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Wie sind wir von Britney zu Lorde gekommen?

Das Bild des weiblichen Popstars hat sich verändert: Sie ist nicht mehr nur das Mädchen von nebenan, sondern auch der beste Freund aller Außenseiter.

Ich bin in der Ära von Britney Spears groß geworden, habe ihre Songs auf dem Schulhof mit falschem Elan gesungen, weil ich keine Ahnung hatte, worum es in den Songs wirklich ging. Ich war von Britneys sinnlicher Stimme und ihren perfekten Bauchmuskeln fasziniert—aber wer war das nicht? Und ich bin alt genug, um den ambivalenten Reiz der Britney Spears-Ära erlebt zu haben, aber trotzdem jung genug, um von einer spannenden neuen Art Popstar angezogen zu werden. Was hat sich also verändert?

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Wir haben das Zeitalter des alternativen Pop erreicht. Weibliche Popstars eigneten sich einen punkigen Charakter und eine Dunkelheit an, die den Kaugummi-Pop der Vergangenheit in den Hintergrund drängt. Letztendlich ist Popmusik laut Definition ein Spiegelbild von Trends, die die jüngsten Konsumenten der Gesellschaft für am Beliebtesten halten. Der Erfolg dieser neuen Art von angstbeherrschten Popstars ist nicht auf die Entscheidungen von Musikmanagern in den Vorstandsetagen zurückzuführen—es ist ein Abbild des Teenager-Milieus. Das war es zwar schon immer, aber wir schließen uns nicht mehr alle demselben—für die Masse vermarkteten—Ideal an. Stattdessen gibt es Optionen. Wenn es um die Evolution vom kecken Pop zur Mainstream-Melancholie geht, dann müssen wir beide Seiten der Medaille betrachten. Um diesen Wandel nachzuzeichnen, sollten wir uns zwei Teenager-Königinnen ansehen: Britney Spears und Lorde.

Foto via Flickr | Liliane Callegari | CC BY 2.0

Als Britney 1999 auf der Bildfläche erschien, war sie jung, blond und heiß—sie war die kleine Lolita des Pop. Dieser perfekte Mix aus einem typisch amerikanischen Teenager und einer Traumfrau an der Schwelle zum sexuellen Erwachen war ein Bild, das mit ihrem Video zu „Baby One More Time“ in die Zeit einbetoniert wurde. Alles an ihr hat die Anziehungskraft des Mainstreams reflektiert. Mädchen wollten sein wie sie, das perfekte Mädchen mit dem perfekten Körper, das über Liebe singt, während es von männlichen Verehren umringt wird. Das einzig Kontroverse an ihr war ihr Sexappeal—die Liebeslieder und der quirlige Sound, der sie berühmt gemacht hat, sind mittlerweile Kaugummi-Pop. Britney verkörperte das, was amerikanische Teenager von einem Popstar zu Beginn der 2000er erwarteten, weil Teenager zu Beginn der 2000er so sein wollten. Noisey: Hier sind ein paar Gründe, warum die Generation unserer Autorin musikalisch im Arsch ist. Lorde ist ein rückwärtsgewandter Popstar. Sie ist die Antwort der „anderen“ Mädchen auf die Britney-Ära. Ihre schwarze Kleidung und die dunkel geschminkten Lippen sind so weit weg von grellem Pink oder rotem PVC wie nur möglich. Und eine Choreographie? Also bitte. Sie verbiegt ihren Körper in einer Art und Weise, die merkwürdig und abstoßend ist, gebeugt und zuckend wie eine Hexe, die tödliche Kräuter in einen Kessel wirft. Und textlich gesehen bewegt sich Lorde in einem komplett anderen Universum. Sie schreibt ihre eigenen Songs und die Themen reichen von Apathie bis zu alltäglichen Kämpfen—die personifizierte Angst. Es dürfte dir schwer fallen, ein klischeehaftes Liebeslied in ihrem Repertoire zu finden.

Während Britney einen Look bediente, der sich an der Sexualität einer Teenager-Queen geweidet hat und Jungs ansprechen sollte, hat Lorde das Bild des coolen, rebellischen Kindes auf dem Schulhof gewählt. Das Bild des unsozialen Popstars ist explodiert, als Lorde zum jüngsten Solokünstler mit einer Nummer-Eins-Single in den USA seit Tiffanys „I Think We’re Alone Now" von 1987 wurde (ein Song, der durch die „The Beautiful You: Celebrating The Good Life Shopping Mall Tour“ bekannt gemacht wurde). Und dank Tumblr, YouTube und Twitter musste sie nicht einmal Neuseeland verlassen, um ein internationaler Star zu werden, geschweige denn unzählige Shopping Malls besuchen.

