Mit dem Geld meiner 120 Konzertkarten hätte ich diese Dinge in Wien machen können
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Mit dem Geld meiner 120 Konzertkarten hätte ich diese Dinge in Wien machen können

47 Stunden Fiaker fahren wäre zum Beispiel möglich gewesen.

[Wie viele andere Studenten](http:// Als Musik-Nerd ist der Besuch von Gigs so etwas wie die Spitze meiner Ernährungspyramide und gleichzeitig der primäre Grund meines Geldmangels. Das bedeutet, dass ich in meiner Freizeit nach Konzertankündigungen suche, wie ein Süchtiger seine Venen. Wenn sich meine Lieblingsbands nicht nach Wien wagen, nehme ich eben lange und teure Reisen auf mich, die mich nach der Rückkehr in einen sehr bedürftigen Zustand versetzen. Diesen Lebensstill finden viele meiner Freunde weniger gut – sie halten mich für völlig wahnsinnig und fragen mich, wieso ich mein Geld nicht für etwas Sinnvolles spare. Aber was gibt es denn Sinnvolleres, als den Hunger seines Fanatismus zu stillen?

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Da ich dann doch nicht dauernd in irgendeiner Bar abhänge und mir Alleinunterhalter ansehe, habe ich vor Kurzem mal wieder meine Wohnung in einen akzeptablen Zustand gebracht. Beim Zusammenräumen stößt man ja bekanntlich immer wieder auf random Zeug – in meinem Fall: ein fetter Haufen Konzertkarten. Beim Durchstöbern blieben auch Flashbacks nicht aus. Zum Beispiel fiel mir ein, was mir am Lollapalooza Festival in Chicago passiert ist: Ich schaffte es, mich während der Nine Inch Nails-Show in den Backstage-Bereich zu schleichen und mich als Crew-Member auszugeben. Dadurch sah ich fast die ganze Show mit den Freundinnen der Bandmitglieder von der Bühne aus. Kurz vor der Zugabe erwischte mich der größte und fetteste Security-Typ der Welt und verwies mich genervt in den VIP-Bereich.

Was für eine Bestrafung. Obwohl Trent Reznor nicht so chillig drauf war und gleich das Weite suchte, konnte ich Ex-Drummer Josh Freese mit einem im Nachhinein sehr peinlichen "Thumbs up" persönlich für die Show gratulieren. Ähnliches zog ich auch bei Deftones und Metallica ab – da wurde ich aber vor dem hautnahen Kontakt erwischt und rausgeschmissen. Leiwand war es aber trotzdem. Immer wieder schaffte ich es auch auf die Gästeliste vieler Konzerte, weil ich kurz vor der Show die Bandmitglieder getroffen habe. Oft endeten diese Begegnungen mit viel Alkohol und einen Haufen Gras. Depeche Mode habe ich jetzt schon vier Mal gesehen, aber ganz besonders war das Privatkonzert in Wien vor nur 1000 Besuchern. Das machte es persönlich und einzigartig.

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Sogar King Crimson und Michael Jackson kann ich auf die Liste schreiben. Abgesehen von den ganzen Acts, fielen mir aber auch die alten Ticketpreise ins Auge: Kaum zu glauben, dass ich im Jahr 2003 nur lächerliche 38 Euro für ein Iron Maiden-Ticket hinblättern musste. Black Sabbath in der Originalbesetzung kosteten nicht mehr als 48 Euro und The Rolling Stones waren mit 66 Euro ebenfalls leistbar. Was kosten diese Bands denn heute? Auf der anderen Seite war ich wahnsinnig genug fast 140 Euro für eine Prince-Karte auszugeben und bezahlte knapp 150 Euro für das ausverkaufte Kate Bush-Konzert in London. Na gut, manche haben dafür am Schwarzmarkt bis zu 3000 Euro bezahlt. Der Blick auf die Ticketpreise machte mich neugierig: Wie viel Geld fließt denn in ein Konzert-vernarrtes Leben? Jedenfalls beschloss ich alle Ausgaben zusammenzuzählen. Zugegeben, ich hatte etwas Angst vor der Summe, aber die Neugier war einfach zu groß.

