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Der Noisey-Drogenbericht zu den Bundesländern

Wir haben uns den Drogenbericht 2015 angesehen und in allen Bundesländern nachgefragt, wie die derzeitige Situation aussieht.

Bild: Vice Media

In Wien etablierte sich im letzten Halbjahr ein Drogenumschlagplatz entlang der U6, der bei vielen Anrainern in erster Linie Sicherheitsbedenken auslöste. SPÖ und ÖVP sehen die Ursache des Anstiegs von Drogendelikten vor allem bei der Strafrechtsreform, die mit Jänner in Kraft getreten ist. Mit dieser Reform wurden Dealer erst zur Therapie geschickt, wenn sie gewerbsmäßig Drogen verkauften—also mindestens 400 Euro im Monat damit verdienen. Diese Reform könnt ihr aber wieder vergessen, sie wurde Ende April im Nationalrat gekippt. Vereinfacht gesagt, können ab Juni bis zu zwei Jahre Haft verhängt werden, wenn an einem öffentlich zugänglichen Ort Suchtgift verkauft wird. Es stimmten übrigens nur ÖVP und SPÖ dafür, das Gesetz erneut zu ändern. Das genügte für eine Stimmenmehrheit. Alle anderen Parteien waren dagegen.

Die Wiener Linien reagierten mit der Einstellung von Sicherheitspersonal bereits selber auf die Dealer und betrieben damit vor allem Symptombekämpfung. Wirklich viel passiert ist dabei bis jetzt noch nicht. Bei den Dealern handelt es sich vor allem um junge Asylwerber, die versuchen mit Drogenverkäufen besser über die Runden zu kommen, weil ihnen keine Alternativen geboten werden, um an einen Job zu kommen. Wir haben mit diesen Dealern gesprochen, die Situation aus der Sicht eines Anrainers beschrieben und fragten die Gürtellokale, wie sie mit der Situation umgehen.

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Um herauszufinden, ob sich dahingehend auch etwas in den Bundesländern geändert hat, haben wir alle Drogenkoordinatoren angerufen und gefragt, ob es Probleme mit Asylwerbern gibt, ob die Strafrechtsreform etwas geändert hat und was eigentlich ein Gramm Koks auf der Straße kostet. Dabei hatten wir mal mehr und mal weniger Erfolg. Hier also der große Noisey Drogenbericht aus den Bundesländern minus Wien.

Oberösterreich

Oberösterreich eignete sich innerhalb der letzten vier Jahre den fragwürdigen Ruf der Meth-Hochburg Österreichs an. Kein anderes Bundeland dealt so viel mit Methamphetamin, wie das Land der Eferdinger-Gurkal. 2015 wurden laut Drogenbericht des BMG 51 Prozent aller Anzeigen, die mit Meth zu tun hatten, in Oberösterreich getätigt.

Richtige Walter Whites, die das Zeug auch herstellen können, findet man aber kaum. Vereinzelt werden Methküchen aufgedeckt, die es auf den Binnenmarkt abgesehen haben, das meiste kommt jedoch nach wie vor aus Tschechien. Der Cannabismarkt ist stabil bis rückläufig, wobei die Eigenversorgung sowie das Internet immer relevanter werden. Nicht nur das Darknet ist hier zu erwähnen, auch legale, öffentlich zugängliche Seiten für legal highs und Communities, die lediglich einer Zugangserlaubnis bedürfen, spielen eine immer größere Rolle.

Das sorgt für eine Dezentralisierung des Drogenhandels. Die Leute müssen sich nicht mehr unbedingt nach Linz zum Hessenplatz-Park oder in die Neue Welt, um ihre Wochenration Gras zu holen—das geht jetzt online. Willkommen in der Zukunft. Das bedeute auch, dass es die klischeehaften Drogentoten, die man auf der Bahnhofstoilette findet, so gut wie nicht mehr gebe, sagt der zuständige Drogenkoordinator Thomas Schwarzenbrunner.

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Die meisten Todesfälle finden in Privatwohnungen statt. Thomas Schwarzenbrunner erklärt das so: "Es wird unterschätzt, dass das tödlich enden kann. Man denkt sich naja, der ist einfach intoxikiert, den lässt man mal ausschlafen, dann wird’s schon wieder." Die aktuellsten Zahlen zu Drogentoten findet man im Epidemiologiebericht 2015, der besagt, dass es in Oberösterreich nur sechs drogenbezogene Todesfälle gab. Diese Zahl ist laut Schwarzenbrunner stark rückläufig. Anfang der 2000er Jahre, sprach man noch von zehn bis 30 Toten im Jahr.

