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Interviews

Combineharvester produzieren nüchterne Audio-Trips

Marlon McNeill sprach mit uns über Entführer vom Schwarzen Block, koksende Enten und das kreative Potenzial von Buchhaltung.

Wenn du dir den 30 Minuten-Song „Some Ditty, a Mountain II“ von Combineharvester anhörst, wirst du dich in einer anderen Sphäre finden. Im Vergleich dazu gehört „The Dark Side Of The Moon“ in die Radio Energy-Heavy Rotation. (Obwohl Combineharvesters neues Album „Brikks“ zugänglicher ist. Man will ja auf Stadionkonzerte hinarbeiten.)

Die Musik von Combineharvester ist eine Audio-Droge. Und zwar keine für angenehmes Hintergrundflimmern, sondern etwas Tiefes, Urtümliches. Und seit ich Marlon getroffen hab, weiss ich, dass diese Musik nicht von einem bettlägerigen Psychonauten gemacht wird, sondern von einem gemütlich-schrägen Menschen.

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Zwar ist er grad etwas geschafft, da ihn die ungewöhnliche Pendelstrecke Basel-Giswil etwas mitnimmt, aber bald ist Premiere des Theaterstücks „Bobby McNeal fell from the sky over Giswil“. Danach kann er sich wieder in Basel einigeln.

Marlon hatte die Idee, dass wir uns auf LSD an einer Chilbi Rosen erschiessen. Das fanden wir dann aber doch wieder blöd. Drum haben wir einfach miteinander und mit Bier gesprochen. Immerhin haben wir uns am Ende umarmt:

VICE: Dürfen wir denn das Gespräch darüber führen, dass wir nicht Drogen-Aushängeschilder sein möchten?
Marlon: Also kein LSD mehr?

Wann warst du das letzte Mal auf was?
Alkohol, aber das zählt ja nicht. Kafi… KAFI! Also, das tönt vielleicht blöd, aber mir fährt es mega ein, wenn ich einen grossen Kaffee trinke. Auf was bist du grad?

Nüchtern. Du auch?
Bin grad Töff gefahren auf der Autobahn.

Endorphinrausch?
Nein, ich bin sauschläfrig im Moment. Und jetzt müssen wir uns auch noch gegenseitig unterhalten.

Wir können das Gespräch gemütlich organisieren und über die Dinge reden, die wir sehen. Was denkst du: Welcher Drogentyp sind diese Enten?
Koks. Das muss Koks sein. Die sind so ambitioniert und triebgesteuert.

Wenn du nicht reden willst, hättest du mir auch einfach einen CV abgeben können. Was hast du denn bisher so gemacht?
Alles Mögliche. Bis letztes Jahr habe ich im Hirschi gearbeitet. Jetzt durfte ich das an meinen Padawan abgeben. Früher hab ich bei Speck gespielt, weiss nicht, ob dir das was sagt? Frag mal ein bisschen rum: Speck in Basel.

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Speck kenn ich nicht. Ich bin halt zugezogen. Hast du denn ein Problem mit Zugezogenen?
Nein, bin ja selber auch zugezogen. Also, ist schon etwas länger her, aber ich bin in London geboren und mit fünf bin ich hierhergekommen. Mein erstes Wort war Combineharvester; daher der Name. Dann in der Schweiz gings zuerst in die Agglo: 4133—Prattele-Längi! Irgendwann später habe ich mit Speck angefangen, wir sind so ein bisschen zu Local Heroes geworden.

Selbstbezeichnung als Local Heroes. Ist das nicht etwas arrogant?
Arrogant? Also Minimum Local Heroes. Wir haben gestörte Musik mit Aktionen gepaart. Am BScene-Festival haben wir gespielt. Aber wir waren gar nicht eingeladen. Mit einem Bus voll eigenem Strobo und einer Nebelmaschine kann man für die knappe Minute, in die wir drei Songs pressen, die Aufmerksamkeit vor jedem Club-Eingang auf sich lenken.

Am Schluss haben uns die Bullen doch noch erwischt, obwohl sie lange stets eine Location hinterher waren. Der Rest der Band konnte abhauen, aber mich haben sie reingenommen. Aber jo… Eine Busse wegen Nachtruhestörung. Und sonst: Wir waren halt eine Grindcore-Band.

Aber ist doch easy, wenn man mit Grindcore über das Niveau von einem Local Hero kommt.
Jo … Voll. Und dann an der Bad Bonn Kilbi 2013 haben wir unser letztes Konzert gespielt. Dort sind wir entführt worden und seither hat die Band niemand mehr gesehen.

Du bist also noch entführt. Ist aber strategisch ungeschickt, wenn sie dich in Basel halten.
Es waren halt einfach so ein paar Leute vom Schwarzen Block. Die hatten kein Interesse an Lösegeldforderungen. Sie hatten einfach die Nase voll von uns als Band. Aber vielleicht bin ich auch nicht mehr der, der ich war. Sonst wäre ich ja nicht mehr da. Basel ist klein. Es ist wie ein Gefängnis. Ein gutes Gefängnis, auf eine Art.

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Merkt man im Grindcore-Business was davon, dass Basel die Stiftungshauptstadt der Welt ist?
Haben wir mal was bekommen? Nein, glaub nicht. Aber mein Label „A Tree In A Field“-Records schon, Combineharvester auch. Von daher: Ist schon gut.

Und wie ist das Label entstanden?
Das hab ich für die erste Combineharvester-CD gegründet. Ich hab das zwar schon ein paar Labels geschickt, aber ich hatte keine Lust bei denen nachzuhaken. Drum habe ich halt einfach selber ein Label gegründet. Das ist dann immer mehr geworden, zuerst waren nur Freunde auf dem Label. Dann kamen später immer mehr dazu. Und das ist schon der Grund, warum ich im Hirschi aufgehört hab.

Würde dich dein pubertäres, 15-jähriges Ich heute gut finden?
Ich mache ja jetzt, was mein pubertäres Ich immer wollte. Aber damit es klappt mit Stadionkonzerten—das Hallenstadion zum Anfang—müsste mir das pubertäre Ich wohl zuflüstern, dass ich noch etwas mehr machen könnte. Ich mach jetzt immerhin einen Buchhalterkurs. Buchhaltung ist eigentlich genau das, was ich immer machen wollte.

Wie kann man denn Buchhaltung in die Musik einbringen? Wäre Buchhaltung 3-Akkord-Punk?
Ich glaube Buchhaltung könntest du schon kreativ einsetzen. Die, die das machen bekommen dann auch viel Geld. Und irgendwann kann ich auch Aktive und Passive komponieren, damit das mit dem Hallenstadion klappt … Dann sind mein pubertäres Ich und die aggressiven Enten hier zufrieden.