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Von den Red Hot Chili Peppers bis zum Drive-Soundtrack: Ein Interview mit Komponist Cliff Martinez

Der ehemalige Schlagzeuger komponiert jetzt Soundtracks für Filme wie Drive, Spring Breakers oder Only God Forgives.

Cliff Martinez wird den meisten wahrscheinlich durch seine Zusammenarbeit mit den Filmemachern Steven Soderbergh und Nicolas Refn ein Begriff sein. Als Komponist der Musik von Sex, Lügen und Video, Drive, Solaris und Only God Forgives hatte Martinez die Möglichkeit, die Stimmung für ein paar der besten Filme der letzten Jahrzehnte mitzubestimmen. Tatsächlich offenbart ein Blick auf Martinez’ Filmografie eine wirklich makellose Erfolgsgeschichte. Aber er hat nicht nur durch seine Kompositionen Aufmerksamkeit erregt. Seine musikalische Laufbahn hat er in der Punkszene der späten 70er/frühen 80er begonnen und eine Karriere hingelegt, die abwechslungsreicher nicht sein könnte. Er hat unter anderem mit den Dickies, Captain Beefheart und den Red Hot Chili Peppers aufgenommen, was ihm einen Platz in der Rock ‘n‘ Roll Hall of Fame einbrachte. Im Zuge seiner neuesten Veröffentlichung, dem Soundtrack für den HBO-Film Normal Heart, haben wir uns mit Cliff getroffen, um ihn zu seinem Wandel vom L.A.-Punk zum Grammy-nominierten Filmkomponisten zu befragen.

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Noisey: Wie bist du zur Musik gekommen? War das durch dein Engagement in der Punkszene von L.A.?
Cliff Martinez: Ich habe in vielen lokalen Bands in L.A. mit einer handvoll Leuten aus der Szene gespielt. Das Erste von Bedeutung waren, denke ich, die Weirdos—das war 1980. Dann habe ich 1981 mit Lydia Lunch gespielt und 1982 mit Captain Beefheart aufgenommen, gefolgt von den Dickies und den Red Hot Chili Peppers. Das waren die bekannten Bands. Davor habe ich in vielen Bands gespielt, die Teil der Punkszene waren, aber von denen wahrscheinlich noch nie jemand gehört hat: The Tenants und eine Band namens Resistors. Es gab eine ziemliche lebendige Szene, die ungefähr 1977 loslegte, glaube ich. Ich hielt das einfach für cool. Ich kam hier her und habe progressiven Rock und Jazz gespielt, habe dann die Screamers entdeckt—ich denke, das war die erste Band, die ich gehört habe—, mich in die Punkszene verliebt und wollte ein Teil davon sein.

Die Punkszene ist heute ziemlich aufgespalten, das schien früher nicht der Fall gewesen zu sein. Wie hast du dieses Umfeld in Erinnerung?
Das entstand in Hollywood und ist dann nach Süden Richtung Strand gewandert, eher in Form von Hardcore. Aber die ursprüngliche Hollywood-Szene … nicht alle davon passten genau zusammen. Ich erinnere mich an die Go-Gos, X, Fear, die Weirdos, die Dickies, die Germs; ich denke, man könnte sagen, dass die Gemeinsamkeit war, dass es alles Musik war, die von den Sex Pistols und den Ramones abstammte, aber alle hatten ihren eigenen Ansatz. Die Dickies hatten einen etwas leichteren Westcoast-Ansatz. Sie haben nicht versucht, die Sex Pistols zu sein, sie haben irgendwie ihre eigene Doofie-Komponente erschaffen, die die Ramones auch hatten. Und die Jungs vom Strand—wie die Germs—waren eher so was wie wütendere Sex Pistols, was für mich nie zum südkalifornischen Lebensstil passte. Ich habe immer die Dickies für ihre leichtere, melodischere, positive und alberne Version von Punk bewundert.