Ob die Strafrechtsreform für einen Rückgang der Anzeigen sorgt, kann Schwarzenbrunner noch nicht sagen. Er schätzt jedoch, dass sich die Lage dadurch nicht verändert hat. Eine Entwicklung, wie sie gerade am Wiener Gürtel stattgefunden hat, sieht er ebenfalls nicht.

Vorarlberg

Der Grenzübergang zur Schweiz bleibt für Vorarlberg nach wie vor eine wichtige Schnittstelle für den Drogenhandel. Vor allem Kokain und Heroin kommt im Ameisenhandel—also in stetigen, kleinen Mengen—von unserem Neutralitäts-Buddy. Wenn mal Mengen im Kilogramm-Bereich nötig sind, wird über die Niederlande-Deutschland-Österreich-Route transportiert, von den Dealern dann hier gestreckt und verkauft. Nur bei Cannabis setzen die Vorarlberger immer mehr auf Made in Austria. Peter Gruber, Leiter der Abteilung für Suchtmittelkriminalität im Landeskriminalamt, sieht hier einen Zuwachs an Indoorplantagen, die von Kleindealern und Hobbykiffern betrieben werden.

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2016 gab es bisher drei Drogentote. Ansonsten ist Vorarlberg in Sachen Drogen nicht sehr auffällig. Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz blieben in den letzten Jahren konstant. Ob die neue Strafrechtsreform zu weniger Verurteilungen geführt hat, wird nur vor Gericht bekanntgegeben. Ob es vermehrt zu Zwischenfällen mit Asylwerbern gekommen ist, wird von der Polizei nicht bekanntgegeben.

Das ist nur fair, immerhin sind wir ja alle gleich vorm Gesetz, nicht wahr? Die Exekutive hat übrigens einen ziemlich guten Überblick über die aktuellen Preise und Reinheitsgrade. Auf der Straße kostet ein Gramm Kokain 80 Euro bei 20 bis 30 Prozent Reinheit und ein Gramm Heroin 50 Euro mit 15 bis 20 Prozent Reinheit. XTC (SIC, die Polizei versteht halt Jugendslang) findet man mit etwa 37 Prozent MDMA. Was Reinheit anbelangt liegen die Vorarlberger-Drogen also leicht über dem österreichischen Mittelwert.

Tirol

In den Tälern Tirols hat sich in Sachen Drogen nicht viel getan. Innsbruck versucht bereits seit einigen Jahren mit den jungen Marokkanern klar zu kommen, die ohne Aussichten auf Asyl oder der Möglichkeit wieder in ihr Land zurückzukehren, auf der Straße landen und anfangen, mit Drogen zu dealen. Geändert hat sich daran noch nichts. "Die Kombination aus illegaler Substanz, Nachfrage durch TirolerInnen und Rekrutierung junger Männer ohne Perspektive macht es schwierig", sagt Drogenkoordinator Christoph Gstrein im Noisey-Gespräch. Wir haben bereits im Winter mit maghrebinischen Jugendlichen darüber gesprochen, wie es ist, als Marokkaner in Innsbruck auf der Straße zu leben. Hotspots sind immer noch die Clubs in den Viaduktbögen und der Bahnhof. Aber nicht nur Innsbruck hat mit Drogen zu kämpfen. Speziell in Tirol sind neben dem städtischen Bereich auch Tourismusorte Hotspots im Drogengeschäft.

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Steiermark

In der Steiermark konzentrieren sich drogenbezogene Probleme hauptsächlich auf Graz. Durch die gute Anbindung öffentlicher Verkehrsmittel kommen Käufer vom Land einfach in die Stadt, um sich ihr Zeug zu besorgen. Die Hotspots in der steirischen Hauptstadt sind seit Jahren die selben. Vor allem am Hauptplatz, dem Stadtpark, dem Volksgarten und der Keplerstraße wird laut Drogenkoordinator Klaus Ederer recht offen mit Drogen gedealt. Das schreibt er auch der seit Jänner gültigen Strafrechtsreform zu. Er erhofft sich durch die Verschärfung des Gesetzes im Juni eine Verbesserung der Lage. Die Kleine Zeitung berichtete bereits im August letzten Jahres über den "ungenierten Drogenhandel", also zu einem Zeitpunkt, als die Strafrechtsreform noch nicht galt. Es stellt sich die Frage, ob das Problem von der falschen Richtung aus angegangen wird und härtere Strafen nur eine Verschiebung der Deals vom öffentlichen in den privaten Raum bringen. Besondere Entwicklungen betreffend Asylwerber, sieht Drogenkoordinator Ederer keine: "An den Hotspots wird der Handel mit illegalen Substanzen im großen Kreise von kriminellen Organisationen betrieben. Dort werden sogenannte Streetrunner angeworben. Das war in Graz immer schon so. Ich kenne das seit zehn Jahren nicht anders."

