außerdem die Alien-haften Sonnenbrille. Komischerweise schaut Lance Bass auf diesem Foto am coolsten aus. Ja, Lance, wir wissen es: Du kennst Nirvana.

In Deutschland waren 'N SYNC bereits groß, bevor sie es irgendwo anders wurden. Aber wie hätten die Kids in Berlin dem Lächeln der Band auf ihrer ersten Single „I Want You Back" wiederstehen können? Und kann mir jemand bitte die „Club Version" des Songs besorgen? Justin stand zu dem Zeitpunkt darauf, nichts außer einer Weste, einer Goldkette und einer Florida-Bräune zu tragen. Sechs Monate nach dieser Single kam ihr Debüt heraus. Es schoss auf die Eins, und die Band explodierte förmlich überall in Europa wie ein Pickel. 1998, Justin war da bereits 17, unterschrieben sie bei RCA, und das Album wurde dem amerikanischen Markt angepasst. Justins Entscheidung, mit einer Wasserstoffblondierung zu experementieren, inspirierte leider auch die anderen Bandmitglieder zu „mutigeren" Looks.

Erinnert sich jemand an diese Skater-Ketten? Mit diesen massiven Metallperlen war man damals weit vorne dabei. Und wie gut ist bitte Lances Gold-Jacke mit dem floralen Muster? Ich glaube, meine Mutter hat letztens genau so etwas zu einer Hochzeit getragen. Justin hatte sich offenbar so sehr in die Lederjacke verliebt, dass er sie haben musste, auch wenn sie zwei Nummern zu groß war. Ich habe das dringende Bedürfnis, seine Ärmel aufzurollen, damit sie nicht in seinen Cornflakes landen.

Nach einem langsamen Start in Amerika kletterte das erneut ausgelegte Debüt *NSYNC schließlich auf die Neun. Ihr Erfolg hatte sicher auch damit zu tun, dass sie in Serie Sabrina, The Teenage Witch auftraten. Ich kann mich an die Szene nicht mehr wirklich erinnern, glaube aber, dass die Story ungefähr so war: Sabrinas Tanten waren damit beschäftigt, in ihrem Keller irgendwelche Piraten zu zähmen, so dass sich Sabrina mit einem magischen, falschen Ausweis auf ein 'NSYNC-Show schleichen konnte. Die Band performte ihren Song „Tearin' Up My Heart" und eroberte das Teenage-Amerika im Sturm.

Justins Look erinnerte zu der Zeit stark an Ramen Nudeln. Er trug außerdem stets eine riesige Halskette mit einem großen „T", einem großen „J" und einem großen „R“ um den Hals. Das stand wahrscheinlich für Justin Randall Timberlake.

Nach der klugen Entscheidung ein Weihnachtsalbum aufzunehmen und Lou Pearlman zu verklagen, waren 'N SYNC frei die Welt zu erobern. Kein Investor, Manager oder Stylist hielt sie mehr zurück. Sie waren ziemlich schnell gewachsen: Von einer Band, die nur in Deutschland groß war, zu einer Band, die von ihrem zweiten Album No Strings Attached innerhalb eines Tages eine Millionen CDs verkaufte. Lasst uns einen Moment innehalten und den Menschen erinnern, die CDs gekauft haben.

Zwischen 1999 und 2002 war Justin mit Britney Spears zusammen, wie jeder weiß. Sie waren das ultimative Power Couple des Pop. Sie führten uns durch die aufregenden und unheimlichen Y2K-Ängste und hinein in die vielversprechenden Nullerjahre. Und das alles taten sie in Ganzkörper-Jeans-Outfits.

Justin war von Britney völlig besessen. Sie war seine erste Liebe, und er hatte keine Scheu der Welt zu erzählen wie sehr er sie vergötterte. Bustin, wie ich sie damals genannt habe, hatten ungefähr dasselbe Styling-Niveau.

Sie waren das Spät-90er, Anfang-2000er-Liebespaar, und es schaute so aus, als könnten sie alles überstehen. Sogar die Schamhaare an Justins Kinn.

