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Die Grazer Szene probt den Aufstand

Clubschließungen für ein sauberes Stadtbild? Dagegen formiert sich in Graz Widerstand. Nächsten Mittwoch zieht ein Parade durch die Stadt.

Alle Fotos: Johanna Lamprecht

Aus dem Grazer Clubtreiben kamen in den letzten Zeit ja eher negative Nachrichten. Gerade vor ein paar Wochen erst musste die Kombüse ihre DJ-Line einstampfen. Aus der (Wiener) Ferne scheint es so, als hätte die alternative Szene in Graz auch in der Stadtpolitik nicht mehr die Stellung, die sie über Jahre hinweg hatte.

Doch diese Szene scheint das auch nicht mehr hinnehmen zu wollen. Immer wieder hört man aus Graz, dass es Versuche gebe, seinen Unmut zu organisieren. Für nächste Woche Mittwoch ist jetzt unter dem Titel „Junge GrazerInnen tanzen anders—Eine Parade für ein Recht auf Clubkultur“ ein Umzug durch die Stadt an der Mur geplant. Wir haben Daniel Huber aus dem Orga-Team ein paar Fragen per Mail gestellt.

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Noisey: Das Grazer Clubtreiben fällt seit längerem eher durch negative Nachrichten auf. Was hat euch jetzt bewogen, gerade jetzt aktiv zu werden?
Daniel Huber: Naja. Ein Laden sperrt auf. Egal ob Bar oder Club, nicht viel Geld dahinter, tolles Programm, und plötzlich gibt es irgendjemanden der sich daran stößt und bei der Behörde Stunk macht. Der erste große Einschnitt in diese Richtung war damals die Schließung des Barprojekts. Das war ein Kollektiv junger Leute, die in der ehemaligen Hemingway Bar eine Kneipe aufgemacht haben und so bunt wie die Betreiber war auch das Programm. Geniales Projekt. Wie das bei solchen Geschichten eben ist, stehen Abends Leute vor der Türe und machen ein bisschen Lärm und die Behörde kommt plötzlich drauf, dass das Lokal noch nie eine Betriebsstättengenehmigung als solches hatte. Und das obwohl fast 20 Jahre davor schon eine Bar drinnen war. Die Niese wurde zwar nicht von offizieller Seite zugesperrt, aber dennoch hat man ihr Steine in den Weg gelegt, wo es nur ging. Was dann das Fass wirklich zum überlaufen gebracht hat, und auch der Grund warum wir schlussendlich jetzt aktiv geworden sind, waren die behördlichen Maßnahmen gegenüber der Kombüse. Einer der besten Clubs Österreichs darf jetzt nur mehr Imbissbude sein.

Wie ist die Stimmung in der Grazer Szene aktuell?
Ich habe das Gefühl, dass in Graz gerade alles ein bisschen zusammenwächst. Quer durch die Bank. Es gibt ein Enfant terrible, auf das man sich einigen kann, mit dem alle zu kämpfen haben. Vom Univiertel bis zum Bretterschuppen. Für unsere Parade kommen täglich neue Angebote zur Unterstützung der Sache rein. Es ist wunderbar.

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Nicht-Grazer bekommen ja immer eher die gröberen Dinge mit: Die Schließung der Niese, die Probleme vom Parkhouse oder aktuell das Downgrade der Kombüse. Was sind denn die Probleme, die man außerhalb von Graz nicht merkt?
Da müsste ich jetzt sehr weit ausholen. Ganz kurz gehalten hat es, glaube ich, mit den Nachwehen des Kulturhauptstadtjahres angefangen. Die Budgettöpfe waren leer und alternative, kulturelle Projekte haben immer öfter durch die Finger geschaut. Gleichzeitig hat sich auch die politische Situation in eine reaktionäre Richtung verschärft, was sich letztendlich auch stark auf den öffentlichen Raum ausgewirkt hat. Die Punks am Hauptplatz wurden durch Kirschlorbeerbäume ersetzt und über große Teile der Innenstadt ein Alkoholverbot verhängt. Das sogenannte „Haus Graz“ sollte von nun an ein leises, sauberes und gemütliches sein. Aber wir sind hier nicht in Baden bei Wien, sondern in der zweitgrößten Stadt Österreichs. Also bitte. Was soll der Blödsinn?

