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Der Diskurspop von The Bianca Story ruft dazu auf, George R.R. Martin abzufüllen

Ein Gespräch über kontaminierte Erde, Game of Thrones und Roman Camenzind.

Foto von The bianca Story

The bianca Story spielen mit dem Pop, den sie machen, ob 2012 mit der Kandidatur für das Basler Stadpräsidium oder dieses Jahr mit „Gilgamesh must die“ an der Deutschen Oper. Nach dem VICE Media-Weihnachtsessen in Zürich konnte ich mit bianca Story zurück nach Basel tuckern. Hinten im Bus habe ich mich mit Elia Rediger über die Agglo-Schweiz ausgelassen. Ich war angetrunken, aber trotzdem habe ich mich wohl nicht daneben benommen, denn Elia trifft sich seither gerne (?) zum gepflegten Geschwafel. Hier habe ich versucht, einen gemütlichen Nachmittag in ein Interview zu pressen. Wir können uns wunderbar in Off-topic-Themen verlieren:

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NOISEY Du bist also so der Klischeetyp „isoliert im Dachzimmer“?
Elia:Das hat sicher was. Man will die Aktualität ablegen. Es geht um das Reduzieren auf das Wesentliche. Herauszufinden, was etwas nicht nur für mich bedeutet. Das Zelebrieren einer Kunstfigur ist unspannend.

Der bianca Story-Kunstfigur?
Genau. Ich könnte behaupten, ich hätte sieben Kinder und wohne auf der Alm. Das kannst du dann glauben oder nicht, vielleicht bestätige ich dir das auch.

Foto von The bianca Story

Würdest du mir das bestätigen?
Vielleicht. (lacht)

Bist du die Reinkarnation von Gilgamesch, eine Urgewalt, die im Translatio Imperii-Denken von Hochkultur zu Hochkultur weitergereicht wird?
Absolut, absolut. Das ist jetzt auf dem Tablett serviert. Ironie ist immer schwierig.

Tschuldige.
Ich glaube, von Gilgamesch kann ich aufnehmen, dass ich den Rivalen in mir immer suche. Und das betrifft uns ja alle. Was jetzt das „Du“-Denken von vorhin aufnimmt. Aber nach „Gilgamesh must die“ hiess es: Ou, ou,ou…bianca Story macht plötzlich Opern. Das nehmen wir punkig.

bianca Story & Punkigkeit?
Ja. Was ist schon Hochkultur? Wir denken gar nicht an das System, in dem wir gerade sind. Das kann man arrogant nennen, aber es hat auch etwas Subversives.

Das finde ich jetzt nicht besonders arrogant, man braucht einfach Diskursbewusstsein…
Ja, klar. Wir haben alle Kunst studiert. (grinst)

Foto von The bianca Story

Na dann. (lacht)
Nein, nein. Wir haben das nie besprochen oder so.

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Als Kandidat fürs Stadtpräsidium hast du dich auch in einem neuen System bewegt. Gehört das auch zur bianca Story-Punkigkeit?
Ja, das Schöne am Aufbrechen ist, dass wir uns auch mit 2705 Stimmen als Gewinner fühlen konnten. Wir haben immer gesagt, dass wir das ernst nehmen. Ich habe halt doch einen zu starken politischen Reflex. Trotzdem ist die Sprache des Politikers bei mir aufgesetzt. Der Politiker Elia Rediger will die Politsprache gar nicht lernen. Ich bin da immer zwischen den Polen. Zweimotorig. Ein klassisches Töffli.

Das geht gut so lange der „Tschock“ funktioniert.
Nach dem 9. Februar war ich frustriert. Und diese Konsensstimmung jetzt… So viele meiner „Künstlerfreunde“ haben Schiss Stellung zu beziehen.