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Als du bei den Red Hot Chili Peppers eingestiegen bist, hattest du da das Gefühl, dass du dich von der Punkszene entfernst?
Ich denke, dass [die Red Hot Chili Peppers] immer zur Punkrock-Szene gehören wollten, aber Punk zu sein bedeutete, wenig Platten zu verkaufen oder überhaupt keine Platte zu haben. (Lacht) Die Red Hot Chili Peppers wurden sehr schnell sehr bekannt; sie hatten, glaube ich, zwei Wochen nach ihrer ersten Liveshow einen Plattenvertrag. Eine Platte auf einem Label sondert dich also irgendwie von vielen anderen Bands ab. Aber auch stilistisch waren bei ihnen noch andere Sachen los; sie hatten diese Rap- und HipHop-Einflüsse. Wir haben versucht, zusammen mit den Circle Jerks und anderen Punkbands zu spielen, aber das hat irgendwie nicht so richtig gepasst. Weißt du, Flea und ich haben uns kennen gelernt, weil wir beide Bewunderer und Schüler der lokalen Punkszene waren.

Cliff als Schlagzeuger für die Red Hot Chili Peppers, 1985

Von den Chili Peppers führte dein nächster großer Schritt zum Komponieren. War das Komponieren schon immer interessant für dich?
Nein, das kam später. Ich wurde 30, als ich bei den Red Hot Chili Peppers war und ich habe einfach weniger Zeit in Nachtclubs und mehr in Kinos verbracht. Das war ein Geschmack, den ich mir erarbeitet habe. Zur gleichen Zeit—angefangen mit dem ersten Chili Peppers-Album—hat mir Andy Gill (Gang of Four) den Drumcomputer näher gebracht. Ich habe mich einfach bedroht und gleichzeitig fasziniert gefühlt vom wachsenden Einfluss der Computertechnologie auf das Musikmachen. Ich denke, [mein Interesse für das Komponieren] fing eines Tages beim Zappen im Fernsehen an, als ich eine Folge von Pee-wee’s Playhouse gesehen habe. Die Red Hot Chili Peppers kannten den Regisseur von Pee-wee’s Playhouse, Stephen Johnson. Er war ein Freund der Band und hat irgendwann ein Video für sie gemacht, also habe ich ihn gefragt, ob ich eine Folge für Pee-wee’s Playhouse vertonen könne. Und nachdem ich das gemacht habe, wurde mir klar, dass es erstens der bestbezahlte Job war, den ich je hatte, und zweitens wirklich Spaß gemacht hat, diese für mich zu dieser Zeit experimentelle Musik zu machen und sie mit den Bildern abzustimmen. So kam das Interesse zustande, unbedingt Musik für Filme schreiben zu wollen.

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Wie viel Raum zum Experimentieren wurde dir gelassen?
Sie haben mir das Video gegeben und im Prinzip gesagt, ich könne damit machen, was ich will. Ich glaube, ich habe Paul Rubens (Pee-wee) einmal getroffen und er hat nichts zu mir gesagt; (lacht) auch keine kreative Richtung angeboten. Es gab zwar einen Musik-Chef, aber auch der hat nichts gesagt. Aber es gab … Ich bin bei der zweiten Staffel eingestiegen, also gibt es die erste Staffel, bei der Mark Mothersbaugh ein bisschen Musik geschrieben hat, Danny Elfman ein bisschen, die Residents, Stanley Clarke; es gab viele Leute, die den Weg geebnet haben. Keine Sendung glich musikalisch einer anderen. Das war eine Ansammlung von verschiedenen Komponisten. Aber alle waren relativ bahnbrechend, also wusste ich, dass ich machen konnte, was ich wollte. Und seither scheint es so, als würde ich meine besten Arbeiten machen, wenn die Leute mich einfach machen lassen (lacht).

