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Deutschrap im homophoben Hamsterrad

Niemand wird durch Rap zu einem homophoben Arschloch. Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn das Wort „Schwanzlutscher“ irgendwann keine Beleidigung mehr sein würde.

Früher war alles besser findet Savas

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Graphizzle novizzle

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Dienstag, 14. Juli 2015

Gestern Abend hat Kool Savas ein „dezent“ homophobes Bild auf Instagram geteilt (siehe oben). Das ging ordentlich nach hinten los. Zwar gab es—wenig überraschend—ekelhaften Zuspruch à la „Die ganzen abgefuckten gays hier“ und „Das Bild beschreibt die Evolution und da hat nun mal Homosexualität keinen Platz“, die überwiegende Mehrheit reagierte aber doch sehr kritisch. Grund genug für KKS, den Post wieder zu löschen und eine eher fahrige Entschuldigung folgen zu lassen. Demnach scheint er die Botschaft des Bildes missinterpretiert zu haben. Eigentlich wollte er die Digitalisierung kritisieren—und nichts steht so sehr für Digitalisierung wie zwei Händchen-haltende Männer in Regenbogenfarben. Vielleicht hat er auch eigentlich ein anderes Bild posten wollen, wer weiß das schon. Die Wahrheit kennt am Ende natürlich nur Savas selbst, aber so oder so zeigt dieser Vorfall vor allem, dass die Diskussion um Homophobie im Rap, die bereits Ende Februar durch Bass Sultan Hengzt angestoßen worden war, unbedingt weiter geführt werden muss.

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Der Berliner Rapper hatte damals, um sein bald erscheinendes Album zu promoten, ein Cover gepostet, auf dem zwei Männer kurz davor sind, sich zu küssen. Natürlich stilecht in erotischem Schwarz-Weiß. Vielleicht konnte er bereits beim bloßen Gedanken an die zu erwartenden Reaktionen den aufziehenden Shitstorm riechen, der sich tatsächlich später über ihn entladen sollte. Da waren sie wieder, die homophoben Rapfans und übertrafen sich gegenseitig mit menschenverachtenden Aussagen, einem mittelalterlichen Weltbild und grenzenloser Dummheit. Wahrscheinlich hat BSH aber auch schon genüsslich in den wohlwollenden und ihn für diese tolerante Haltung lobenden Stimmen gebadet, wer weiß das schon.

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Post by B.S.H (Bass Sultan Hengzt).

Promo hin oder her, wir sollten ihm danken. Seine Aktion hat mal wieder eine Diskussion angestoßen, die schon so häufig geführt wurde und sich viel zu oft in Anschuldigungen, Unverständnis und Ignoranz verlief. Jetzt stehen wir wieder da und können angesichts von Kommentaren wie „SCHWUL=KRANK“ nur angewidert den Kopf schütteln. Jedenfalls solange, bis wir das nächste Straßenrap-Album hören, dort Zeilen wie „Echte Männer lutschen keine Schwänze“ hören und dazu im Takt unseren Kopf nicken.

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Eigentlich ist es ermüdend, wie oft sich Rapper schon für ihre harten Texte erklären mussten. Immer wieder sollten sie beweisen, dass sie keine Schwulenhasser wären und das alles doch nicht so gemeint sei. Es sei doch nur ein Stilmittel, so rede man halt auf der Straße, da habe politische Korrektheit nichts verloren. Tatsächlich wollen wir unseren Rap ja auch so kompromisslos direkt in die Fresse und mit der geliebten „Fick dich“-Attitüde. Und trotzdem: Warum hat eigentlich gerade Rap als einziges Genre diesen „Schwuchtel“-Freifahrtschein? Darf diese Kunst denn wirklich alles? Machen wir es den Rappern damit nicht ein bisschen zu einfach? Wir könnten wohlwollend sagen, dass sie eben gerne übertreiben, sowieso bildlich sprechen und dabei noch schelmisch mit den Augen zwinkern. Gleichzeitig behaupten sie aber auch, ihre Musik mit dem Herzen geschrieben, wochenlang mit den Bars jongliert und viel Schweiß und Tränen in die Texte reingesteckt zu haben. Sich dann bei inhaltlicher Kritik sofort hinter dem übergroßen Wort „Kunst“ zu verstecken, ist da doch ein bisschen zu feige. Auch der oft hektisch hochgehaltene Spiegel, mit welchem sie ja absichtlich Missstände aufzeigen wollen würden, reflektiert doch nur allzu oft die eigenen Irrungen.

Zugegeben, Wörter wie „Schwuchtel“ und „Schwanzlutscher“ sind mittlerweile fast vollständig vom ursprünglichen Sinn befreit. Der Vorwurf, jemand sei schwulenfeindlich, weil er solche Wörter benutzt, um seine imaginären Gegner zu beleidigen, würde nicht aus dem Rapumfeld ertönen. Warum aber muss immer wieder in den Texten auf kreative, aber in der Summe so ermüdend wiederholende Weise untermauert werden, dass jegliche schwule Assoziationen mit Schwäche und Unterlegenheit gleichzusetzen sind? Es ist langsam mal an der Zeit, sich ein bisschen weiterzuentwickeln und sich neue Formulierungen auszudenken. „Ich bin cool, du bist schwul“-Reime sind schon auf technischer Ebene so ziemlich das Peinlichste, was sich ein Rapper ausdenken kann. Wenn jemand tausendmal als „Schwanzlutscher“ bezeichnet wird, ändert das nichts an dessen sexuellen Präferenzen, sondern outet den Sender eher als phantasielosen Vollidioten, der seine Hörer langweilt.

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Letztendlich beansprucht Rap für sich, doch nur die Gesellschaft widerzuspiegeln und in dieser seien eben homophobe Tendenzen fest verankert. Nach der Logik muss aber auch mal im Rap eine aufgeklärtere Entwicklung klar zu erkennen sein. Schließlich sind wir gesellschaftlich in den letzten zwanzig Jahren doch nicht auf einer Stelle getreten. Galt es damals vielleicht als unangepasst, homophobe Sprüche von sich zu geben, sollte es heute nur noch irritierend konservativ für eine sogenannte Jugendkultur sein. Eine Kultur, in der ein viel zu großer Teil immer noch verängstigt auf zwei sich küssende Männer reagiert.

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Beitrag von Antilopen Gang.

Julius ist auch bei Twitter: @Bedtime_Paradox

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