Was gibt es für einen Musiker Besseres, als die Selbstinszenierung als weltoffener Mensch?
Du wärst erstaunt! Alle sind so „Nääh…ich weiss nyt und taritara.“

Foto von Benjamin von Wyl

[Der folgende Abschnitt wurde aus Rücksicht auf die Anonymität scheuer CH-Musiker zensiert. NOISEY konnte jedenfalls am politischen Swissness-Songwritingprozess teilhaben.]

Es gibt ja auch viele Leute, die sich der Schweiz anpassen, Bligg oder so. Das ist die widerlichste Anbiederung. Camenzind! Diese Camenzind-Fabrik…
Wer ist das?

Roman Camenzind.
Natürlich, aber ich kenn ihn eigentlich nicht. (lacht)

Z.B. der Schwingsong von Bligg. Konservativ wie es nur geht. „Vo Muettr zu Tochter und vo Vattr zu Sohn“ Kennst du das? Das tut weh.
Hey, wenn wir unter Camenzind gearbeitet hätten, würde ich jetzt hier an einem Baum hängen.

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Du hättest dich selbst aufgehängt?
Gelyncht von einem Mob. Aber die Bäume hier sind eigentlich schön. Das muss unbedingt in den Text: Location beim Wagenplatz an der „Landestelle“. Auch schön, dass sie am anderen Ufer kontaminierte Erde abbauen..

Ich wohne ja grade hier. Es windet die Erde auf meine Balkons.
Schleckst du sie dann manchmal ab?

Ich hab dich mal gefragt, ob bianca Story Diskurspop machen.
Da hab ich schon ja gesagt, oder? Der Begriff ist okay, so lange du uns nicht mit Tocotronic vergleichst.

Foto von Benjamin von Wyl

Was ist das jetzt wieder?
Das ist meine Bibel.

Hast du sie selbst geschrieben?
Nein. Das ist eine Farbbibel. Ein Buch voller Papiersamples.

Und was bedeutet denn z. B. diese Seite? Ist sie ein Kardinal?
Das ist ein homosexueller Kardinal, der ab und zu ins Berghain geht. Ist doch schön.

Schaust du dir das wirklich für dich durch?
Man kann schnell entscheiden: Finde ich die Seite 12 gut oder nicht? Mir tut es gut, das Buch durchzuschauen und jede Seite einzuschätzen.

[Seite für Seite gehen wir durch. Entscheiden, was Genesis und was Jeff Koons ist. Wir könnten mit diesem Eindrucksgeschwafel eine Ausgabe des Kulturmagazins Du. füllen.]

Schaust du noch Game of Thrones?
Ja

Ich finde sie wirklich nicht mehr gut.
Ist trotzdem immer noch starker Tobak. Ich habe immer erwartet, dass sich Tyrion zur Frau umoperieren lässt und sich so rausschmuggelt. Allen, die GoT auf Deutsch schauen, hab ich das erzählt.

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Du hast das ernsthaft erwartet?
Ich hab nur die Leute verarscht.

Foto von Gregor Brändli

Mir waren es in der letzten Staffel zu viele Handlungsstränge.
Alle sind auf dem Schiff! Das ist wie bei einem Road-Movie, wenn sie am Ende des Filmes immer noch Auto fahren. Das Leben geht weiter. Hey, aber nein: Ein ganzes Jahr liegt vor uns.

Wie?
Ein ganzes Jahr Warten.

George R.R. Martin kommt nach Neuenburg ans Filmfestival.
Ja, der verrät das Ende bestimmt! Das ist ein Aufruf: Füllt ihn in Neuenburg ab und macht es öffentlich.

True Detective?
Noch nicht drin. Treme! Hast du Treme mal gesehen? Wahnsinn.

True Detective würde dir gefallen. Sehr viel ausgebreite Weltfeindlichkeit.
Nächstes Mal hab ich es gesehen! Versprochen.

Wir können ja eine Interviewreihe machen. Immer über die aktuell ausgelebte Seriensucht.
Das wäre fresh. Wir sind alles Opfer.

Glück macht einsam.“