Ich denke, dass viele Musiker die Vorstellung, einen Soundtrack zu schreiben, einschüchtert. Musik zu schreiben, ist eine Sache, aber die Geschwindigkeit für einen Film zu bestimmen, ist etwas komplett anderes. Was hast du für deine erste Arbeit als Komponist von Pee-wee als Inspiration genutzt?
Ich denke, du hast Recht. Beim [Komponieren] gab es etwas direkt Einschüchterndes, weil meine Erfahrung mit Bands war, dass du einfach geschrieben hast, worauf du gerade Lust hast. Wenn du aber etwas zu einem bereits vorhandenen Film schreiben musst, musst du den Rahmen viel enger stecken. Du musst sehr genau sein. Du musst ein spezifisches Gefühl verfolgen, eine bestimmte Reaktion beim Zuhörer bzw. dem Zuschauer—und das war schon sehr beängstigend. Ich hatte vorher noch nie wirklich Musik geschrieben. Ich hatte immer nur etwas zu den Bands, in denen ich war, beigetragen. Ich hatte nie alles selbst gemacht und ich musste noch nie Musik schreiben, die eine bestimmte Reaktion hervorrufen sollte.

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Wie hat sich deine Beziehung zu Steven Soderbergh entwickelt?
Die Beziehung ist schon einzigartig. Mit Nicolas Refn habe ich für zwei Filme zusammengearbeitet, aber mit Steven … ich habe aufgehört zu zählen. Ich denke, es waren neun oder zehn Filme über einen Zeitraum von 26 Jahren; also kann ich das mit nichts anderem vergleichen. Er wurde über die Jahre definitiv etwas glatter und hat sich weiterentwickelt. Und ich denke, das habe ich auch; ich habe in den 25 Jahren vieles gelernt. Was unsere Beziehung betrifft (lacht), ist wahrscheinlich die größte Veränderung, die ich bemerkt habe, dass wir immer weniger reden. Es scheint eine Art kreative Stenografie zu geben, geistige Telepathie. Er ruft mich nur an, wenn er weiß, dass ich geeignet für den Job bin. Das alleine führt schon dazu, dass es gut wird. Er muss mir nicht wirklich sagen, was ich tun oder lassen soll.

Sowohl Solaris als auch Drive und Spring Breakers hatten ziemlich großen kommerziellen Erfolg. Es gab Vinyl-Veröffentlichungen und die haben sich gut verkauft. Besonders die Drive-Veröffentlichung … Ich glaube, die Mondo-Version war in weniger als fünf Minuten ausverkauft.
Ich habe das Wiederaufkommen von Vinyl nicht kommen sehen. Ich verstehe das immer noch nicht. Ich habe nach der Veröffentlichung des Only God Forgives-Vinyls in Silver Lake eine Autogrammstunde gegeben und habe gefragt, wer denn eigentlich einen Plattenspieler hat; die meisten haben gesagt, sie hätten keinen (lacht). Ich habe immer von dieser Idee geträumt, dass die Popwelt und die Welt der Filmmusik zusammenfinden und ein Stück von einem Soundtrack zu so etwas wie einem Hit wird. Ein paar Leute haben das fast geschafft, doch ich habe mich oft gefragt, ob das überhaupt möglich ist. Ich denke, Filme sind eine tolle Möglichkeit, um experimentellere Musik einzusetzen; Musik, die du sonst nicht im Radio hörst. Viel abseitigeres Zeug stammt aus Film-Soundtracks. Also dachte ich, dass es vielleicht möglich ist; und dann bekommt Trent Reznor einen Oscar für seinen ersten Soundtrack, also passiert so was schon. Das mit Drive habe ich jedoch nicht kommen sehen. Für mich war das nur eine Art Fortführung von dem, was ich seit Sex, Lügen und Video gemacht habe: ein irgendwie minimalistischer Ambient-Soundtrack.