Aber im März 2002 änderte sich die Welt, wie wir sie damals kannten. Weißt du noch wo du warst, als du erfahren hast, dass Bustin sich getrennt haben? Justin war am Boden zerstört und sein Herz ist in kleine, blutige Fetzen Fleisch zersprungen. Bustins Trennung war noch dazu zur gleichen Zeit wie die Auszeit von *NSYNC. Justin stand vor dem Nichts—sowohl karriere- als auch modetechnisch. Justin hätte leicht in Vergessenheit geraten können—ein molliges Ex-Boyband-Mitglied, das man nur noch bei einer Reunion-Tour im Reality TV sieht, wo er ausführlich über seinen Valium-Missbrauch mit Lance Bass redet, der ihm das Händchen hält. Aber Justin ist eben nicht wie andere. (Bass ist übrigens ziemlich missgünstig was Timberlakes Erfolg angeht und widmet sich diesem Thema auch ausführlich in seiner Biografie Out Of Sync).

Am 14. Oktober 2002 veröffentlichte Justin seine neue Single „Like I Love You", eine wunderbare Neptunes-produzierte Wucht, mit der er das erste Mal seine neue, HipHop inspirierte Richtung präsentierte. Im dazugehörigen Video zeigte er sich auch stilistisch von einer ganz neuen Seite. Das schmierige Leder und die geschmacklosen Hosen wurden später in einem Feuer geopfert, das aufgrund der giftigen Stoffe für einen ernsthaften Lungenschaden für jeden innerhalb eines zehn Kilometer Radius sorgte. An ihre Stelle traten Hoodies, Jeans, die ihm auch fast perfekt passten und Beanies. Ein unauffälliger Look, welcher der Musik erlaubte in den Vordergrund zu treten. Obwohl er bei seinem Auftritt bei den VMAs am Anfang des Jahres noch nicht ganz dort war.

Ich hasse wirklich alles an diesem Outfit. Angefangen bei den glänzenden Leder-Säcken an seinen Beinen über die Fingerhandschuhe bis zum Hut. Er schaut so aus, als hätte er seine Mutter angerufen und sie gefragt, wie er HipHop ausschauen könnte.

Sein Solo-Album Justified verkauft weniger, als er von *NSYNC gewohnt war, war aber ein Kritikerliebling, und das hat seiner Karriere langfristig sicher mehr geholfen. Ich kann mich daran erinnern, dass Menschen, die nur auf „richtige Musik" standen, plötzlich auf Justin-Konzerte gingen und darüber redeten, dass er ja eigentlich mehrere Instrumente spielt. Das waren natürlich Douchebags, aber es hat gezeigt, dass Justin einen wichtigen Schritt in Richtung Credibility ging.

Justins Style blieb einfach, casual, und das stand ihm gut. Vielleicht war aber sein rasierter Kopf und der getrimmte Bart das Geheimnis seines Erfolgs. Komplizierte Behaarung ist etwas für Boybands, Porno-Darsteller und frisch pensionierte Männer.

2004, nachdem er Janet Jacksons Busen beim Super Bowl entblößt und die Phrase „wardrobe malfunction” in die Popkultur eingeführt hatte, ließ er seine Musik ruhen um Schauspieler zu werden. Neben großartigen Filmen wie Shrek The Third und Alpha Dog tauchte er als junger Elton John in Elton Johns Video zu „This Train Don't Stop Here Anymore" auf.

2006 kam FutureSex/LoveSounds heraus, und Justin war verkaufstechnisch wieder ganz vorne. 700.000 Kopien wurden in der ersten Woche verkauft.

Ein neues Album, ein neues Label, ein neuer Look: Mit 25 entdeckte Justin die Anzüge für sich. Es ist ungewöhnlich, einen Mann in einer Weste zu sehen, der sein Geld mit Tanzen verdient und keine Liebe zu Salsa hat, aber ich finde es super.

Zwischen 2007 und 2012 konzentrierte sich Justin wieder mehr auf die Schauspielerei. Auf dem roten Teppich hielt er sich an die dunklen Anzüge und fügte eine dunkle Brille hinzu.

Danach kehrte er mit seinem Album The 20/20 Experience wieder zur Musik zurück. The boy was back, uns sein erster Auftritt nach vier Jahren war stylish und elegant. Er war nun jemand, der problemlos einen 5:28 Minuten langen Track bei Saturday Night Live spielen konnte. Aber irgendetwas an ihm war anders.

ER HATTE SEIN HAAR GEGLÄTTET!

Jeder war verwirrt. Wie macht er das? Glätteisen? In Sachen Anzüge wurde er noch slicker. Wir reden hier von Fliegen und Dinner Jackets.

Kurz zusammengefasst: Justins Äußeres mit jedem Album besser und klüger. Dieser Bro ist der aktuelle King of Pop.

Genau wie Justin kämpft Elizabeth seit Jahren mit Locken. Sie ist auf Twitter: @sankles.