Salzburg

Das Besondere an Salzburg ist die Verteilung der Begutachtungen, die an Personen mit Verdacht auf Drogenkonsum ausgestellt werden. Also die Leute, die man vielleicht zur Entzugstherapie schicken muss. Im Drogenbericht von 2015—aktuellere Zahlen gibt es noch keine—sind diese zu 40 Prozent in der Stadt, 30 Prozent im Zentralraum ohne Stadt und 30 Prozent in den Gebirgsregionen aufgeteilt. Der Drogenkonsum verteilt sich also aufs ganze Land und beschränkt sich nicht, so wie in den meisten anderen Bundesländern, auf die Stadt. Sonst wurden dem Drogenkoordinator Dr. Franz Schabus-Eder keine besonderen Meldungen zu speziellen Entwicklung im Blick auf Asylwerber gemacht. Auch Drogentote gibt es von Jahr zu Jahr weniger. 2014 und 2013 wurden vier direkt drogenbezogene Tode aufgezeichnet, fünf Jahre zuvor sprach man noch von bis zu 18 Toten pro Jahr. Salzburg ist damit im österreichischen Mittelfeld angekommen.

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Kärnten

Kärnten, das Sorgenkind unter den Bundesländern. Drogenkoordinatorin Brigitte Prehslauer wollte erst gar nicht mit uns sprechen ("Noisey? VICE? Kenn ich nicht, brauch ich nicht."), 2016 gibt es bereits Berichte von bis zu fünf Drogentoten und im gleichen Atemzug werden stets die stark begrenzten Kapazitäten der Behandlungsmöglichkeiten genannt. Selbst der steirische Drogenkoordinator erwähnte die desolate Situation in Kärnten. Opioide werden dort übers Internet bestellt, bei denen die Zusammensetzung und Konzentration völlig unklar ist. "Es gab in den letzten Wochen deswegen in Kärnten vermehrt Todesopfer zu beklagen. Die Entwicklung, illegale Substanzen übers Internet zu bestellen, halte ich für sehr bedenklich", sagt Klaus Ederer, Drogenkoordinator der Steiermark. Vor allem junge Menschen sind davon betroffen. Laut Drogenbericht des Gesundheitsministeriums waren 2014 über die Hälfte der in Substitutionsbehandlung gemeldeten Menschen unter 30 Jahre alt. In Tirol, Wien oder Salzburg waren im selben Jahr weniger als ein Viertel der Behandelten unter 30. Im selben Bericht wird erwähnt, dass vor allem die Austeritätspolitik für den Stopp von innovativen Vorhaben zur Suchtprävention verantwortlich ist.

Burgenland

Das Burgenland ist, zumindest was Drogen angeht, auf jeden Fall das unauffälligste Bundesland. Der Epidemiologiebericht des Gesundheitsministeriums zeigt, dass 2013 ein und 2014 zwei Drogentote verzeichnet wurden. Rein prozentuell ein katastrophaler Anstieg von hundert Prozent. Die absoluten Zahlen sind zum Glück sehr niedrig. Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz gingen in den selben Jahren von 844 auf 773 zurück. Aktuellere Zahlen von offizieller Seite gibt es noch keine. Die Drogenkoordinatorin Dr. Brigitte Schmidl-Mohl war auch nach mehrmaligen Versuchen nicht erreichbar. Wir haben leider keine genaueren Informationen aus dem Burgenland, aber wenn man den Trends der letzten Jahre vertraut, gibt es keine größeren Probleme rund um Eisenstadt. Falls wir uns täuschen, schreibt uns:

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Niederösterreich

Leider verwies uns die niederösterreichische Drogenkoordinatorin Dr. Ursula Hörhan auf die Drogenberichte des Innen- und Gesundheitsministeriums, die nur Daten aus dem Jahre 2014 vorweisen können. Das ist vor allem deswegen enttäuschend, weil Niederösterreich vor allem bei Suchtprävention und-behandlung gut aufgestellt ist. Das zeigt sich auch bei der Anzahl der Drogentoten. 2014 hatte Niederösterreich neun Todesopfer zu beklagen. Bedenkt man die Einwohnerzahlen, ist das der zweitniedrigste Wert nach Oberösterreich.

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Benji twittert hier: @lazy_reviews

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