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New music

Desiigner—Ein Panda ist Kanyes neues Pferd im Stall

Der neue Pandahype kommt aus Brooklyn und hat natürlich nichts mit Cro zu tun.

A photo posted by Desiigner (@lifeofdesiigner) on Feb 20, 2016 at 4:46pm PST

Kanye West, seines Zeichens Kanye West, hat ein neues Pferd im Künstlerstall. Wobei, eigentlich ist das Pferd ein Panda. Und eigentlich ist der Panda auch ein Auto. Aber von vorn.

Der 18-jährige Sidney Selby III kommt aus Bedford-Stuyvesant, dem New Yorker Project, welches solch illustre Namen wie Jay Z, Notorious B.I.G., Big Daddy Kane, Talib Kweli, Mos Def, Ol‘ Dirty Bastard oder Aaliyah hervorgebracht hat. Sein Soundbild aber ist geprägt vom Süden. Drogen, Waffen, Gewalt, der Wunsch nach schnellem Geld – die Auswüchse des amerikanischen Traumes sind ob Süden, Osten, Norden oder Westen dieselben. Die immer wiederkehrende Frage also: Wie mache ich mein Geld?

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Mit Musik Kohle machen war nebst Sport schon immer eine willkommene Möglichkeit, lässt sich doch gut verarbeiten, was man in seinem tristen und gefährlichen Alltag zu Gesicht bekommt. Und neben dem Realkeepen können in Zeiten des Internets dabei locker ein paar Soundcloud-Uploads die wunschvolle Erlösung aus der Negativität bieten. Genau dafür entscheidet sich Sidney, nennt sich fortan Desiigner (mit zwei ‚i‘, zur Untermalung der eigenen Kreativität) und schraubt an Songs. Da ist er 16, hat ein paar Berührungspunkte mit Kirchenchor und – natürlich – seinen Homies, die demselben Grind verfallen sind wie Young Sid. Während also zwischen den Häuserblocks die Gewalt wartet (unbestätigte Quellen sprechen gar davon, dass Sidney im Alter von 14 Jahren angeschossen wurde) und der Hustle sich auf kleine Homestudiosessions konzentriert, ist Ablenkung vom tristen Alltag der gesuchte Weg. Sidney zockt also. Grand Theft Auto, um genau zu sein. Dabei fällt dem ambitionierten Musiker auf, dass die Luxuskarosse des BMW X6 aussieht wie ein Panda: „The panda is the black X6 and the white X6. The black X6 look like a Phantom, the white X6 look like a panda. I’m just putting it in a greater way of how I say and the way I live“, wie Desiigner in einem Interview mit dem Complex Mag verriet. Unter seinen Kumpels eh bereits dafür bekannt, schmissige Hooks ins iPhone tippen zu können, überlegt er also, wem er diesen Geistesblitz nun verkaufen könnte. Da sich niemand anbietet, shoppt man sich für 200 Dollar einen Beat im Internet. Dieser wiederum kommt vom 22-jährigen Briten Menace, der sich erst mal darüber freut, ein paar Bucks gemacht zu haben. Bis er schließlich Teil des neuen Kanye West-Opus The Life Of Pablo werden sollte. Aber dazu später mehr.

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„Panda“, ein Südstaaten-atmender Track straight aus New York, fand Mitte Dezember seinen Weg auf Soundcloud und stößt auf Anklang. Ein paar Tausend Clicks generierte der Song nach einigen Tagen, was, gemessen daran, dass Desiigner ein bisher gänzlich unbekannter Künstler war, grundsolide anmutet. Verglichen mit den 4,2 Millionen Plays heute ist das allerdings ein Witz. Was ist geschehen?

Bereits eine Woche nach Upload dieses alles verändernden Songs spricht Pusha T, seines Zeichens mittlerweile Kopf des Kanye West’schen G.O.O.D. Music-Labels, in einem Radiointerview darüber, dass er zwei neue Künstler im Auge hätte, die den bestehenden Katalog aus unter anderem Big Sean, John Legend, Mos Def und sich selbst, perfekt ergänzen würden. Kurz danach wird Desiigner mit Kanye West gesichtet und die Medien zählen eins und eins zusammen. Einfache Mathematik, die allerdings bis zum denkwürdigen Großereignis der TLOP-Präsentation im Madison Square Garden, ungelöst bleiben sollte. Denn erst der Abend, an dem Yeezus sein neues Album breitenmedial der Weltöffentlichkeit präsentiert, bedeutet auch für Desiigner die öffentliche Einführung in die Labelfamilie. Dann geht allerdings alles ganz schnell: Kanye droppt zwischen Aux-Kabel-Fummelei und Turn-Up’erei, dass der 18-jährige New Yorker das neuste Signing sei, spielt „Panda“ an, dieser klettert daraufhin in die Millionen Plays und wart nicht nur als eigenständige Single, sondern auch auf Kanyes neuem Album wiedergesehen. Denn wenn West eins gut kann, dann Musik (und auf Twitter Manifeste verfassen). Und da er das mit der Musik so gut kann, kann er auch Musiker gut zusammenbringen. Das hat ja bekanntlich schon auf My Beautiful Dark Twisted Fantasy geklappt und auch The Life Of Pablo wartet mit einer Creditliste so lang wie die Unabhängigkeitserklärung auf. „Kanye kam mit der Idee auf mich zu und naja, dann wurde daraus ‘Father Stretch My Hand Pt. 2’.“ Plus Desiigners Part auf „Freestyle 4“. Zwei Mal auf TLOP. Als Newcomer. Puh. Dass dahinter nicht auch ein gewisses Kalkül Wests steckt, dürfte auf der Hand liegen. Einem neuen Signing kann man kaum eine bessere Plattform bieten, als ihn auf einem der meist erwarteten und besprochenen Alben der aktuellen Spielzeit partizipieren zu lassen. Einstand also geglückt.

Somit darf Desiigner den aktuellen Hype um seine Person genießen. Sich von einer gewillten Paparazzi-Meute fotografieren lassen, Instagram Videos reposten, wie wildfremde, aber leicht bekleidete Frauen zu seinem Hit die Hüften kreisen, und das „good life“ genießen. Allerdings sind Hypes ja auch bekanntermaßen ein zweischneidiges Schwert und somit ist Sidney sehr darauf bedacht, dass dieser nicht allzu schnell wieder abflacht. Ein Video zu „Panda“ ist in der Planung und auch das erste Mixtape soll nicht mehr lange auf sich warten lassen. Kanye und Pusha haben da sicherlich schon ein paar gute Ideen. Denn so schön und American Dream’ish sich diese Story auch liest – ganz von der Hand zu weisen ist es nicht, dass zwischen Soundcloud und Label-Signing nur wenige Tage lagen. Und laut Gerüchten, hatte Desiigner auch ein paar Wochen zuvor schon an die Türen von Cash Money geklopft. Sei es, wie es will. Mit seinem Sound trifft Desiigner aktuell genau ins Schwarze und lässt seine Aura zwischen Kanye-Protegé-Dasein und sympathischer Verrücktheit zielsicher in die Welt hinaus. Und vielleicht werden sogar echte Pandas im anstehenden Musikclipchen auftauchen. Allein deswegen sollte man ein Auge auf den New Yorker haben.

Amadeus ist auch bei Twitter: @ama302