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Das große Problem von Ö3 ist nicht Elke Lichtenegger

Das Video ist eine unbedarfte Einzelmeinung. Dass Ö3 jetzt aber einen Shitstorm erlebt, ist hausgemacht und hat mit der Art zu tun, wie man der österreichischen Musikszene entgegentritt.

Das Video, bei dem sich Ö3-Moderatorin Elke Lichtenegger extrem unbedarft agiert, dürfte mittlerweile jeder gesehen haben. Sie erzählt etwas stockend eine Story, in der sie die Imagine Dragons angeschrien hat, weil sie dachte, sie hätte es mit einer eher unbekannten, österreichischen Musik zu tun.

So weit, so dumm. Die Frau tut mir leid, weil sie jetzt als Bauernopfer aufgrund einer relativ nichtigen Sache den verständlichen Ärger der Musikszene abkriegt.

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Zuerst einmal muss man hier etwas eher Unangenehmes klarstellen: Es ist KEIN Skandal, dass man eine internationale Band mit einem großen Management dahinter vorsichtiger anfasst als eine lokale, relativ unbekannte Band. Das tun wir und jede andere Redaktion der Welt auch. Auf den Politik-Teil umgemünzt: Natürlich bekäme der US-Außenminister im ORF eine geringfügig andere Behandlung als der Neos-Kandidat für die Wien-Wahl. Das heißt NICHT, dass man letzteren scheiße behandeln darf. Das heißt NICHT, dass man das Recht hat ihn anzuschreien. Aber das hat weniger mit dem Anteil an österreichischer Musik auf Ö3 zu tun, als mit normalem menschlichen Anstand.

So zu tun, als sei die Ökonomie der Abhängigkeiten im Öffentlich-Rechtlichen völlig außer Kraft gesetzt (die Imagine Dragons brauchen Ö3 halt viel weniger als eine junge, österreichische Band), ist halt schon absurd.

Keine Angst, jetzt kommt dann gleich das große ABER.

Foto: Hitradio Ö3.

Der Anteil österreichischer Musik auf Ö3 liegt aktuell (die neuesten, von der AKM abgesicherten Zahlen, stammen leider aus dem Jahr 2011) bei 7,5 bzw 11,9 Prozent, je nachdem, ob man die Kompositionen oder Interpreten betrachtet. Der ORF versteckt das verständlicherweise gerne in Gesamtzahlen. Dass die Zahlen bei Sendern mit klassischer Musik und Volksmusik höher sind, liegt in der Natur der Sache. Man sollte die Relationen aber dabei nicht aus den Augen verlieren: Ö3 erreicht täglich jeden dritten Österreicher, in der werberelevanten Zielgruppe sogar fast jeden zweiten, wenn man den Zahlen glauben mag.

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Ö3 hat sich noch in der gleichen Nacht entschuldigt.

Der Shitstorm mag in der Form lächerlich sein, hausgemacht ist er trotzdem. Natürlich ist es zum einen eine knallharte, finanzielle Frage. Das haben aber andere schon besser aufgeschrieben, als ich es könnte. Der Shitstorm ist aber vor allem befindlicher Natur: Ö3 ist ein öffentlich-rechtlicher Sender, der österreichischen Musikern und der dahinterstehenden Wirtschaft seit Jahren das Gefühl gibt, ihre Musik würde dem Sender schaden. Die Lobby-Gruppen müssen um jedes Prozent mehr Anteil am Programm kämpfen. Initiativen wie die österreichische Musikcharta (die Vertreter der Musikwirtschaft dem ORF abgerungen haben) sind ja immer auch ein Zeichen dafür, dass es sie braucht. Und Ö3 argumentiert seinen geringen Österreicher-Anteil stets auch damit, dass heimische Bands bei den Hörern durchfallen würden. Diese Haltung zeigt sich auch in dem zweiten Teil des Lichtenegger-IVs.

Da wundert es wirklich noch jemanden, dass Videos, in denen sich diese Geringschätzung manifestiert, einen Shitstorm auslösen??

Der riesige Unterschied zwischen Fm4 und Ö3 besteht eben nicht ausschließlich darin, dass der Anteil österreichischer Musik auf Fm4 knapp doppelt so hoch ist. Sondern auch, wie mit ihm umgegangen wird: Bei Fm4 ist man stolz auf seine Österreicher, geht mit ihnen hausieren und schreibt sich das auf die Fahnen. Wie es sich für einen öffentlich-rechtlichen Sender gehört. Vielleicht sollte man bei Ö3 mal darüber nachdenken, wie man der heimischen Musikwirtschaft entgegentritt. Dann behandelt diese so ein Video beim nächsten Mal vielleicht auch als das, was es ist: Eine unbedarfte Einzelmeinung.

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Jonas Vogt hört wenig Radio, hält es trotzdem für ein wichtiges Medium. Er ist auch auf Twitter: @L4ndvogt

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