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Suprise-Acts und Gerüchte—Das war das Unsound 2015

Richie Hawtin is Burial is Kode9. Das Unsound in Krakau ist mein neues Lieblingsfestival.

Das Unsound in Krakau ist mein neues Lieblingsfestival. Ich bin selbst erstaunt, das so einfach sagen zu können, aber es hat irgendwie alles gepasst. Das Booking, die Locations, die Stimmung. Ich war letztes Wochenende zum ersten Mal am Unsound. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Dieses Jahr stand das Festival unter dem Motto „Surprise". Fast 50 Prozent des LineUps blieb im Vorhinein unangekündigt, was das Festival umso spannender gemacht hat. Dieser Moment, wenn ein Surprise-Act zu spielen beginnt und alle Leute aufgeregt anfangen zu raten, um wen es sich handelt, flüstern und twittern ist schon ziemlich besonders. Es erinnert aber ein bisschen an Schulkinder, die erwartungsvoll Gerüchte verbreiten, wenn ein/e neuer Schüler/in in die Klasse kommt—nur eben total erwachsen über Social Media.

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Für diejenigen, die noch nie etwas vom Unsound gehört haben, kurz zusammengefasst: Das Festival findet jährlich in Krakau statt und präsentiert elektronische, experimentelle Independent- und Clubmusik plus dazugehörige Visual-Künstler. Zusätzlich kuratiert das Unsound Events in einigen anderen Städten wie New York, London oder Toronto. Es gilt als Vorbild für viele Festivals rund um die Welt, was schon besonders ist, wenn man bedenkt, dass es in einer Stadt stattfindet, die nicht unbedingt für ihre Clubkultur oder Musikszene bekannt ist.

Das Booking

Wie bereits gesagt, hat sich dieses Jahr alles um Überraschungen gedreht. Somit bestand das LineUp zu einem großen Teil aus schwarzen Balken, die als Platzhalter für einige großartige Acts standen. Die Namen wurden erst während des Auftritts veröffentlicht. Das Konzept hätte auch ziemlich scheitern können, aber da der angekündigte Teil des Lineups schon sehr überzeugend war, bestand ein gewisses Grundvertrauen. „It's a playful theme, one that's meant to be fun—cause unexpected pleasures are the best kind" beschrieb das Unsound im Vorhinein ihr Motto. Es war auch tatsächlich sehr lustig. Zum Beispiel, als das Gerücht entstanden ist, dass Burial—der Dubstep-Pionier, der seine Idintität immer noch zum Geheimnis macht—zum ersten Mal auftritt. Journalist Louis Pattinson hatte da ein bisschen Mitschuld:

I don't want to alarm anyone but I'm pretty sure this is Burial playing live at Unsound — Louis Pattison (@louispattison) 15. Oktober 2015

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Bits of Burial tracks. Additional rainy ambience/FX. Played by guy in hoodie on high balcony. — Louis Pattison (@louispattison) 15. Oktober 2015

Die Meldung ist natürlich viral gegangen und schließlich dachten alle, dass Burial tatsächlich seinen ersten Gig spielt. Es würde ja auch Sinn ergeben: unangekündigt, im Dunkeln, niemand weiß, ob er es wirklich ist,. Daraufhin kam ein Tweet von Burials Label Hyperdub, nach:

Die Verwirrung wurde größer, bis schließlich einige dachten, Kode9 wäre eigentlich Burial. Doch dann bestätigte Hyperdub-Labelboss Kode9 in einer Mail an The FADER, dass Burial nicht am Unsound war, erst recht nicht dort aufgetreten ist und auch nicht plant in Zukunft irgendwo aufzutreten. Im Gegensatz zu den anderen Surprise-Acts wurde nicht bekannt gegeben, wer der vermeintliche Burial wirklich war—somit bleibt das Ganze ein Mysterium. Die Story wurde natürlich zum „Festival-Joke" und jeder weitere Surprise-Act wurde verdächtigt Burial zu sein. Als ob die Verwirrung nicht schon groß genug gewesen wäre, ist Kode9 dann am Freitag aufgetreten und hat den zweiten Floor der Main-Location zerlegt.