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Ich denke, beim Drive-Soundtrack und insbesondere beim Spring Breakers-Soundtrack passt die eigentliche Songauswahl so gut zu deiner Arbeit, dass es sich anfühlt wie eine zusammenhängende Pop-Platte. Du kannst dir diese beiden Platten als ganzes Album anhören und es fühlt sich richtig an.
Na ja, mehr konnte ich mich einem „Hit-Soundtrack“ nicht annähern, nicht dass du diese Worte wirklich zusammen in einem Satz hören würdest. Ich denke, im Fall von Drive war es einfach die Tatsache, dass die Songs und die Filmmusik wirklich gut zusammenpassen. Es klingt nach einem zusammenhängenden Konzept. Die Songauswahl von Nicolas klingt, als könnte alles vom selben Künstler stammen. Es ist eine sehr eigenwillige Hommage an die 80er; ich denke, man kann sagen, dass Kavinsky und die Chromatics eine Art Verneigung vor den 80ern sind. Wenn sich ein Filmsoundtrack gut verkauft, dann ist das meistens wegen der Songs, wenn du also daran mit deiner Musik anknüpfen kannst, kann der Soundtrack erfolgreich werden. Trotzdem muss wahrscheinlich ein erfolgreicher Film dahinter stecken. Wenn ich die Formel dafür komplett verstehen würde, dann würde ich diese Erfahrung gerne wiederholen.

Für Spring Breakers hast du beim Soundtrack mit Skrillex zusammengearbeitet. War das der erste Soundtrack, bei dem du mit jemandem zusammen komponiert hast?
Na ja, ich habe schon mit anderen Leuten zusammengearbeitet, bereits für Traffic. Ich habe eigentlich immer mit anderen Leuten gearbeitet, aber das ist die erste berühmte Zusammenarbeit mit einem großen Namen.

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Skrillex ist ein ziemlich polarisierender Künstler, wie war es mit ihm zu kollaborieren?
Also zuerst wusste ich gar nicht, wer er ist; ich kannte seine Musik nicht. Ich habe ihn und seine Musik beim Screening des Films kennengelernt, da ich noch nicht wusste, ob ich den Film machen würde. Die erste Szene ist die, in der die Mädchen oben ohne zu „Scary Monsters and Nice Sprites“ in Zeitlupe rumspringen. Diese ganze Sequenz, die ersten beiden Minuten des Films mit der Musik und diesen Bildern, ist das, was mir wirklich Lust auf den Film gemacht hat. Aber ich glaube, wir waren vielleicht zwei oder drei Mal zusammen in einem Raum. Wir haben uns also nicht wirklich viel gesehen. Wir haben ein paar Dateien über das Internet ausgetauscht, eine Menge Sachen wurden dem jeweils anderen einfach gegeben und ein paar Sachen wurden hin- und hergeschickt. Skrillex hat etwas geschrieben und Harmony [Korine] hat mich dann gebeten, dem etwas hinzuzufügen und dann ist es zurück zu Skrillex gegangen. Am Anfang machte es nicht den Anschein, als würden unsere beiden Stile zusammenpassen, aber ich denke, dass es ein merkwürdig homogener Soundtrack geworden ist. Es sind über 20 Songs von sehr verschiedenen Künstlern, viel Musik von Skrillex und viel Musik von mir und es scheint alles wirklich super zusammen zu passen.

Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass der Film hauptsächlich deswegen funktioniert, weil die Musik so gut mit den Bildern zusammenarbeitet. Die Musik ist eine der wichtigsten Erzählmethoden, die Korine benutzt.
Ich denke normalerweise nicht, dass Filme, in denen ununterbrochen Musik vorkommt—die also so etwas wie ein endlos langes Rockvideo sind—besonders gut wirken. Aber aus irgendeinem Grund kann dieser Film durchgängig Musik vertragen und es scheint einfach zu passen. Ich glaube, nachdem sie mir ein paar Szenen gezeigt haben—am Anfang haben sie mir den Film nicht komplett gezeigt—war meine erste Frage: „Wollt ihr den ganzen Film so machen? Wird das wirklich eine Art Stummfilm, in dem ununterbrochen Musik läuft?“ Und Harmony sagte: „Oh ja.“ Ich war skeptisch, ob er das hinbekommt, aber es hat funktioniert. Finde ich zumindest.

