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„Ich will jeder Frau sagen: Bitte durchhalten, es geht vorbei“—Ein Nachmittag mit Fijuka

Heute erscheint das neue Album von Fijuka. Unsere Autorin hat sich von ihnen einkleiden lassen und mit ihnen über ihr Album geredet.

Alle Fotos: Gersin-Livia

Fijuka sind, ohne Übertreibung, zwei der schimmernsten und lässigsten Mädels der österreichischen Musikszene. Vor zwei Jahren haben wir ihr Video zu „Phantom Sentimental“ präsentiert und seither ist viel passiert. Neben guten und—laut Fijuka—schrecklichen Auftritten, Videos, die weirder und besser sind als jeder Trip, kommt nun am Freitag endlich ihr neues Album Use My Soap. Dass ihre neue LP kein seifiger Wischwasch wird, weiß jeder, der die Zwei in letzter Zeit live gesehen hat. Einige ihrer Songs sind live schon längst fix im Set, wie zum Beispiel ihre aktuelle Single „Ca Ca Caravan“.

Als es hieß, „Hey, es wird an der Zeit was zum neuen Fijuka-Album zu machen“ wusste ich, dass es nur eine Sache gibt, die ich mit den Mädels machen möchte: Shoppen gehen nämlich. Für jemanden, der sich ausschließlich schwarz kleidet, sind Ankathie und Judith Outfit-technisch schicke Kanarienvögel. Also sind wir in die Bootik 54 gegangen, haben einen kurzen Zwischenstopp bei Fressnapf gemacht und haben einer Taube dabei zugesehen, wie sie sich am Hundefutter bedient. Dann sind wir weiter zu Second Hand Etcetera, wo Ankathie gefühlte vier Stunden von einem alten Typen angehimmelt wurde. Aber ich verstehe ihn, von den beiden genug zu bekommen ist schwer. Wir haben unseren Trip festgehalten und sind danach noch ins Espresso gegangen, um ein bisschen über ihr aktuelles Schaffen und die österreichische Musiklandschaft zu reden.

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Noisey: Ist euer Album auf einem Konzept aufgebaut?
Ankathi: Nein, gar nicht.
Judith: Jeder Song steht für sich.

Haltet ihr nichts von Konzepten?
Judith: Doch! Wir haben ja nicht von null angefangen und Songs für das Album geschrieben, sondern es war umgekehrt. Wir hatten immer mehr Songs, die wir live performt haben. Dann haben wir uns gedacht, dass wir die einmal aufnehmen und auf ein Album packen sollten.
Ankathi: Es waren viel mehr Musiker involviert und wir hatten einen Produzenten. Das erste Album war ja nicht produziert.

War es besser mit einem Produzenten zu arbeiten?
Judith: Das war tausend und eins. Beim ersten Album waren wir zu zweit mit allem beschäftigt.
Ankathie: Da haben alle Instrumente selbst eingespielt, alle crappy Beats selbst gemacht und selbst produziert. Wenn man da nicht voll der Fuchs ist, sollte man sowas eigentlich nicht machen. Es gibt ja Musiker, die machen das gerne und homestudiomäßig. Aber wir hatten genau zweieinhalb Wochen in einem Studio und haben da quasi alles gemacht. Das ist nicht besonders gescheit. Es ist schon cool geworden, aber…
Judith: Wir waren am Schluss schon leicht überfordert. Das war jetzt angenehm, weil man sich aufs Spielen konzentrieren konnte.

Hat die Band viel Freiheiten gehabt oder habt ihr ihnen gesagt, wie ihr euch das vorstellt?
Ankathie: Die Endentscheidung lag schon bei uns. Wir sind aber keine Stuhl-Diktatoren.
Judith: Jeder ist frei, seine Ideen reinzubringen. Es war bei den Proben schon ein ziemlicher Entstehungsprozess, was die Arrangements betrifft. Bei den Aufnahmen war schon noch ein bisschen was zu machen.

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Wie und wo waren die Aufnahmen?
Ankathie: Das war in so einem Kellerding. Das war sehr fein.
Judith: Am Schluss haben wir dann noch Overdubs in London gemacht.
Ankathie: Das war extrem lustig. Wir haben uns das Aufnehmen der Vocals selbst dazufinanziert. Das war eine geile Zeit. Wir haben beide kein Geld gehabt und Judith deshalb auch als U-Boot ins Hotel geschleust.

Klingt etwas unbequem…
Ankathie: Das erste Hotelzimmer war das schlimmste—in dem war einfach eine riesen Pfütze. Am Schluss haben wir auf alles geschissen und haben gleich im Studio gepennt.
Judith: Mit Schlafsack am Boden. Aber man wacht auf und kann gleich wieder weiterarbeiten.

Seid ihr perfektionistischer geworden?
Judith: Klar nehmen wir es superernst. So, dass ein Song am Ende wirklich dort ist, wo er sein soll. Das bedeutet manchmal schon, dass man viel Herumprobieren muss. Manche Songs funktionieren live super, aber auf Platte überhaupt nicht. Andererseits wenn beim Spielen einmal ein falscher Ton dabei ist, dann lassen wir es gern drinnen.

An welchen Orten treten Fijuka am liebsten auf?
Judith: Die kleineren Locations mögen wir lieber. Einer unserer allerersten Gigs war im Transporter, das war sehr cool. Es hat uns kaum wer gesehen oder gehört.
Ankathie: Einer der geilsten Gigs war schon trotzdem das Popfest am Karlsplatz. In dieser Atmosphäre war das schon krass und es war auch spannend, da sie uns eine Stunde vor dem Auftritt absagen wollten, weil es eine Unwetterwarnung gab. Drei Minuten nachdem die Zugabe vorbei war, hat es tatsächlich angefangen zu regnen. Wegen dem Wind gibt es von uns nur Fotos, auf denen uns die Haare zu Berge stehen. Richtige Sturmfrisuren.