Einen weiteren Surprise-Schock gab es nach Romans' (Tin Man & Gunnar Haslam) grandiosem Acid-Liveset, als plötzlich Richie Hawtin den zweiten, kleineren, Floor betreten hat. Während seines langen Intros waren alle ganz leise und ungläubig, vereinzelt konnte man „Richiiie"-Rufe hören. Richie Hawtin passt im Grunde gar nicht zum Konzept des Festivals, das keine kommerziell erfolgreichen Acts bucht. Aber unangekündigt, am kleinen Floor, mit einem untypischen Set, ergibt das Booking doch irgendwie Sinn. Offensichtlich war es auch für Richie schön, vor einem kleineren und sehr anspruchsvollen Publikum zu spielen.

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Hate gab's natürlich trotzdem.

Und „Richie Hawtin is Burial"-Tweets auch.

Insgesamt fand ich das Booking sehr stimmig. Ich war mit einer Gruppe von Leuten unterwegs, die mit ziemlich unterschiedlichen musikalischen Erwartungen zum Festival gefahren sind. Aber da das Programm Techno, Bass, Experimental, Kuduro, Grime, Footwork, Jersey, Prog-Rock und mehr beinhaltet hat, wurde jeder zufrieden gestellt. Die Kunst sehe ich allerdings darin, dass die Musik so gut auf die einzelnen Floors und Locations verteilt war, dass es zwar vielseitig, aber nicht chaotisch wurde. Meine persönlichen Highlights waren DJ Firmeza und Nozinja, die mit schneller, afro-portugiesicher Clubmusik am Start waren. Außerdem noch DJ Uniiqu3, die Jersey-Queen, Untold mit einer Mischung aus experimentellem Dubstep und Techno. Und Kode9 mit seinem Abriss-UK-Grime-Set. Und Helena Hauff b2b Koehler.

Locations

Die Locations waren sehr unterschiedlich und speziell. Zum Beispiel hat der vermeintliche Burial in einer Salzmine gespielt, 100 Meter unter der Erde. Nur ein einziger Lift konnte die Leute hinunter bringen—nichts für Leute, die schnell in Panik geraten. Andere Acts sind in einem Kino, einem Museum oder einer Synagoge aufgetreten. Current 93 hätten in einer Kirche spielen sollen, aber es gab im Vorfeld Proteste—die Gruppe wurde des Satanismus bezichtigt. David Tibet, der Gründer von Current 93, hat sich in einem Statement gegen die Vorwürfe ausgesprochen und erklärt, dass er in seiner Musik seinen christlichen Glauben zum Ausdruck bringt. Das Konzert musste dennoch kurzfristig verschoben werden.

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Das Abendprogramm hat immer im Hotel Forum stattgefunden, das mit drei Floors ausgestattet ist: Einer riesigen Halle, einem recht großen Raum mit Teppichboden, der nach Schweiß und Bier gestunken hat und einem kleinen Floor mit Bar. Zusätzlich gab es einen Essensraum, mit riesigem Buffet—inklusive gesunder Fuchtsäfte und veganer Kost. Ein wenig nervig war, dass man überall nur Bier trinken konnte, außer am kleinsten Floor. Dort hat man aber für einen Longdrink gerade mal drei Euro zahlt—gefährlich, wenn ihr mich fragt.

Das Publikum

Die Stimmung war allgemein ziemlich gut. Die Leute waren wirklich angenehm und ich wurde kein einziges Mal blöd angemacht. Die meisten waren aus Polen, einige Engländer gab's auch. Seltsamerweise waren geschätzte 90 Prozent schwarz angezogen—passend zum Design des Festivals. Vielleicht doch alles Satanisten? Eher hippe Musiknerds.

Ein ganz klares Urteil: Ich würde das Unsound jedem weiterempfehlen.

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