Provokant gefragt: Warum glaubt ihr, ein Recht auf Clubkultur zu haben? Und vor allem: Warum ein Recht auf innerstädtische Clubkultur?
Ich glaube wir haben, sobald wir in einer Stadt leben, auch ein Recht auf Stadt. Und zu diesem Recht auf Stadt zähle ich auch das Recht auf Entfaltungsmöglichkeit in vielen Bereichen dazu. Das gilt für alle. Bei vielen Veranstaltungen, die in Graz stattfinden denke selbst ich mir „Was ist denn das für ein Wahnsinn?“. Aber es sollen doch alle machen dürfen was sie wollen, so lange es niemandem weh tut. Wenn nach dem Aufsteirern die halbe Innenstadt zugekotzt ist, bringt das mein Weltbild noch lange nicht ins Wanken. War zwar nicht meine, aber sicher für viele Leute eine gute Party. Die industrielle Vergangenheit, wo man Clubs irgendwo im nirgendwo ansiedeln kann, hat diese Stadt nun mal nicht. Also muss man sich arrangieren. Das ist ein gegenseitiges leben und leben lassen. Junge Menschen leben im Zentrum dieser Stadt, also gehören auch die Clubs ins Zentrum dieser Stadt.

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Wer sind die Organisatoren der Parade? Wen wollt ihr einbinden, wen wollt ihr erreichen?
Nachdem in der Kombüse klar war, dass es dort so nicht mehr weiter geht, hab ich mit zwei guten Freunden, die dank ihrer Diplomarbeiten eigentlich ganz andere Probleme hatten, noch gescherzt. Von wegen jetzt reicht's, jetzt steigen wir auf die Barrikaden. Eine Facebookgruppe später war das ganze schon ein Selbstläufer. Ich selbst bin ja kein Veranstalter, sondern nur angefressener Gast von allen Locations gewesen, die zusperren mussten. Viele Vereine und Institutionen sind dabei. Angefangen bei Disko 404, Gernot Saiko vom Tanzkaffe Moser, die Eule Bier Jungs, die Cooks of Grind, das G1 und viele viele mehr. Erreichen wollen wir alle, denen Graz als Stadt, die auch Stadt sein darf, ein Anliegen ist. Meine Oma, die noch gehen kann, ist sicher auch mit dabei.

Was sind eure Wünsche an die Grazer Politik? Wie realistisch sind diese Wünsche?
Graz verkauft sich gerne als unglaublich junge, agile, kreative Stadt. City of Design, Stadt der Menschenrechte und so weiter. Unserem Bürgermeister wird das Zitat zugeschrieben „Graz ist fast wie Berlin, arm aber sexy“. Völliger Schwachsinn, aber wenn man schon diese Attitüde an den Tag legt, dann muss man auch dem Milieu, das die Rahmenbedingungen für solche Behauptungen schafft, seinen Raum lassen. Wir wünschen uns eine offenere Politik gegenüber Projekten, die jenseits der kommerziellen Norm stattfinden. Nicht jede Party braucht ihre 15 Securities und 3 Feuerwehrmänner, damit niemand stirbt. Unsere Grazer Kulturstadträtin ist unserem Anliegen grundsätzlich zwar sehr wohl gesonnen, jedoch liegen viele Problem die wir ansprechen, wie z.B. das „Veranstaltungsgesetz Neu“, wegen dem mitunter auch die Konzerte im Parkhouse zum Problem geworden sind, beim Land und nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich. Wenn wir jetzt noch immer nicht gehört werden, heißt das für uns, dass wir einfach noch lauter werden müssen.

Weil wir jetzt so viel gesudert haben: Was ist das Gute an Graz?
Das Wetter ist meistens viel schöner als in Wien und der Kebab schmeckt besser.

Die Parade geht am 13. Mai, 16 Uhr, an der KF Uni Graz, los. Mehr Infos gibt es hier. Bereits am 7. Mai gibt es eine Soli-Party im Kunsthaus Graz.

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