Nach etwa 120 Konzert- und Festivalkarten bin ich auf stolze 5.500 Euro gekommen. Wie viele Gigs es schlussendlich waren, kann ich nicht sagen. Einige Tickets sind nach all den Jahren unauffindbar und vielleicht an einem besseren Ort. Obwohl ich nicht mal meine zusätzlichen Reisekosten berücksichtigt habe, ist das eine beachtliche Summe. Ich habe mich gefragt, welchen Scheiß ich in Wien mit so viel Geld anstellen könnte. Und hier ist mein Ergebnis:

Die bekannteste Einmaleins-Rechnung der Welt: Ein Cheeseburger für einen Euro. Ich könnte mir tatsächlich 5.500 davon bestellen und ein "pot luck" organisieren. Meine Freunde wären mir ewig dankbar, dass sie dank mir eine Woche lang Dünnschiss und Bauchschmerzen haben. Aber hey, immerhin habe ich Nächstenliebe walten lassen und einem der größten Konzerne der Welt Geld in den Rachen geschoben.

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Oder besser, viel besser: Ich könnte 1.450 Leute auf ein Bier einladen. Oder einem sehr, sehr guten Freund 1.450 Mal ein Bier und eine Alkoholvergiftung spendieren – je nachdem. Solltet ihr einmal ein Issue haben, das ihr runterspülen müsst, schreibt mir einfach ne SMS und ich werde auf die nächsten 120 Konzerte verzichten. Not.

Um möglichst vielen Leuten auf den Arsch zu gehen, könnte ich auch den Innenraum der U-Bahnlinien 1 bis 6 einen Monat lang mit 750 Stück von dem Bild, das ihr da oben seht, schmücken. Jeden Tag würden sich die Leute fragen, was der Scheiß soll und welcher Idiot mit diesem Bierglas posiert. Ich müsste mir dann wahrscheinlich eine neue Frisur zulegen, aber darüber denke ich ohnehin schon länger nach. Cheers, Wien!

Diese Summe hätte mir auch ganz andere Bildungschancen ermöglicht: Ich hätte bei Humboldt einen den Entspannungstrainer und den Webmaster machen können. Was der berühmte Werkmeister kostet, hängt ganz von meiner Vorbildung ab. Ich frage lieber nicht nach und gebe mich mit dem zufrieden, was ich habe.

Es gibt einige Augustin-Verkäufer, die ich wirklich großartig finde. Mit so viel Humor und Motivation jeden Tag Zeitungen an grantige Wiener zu verkaufen, finde ich echt stark. Vor allem die Verkäufer auf der Landstraße und am Schottentor haben lustige Sprüche drauf. Ich könnte mit dem Geld 2.200 Augustin-Exemplare kaufen.

Bis jetzt habe ich auf Kutschenfahrten in Wien verzichtet, aber ich könnte 47 Stunden mit einem Fiaker durch die Innenstadt kutschiert werden. Wär das nicht schön?

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Wenn ich schon im ersten Bezirk bin, könnte ich auch eine Nacht in der Präsidenten-Suite vom Hotel Sacher verbringen. Das Zimmer ist im 7. Stock mit Blick auf die Staatsoper. Sehr edel und das Geld ganz bestimmt wert. Das wäre genau meines.

Das bringt mich auch eine weitere Idee: statt 120 Mal auf irgendwelche Konzerte zu gehen, könnte ich auch auf Qualität setzen und 19 Mal den wiener Opernball besuchen. Nach meiner Rechnung müsste ich den Lugner dann sicher nach dem zweiten Mal schon so gut kennen, dass ich die anderen 17 Besuche auch nicht mehr zahlen müsste, sondern eingeladen werde.

Das Riesenrad fand ich nie besonders spannend, aber ich könnte 20 Stunden lang in der Luxuskabine herumkreisen.

Ich könnte jeden Sitzplatz des IMAX-Saals vom Apollo kaufen und mir einen Film meiner Wahl völlig alleine reinziehen. Es würde sogar noch Geld für reichlich Popcorn und Sportgummi übrig bleiben.

Es ist schon schlimm, was ich mit dem Geld dieser Konzertbesuche alles hätte machen können. Aber egal – so cool der Lugner und der private Kinobesuch auch gewesen wären – ich bereue keinen einzigen Cent dieser Summe an diese Gigs ausgegeben zu haben. Vielleicht finde ich ja noch die goldene Mitte zwischen Konzertbesuchen und möglichen Zukunftsplänen, aber wenn ich ehrlich bin, hoffe ich, dass es ewig so weitergehen wird.

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