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Foto via Flickr | steven.i | CC BY 2.0

Es ist nicht so, als wäre Amerika über das Mädchen von nebenan hinweg. Ich stelle nur heraus, dass dieses Mädchen auch die beste Freundin des Außenseiters sein kann, die schwarz trägt und harte Goth-Vibes bedient. Molly Ringwald versteht Ally Sheedy, so wie Taylor Swift Lorde versteht. Aber anders als Ally Sheedy versteckt sich Lorde nicht hinten im Klassenzimmer—sie tritt bei den Grammys auf. Vor fünfzehn Jahren wäre Lorde niemals zu einem Popstar geworden. Sie wäre als zu merkwürdig angesehen worden. Zu düster. Zu anti. Aber Lorde ist heutzutage erfolgreich, weil das Internet den Männern in Anzügen aus den Vorstandsetagen, die Britney Spears entworfen haben, die Kontrolle ein Stück weit entzogen hat.

Sich verändernde Teenager-Ideale werden gänzlich von der Popkultur reflektiert. Cool zu sein, ist seit Anbeginn der Zeit der Grundpfeiler einer jeden Teenager-Generation und wir wurden darauf konditioniert, zu glauben, dass all das Dargestellte existiert. Die beliebten Mädchen wurden früher durch perfekte blonde Haare und einen Cheerleader-Faltenrock definiert. Das wird durch Britney deutlich, aber auch durch andere Teenager-Phänomene dieser Zeit wie Beverly Hills, 90120 und O.C., California. Es war wirklich die Zeit des Prototyps eines beliebten Mädchens: sexy, trotzdem unschuldig, quirlig und lustig.

Heutzutage sind Doc Martens und in Pastelltönen gefärbte Haare die Markenzeichen eines coolen Kids. Lordes durch das Internet entstandene Ästhetik fügt sich genau in ihre Generation an Teenager-Konsumenten ein, die eine Definition von Beliebtheit auf Basis des Online-seins erschaffen haben. Das Brat Pack der Millennial-Generation besteht aus angehenden Models (siehe: Kendall Jenner, Gigi Hadid) und viral stilprägenden Personen (Tavi Gevinson, Petra Collins). Beliebtheit äußert sich nicht mehr in der Cafeteria sondern durch Reblogs und Instagram Follower.

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Foto via Flickr | Jana Beamer | CC BY 2.0

Lorde und ihre Musik reflektieren die Macht der Tumblr-Generation. Sie begleitet uns im Dickicht des Erwachsenwerdens und macht sich über das opulente Drumherum des Ruhms lustig, während sie gleichzeitig zugibt, ihn sich zu wünschen. Es drückt all das aus, was das Dasein als Teenager-Mädchen mit sich bringt: gleichzeitig alles zu hassen und es dennoch so sehr zu wollen. Im Song „Bravado“ singt Lorde: „I want the applause, the approval, the things that make me go ‚Oh‘.“ Sie will an der Spitze der Charts stehen, sicher, aber damit geht auch der Kampf um Anerkennung seitens ihrer Altersgenossen einher. Selbst der größte Wunsch von Stars, als Teenager in der Schule dazuzugehören, wird von Lorde in ihren Hits und bei Tumblr thematisiert. Denn letztendlich sind die sozialen Medien doch nichts anderes als ein riesiger Nährboden für Fieslinge und Trolls, oder? Es ist die virtuelle Higschool-Hölle.

Ich prophezeie, dass die düstere Seite der Popmusik nur noch weiter wächst und sich weg von den Britneys und hin zu mehr Lordes entwickelt. Unsere Wahrnehmung des It-Girls wird sich verändern. Aber was passiert, wenn jeder alternativ wird? Wird Britneys Look als Mädchen von nebenan die Alternative, sobald wir alle violetten Lippenstift tragen und uns nicht mehr die Haare kämmen? Die wirkliche Frage ist nicht, welches Bild in der derzeitigen Hierarchie der Popkultur beliebter ist. Es ist die Frage, was die Alternative zu der Alternative ist und wie lange es dauern wird, bis wir wieder am Anfang stehen.

Vielleicht muss es an der Spitze der Pop-Prinzessinen-Pyramide nicht nur die eine Ästhetik geben. Taylor Swift und Lorde, zwei der größten Herrscherinnen des Pops, sind erwiesenermaßen gute Freundinnen; eine Freundschaft, die sowohl von den Medien als auch von ihren Fans begierig aufgenommen wird. Es ist mehr als eine einfache Koexistenz—ihre Fans teilen viel von dieser Überschneidung und zeigen damit, dass die heutigen Pop-Hörer Anhänger von mehr als nur einem Sound sein können. Letztendlich wird Popmusik nicht durch Essays oder Musikkritiker geformt—sondern durch das, was beliebt ist; etwas, das nur vom Publikum bestimmt werden kann. Es liegt also an den Fans, zu entscheiden.

Aliza Abarbanel ist bei Twitter.

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