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Was ist dann eure schlimmste Konzertgeschichte?
Judith: Das Schlimmste war das Konzert, bei dem wirklich alles danebengegangen ist. Wir haben uns danach nicht mehr aus dem Backstage rausgetraut.
Ankathie (spuckt ihre weiße Schokolade fast aus): Ja, Wahnsinn! Danach dachten wir, unsere Karriere ist beendet. Wir schämen uns so abgrundtief für diese Performance. Das Lustige war, dass uns danach aber drei Modelabels angeschrieben haben.

Aber was ist bei dem Gig passiert?
Judith: Es hat schon beim Soundcheck angefangen. Die PA war viel zu klein und unser Haupt-Synthesizer ist eingegangen.
Ankathie: Dann wurde uns ein neuer gebracht, mit dem nichts eingespielt war. Das war verheerend. Bei einer Nummer habe ich vergessen zu singen—ich wusste nicht mehr wie das geht.
Judith: Eine Nummer war um einen Ganzton zu hoch und eine haben wir überhaupt abgebrochen.

Dem Publikum ist das wahrscheinlich gar nicht mal aufgefallen.
Ankathie: Ich hatte Angst, dass einfach keiner mehr da ist.
Judith: Ja, ich hab mich auch ab einem gewissen Punkt so geschämt, dass ich nur auf den Boden und gegen die Wand geschaut habe. Nach der letzten Nummer waren wir ganz schnell weg. Wir waren auch erleichtert, weil wir wussten, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann.

Wie kommen die Ideen zu euren Videos?
Judith: Meistens ist es so, dass wir uns mit den Regisseuren treffen, eine Flasche Wein aufmachen und dann sprudeln die Ideen recht schnell. Dann schauen wir, was realistisch umzusetzen ist.
Ankathie: Das sind dann meistens die Sachen, über die wir laut lachen und sagen, dass sie saudeppat sind. Wie ist die Idee zu „Ca Ca Caravan“ entstanden?
Judith: Ich weiß es nicht mehr. Es ist leider schon echt lange her.
Ankathie: Im Text geht es schon darum, dass ein Mann mit einem UFO abhaut. Das waren Bilder, die ich schon beim Schreiben des Textes im Kopf hatte. Dass es im Endeffekt so aussieht, hätte ich mir trotzdem nicht gedacht.

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Steht euch auch. Aber ich hab euch anfangs nicht erkannt.
Judtih: Ich habe mich auch gleich ganz anders gefühlt.

Wo habt ihr das überall gedreht?
Judith: Im Studio, in einem Steinbruch im Süden von Wien und am Berg im Schnee.
Ankathie: Da war ich saukrank. Das war der schlimmste Drehtag von allen.
Judith: Ja, und dann noch im Atomkraftwerk.
Ankathie: Das war das Beste. Wir hatten dort unsere Narrenfreiheit. Da war niemand mehr.

Aber es hat sich ausgezahlt. Man hat den Eindruck, dass Videos euer Ding sind.
Judith: Wir lieben es! Es macht so Spaß in Rollen zu schlüpfen.
Ankathie: Das ist so wichtig. Wir sind auch selbst Cineasten. Das ist so ein Wahnsinn, dass wir das umsetzen können und dass die Leute, die mit uns das machen, Bock drauf haben und Ideen bringen. Eine ganz große Leidenschaft von uns beiden. Wir scheuen auch keine Kosten und Mühen.

Wie zufrieden seid ihr gerade mit der österreichischen Musikkultur? Ist es eine gute Zeit um als Frau Musik zum machen?
Ankathie: Dieser ganze Hype hilft gerade jedem weiter. Wir machen eine andere Richtung als die gehypten Bands, weil wir ja nicht im Dialekt singen und keine Männer sind. Wir machen nicht so den Hipster-Sound, sondern sind schon eine klassische Rock/Pop-Formation. Aber wir haben unsere Nische. Die gefällt uns und da werden wir auch bleiben. Wir überlegen, was wir gut finden, was wir vertreten können und dann stellen wir uns damit auf die Bühne.
Judtih: Wir sind gerade in Österreich sehr gesegnet. Wir waren jetzt im Iran und dort gibt es für Frauen überhaupt keine Möglichkeit öffentlich aufzutreten. Da sind wir hier eigentlich im Paradies. Wir haben Gigs, wir können vor Leuten spielen denen es extrem taugt.

Ich höre immer wieder von weiblichen Künstlern, dass es schwer ist, ernst genommen zu werden bzw. lange dauert, bis man ihnen etwas zutraut. Wie ist das bei euch?
Judith: Gott sei Dank nicht mehr so. Wenn man anfängt Musik zu machen, spürt jede Frau, dass sie zuerst was beweisen muss.
Ankathie: Aber dadurch, dass wir beide unsere Instrumente sehr gut beherrschen, haben wir da überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil eigentlich.
Judith: Aber ich kann es verstehen, wenn Frauen das erfahren. Ich habe das in den Anfangszeiten auch erfahren und ich glaube, wenn eine männliche Band kommt, sieht jeder, dass es die Band ist. Wenn man als Frau kommt, wird schon mal angenommen, dass man die Freundin von jemandem ist. Aber bei uns jetzt nicht mehr. Ich will jeder Frau sagen: Bitte durchhalten, es geht vorbei.

Isabella malt jetzt überall „I love Fijuka“ hin. Folgt ihr auf Twitter: @isaykah

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