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Korine ist keiner, der vor Experimenten zurückschreckt. All seine Filme sind wirklich unterschiedlich und ich denke, dass Spring Brakers, besonders wegen des Soundtracks, mein Lieblingsfilm von ihm ist.
Als Regisseur muss man ziemlich unerschrocken sein, um so etwas zu machen. Normalerweise wollen die Regisseure den Verantwortlichen für die Musik nicht so viel Verantwortung übertragen, da sie finden, dass es bei Filmen hauptsächlich um die Dialoge und Bilder geht. Eine sechs Minuten lange Szene, in der es nicht wirklich viel Dialog gibt und in der die Musik die Erzählung übernimmt, so wie Nicolas [Refn] das macht? Ungewöhnlich. Weißt du, Nicolas war der erste Regisseur, mit dem ich zusammengearbeitet habe, bei dem ich Zeitspannen von fünf, sechs oder sogar neun Minuten Länge für meine Musik hatte; das ist sehr ungewöhnlich. Er ist einfach selbstbewusst und entspannt genug, um etwas aus der Hand zu geben, bei dem die Musik wirklich etwas leisten und eine große Rolle in der Erzählung spielen soll. Das passiert nicht oft. Ich fand es ein bisschen merkwürdig, dass Spring Breakers und Drive so kurz nacheinander rauskamen, da für mich beide fast Stummfilme waren, die der Musik wirklich viel Verantwortung für das Momentum und die Energie bei der Erzählung überlassen haben.

Und Only God Forgives sogar noch viel mehr. Im Prinzip ist dieser Film ein Stummfilm. Es fühlt sich so an, als gäbe es in dem Film vielleicht zehn Minuten Dialog und der Rest wird von der Musik und dem Licht getragen.
(Lacht) Ja, Kristen Scott Thomas ist die einzige, die irgendwas sagt, die einzige Figur, die ein paar Zeilen hat. Er hat das noch mehr auf die Spitze getrieben. Weißt du, bei Drive hast du einen unkommunikativen und stoischen Charakter—den von Ryan Gosling. Und [bei Only God Forgives] sind alle drei Charaktere so (lacht): die Angebetete, die Hauptrolle, Chang, niemand sagt etwas: es gibt keine Dialoge für sie. Das war wirklich mutig.

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Das ist auch ein ziemlich experimenteller Soundtrack. Es ist eine ziemlich multikulturelle Produktion, was die Filmmusik wirklich schön wiederspiegelt. Sie scheint viele multikulturelle Elemente mit einzubauen, ohne deine Handschrift zu verlieren.
Tja, das war die Absicht. Ich wollte, dass er mehr Thai-Einflüsse hat, aber das wurde verworfen, also gibt es nur die Andeutung davon. Weißt du, viele Leute halten meine Soundtracks für originell, aber für mich sind sie immer eine Kombination aus Einflüssen von Künstlern, die ich ziemlich genau imitiere. Wenn du drei oder vier davon übereinanderlegst, dann geht die Originalität auch verloren (lacht). Ich denke, bei Only God Forgives hatte ich ungefähr zehn; unter anderem Goblin, Philip Glass, Ennio Morricone und Thai-Pop. Wenn du anfängst, diese ganzen Einflüsse zu vermischen, dann wird daraus etwas, das ziemlich schwer wiederzuerkennen ist.

Das ist vielleicht der Punk, der noch in dir steckt. Der Erfolg von Punk beruht ja im Prinzip darauf, sich stark bei anderen Einflüssen zu bedienen und etwas Originelles daraus zu machen.
(Lacht) Na ja, ich denke, das ist nicht nur bei Punk so. Ich denke, dass jeder das macht und wenn sie es schlau anstellen, werden sich nicht erwischt (lacht). Aber ich denke, die Filmmusikbranche ist wahrscheinlich noch inzestuöser, auch aufgrund der Praxis, dass es Musik als Platzhalter gibt. Fast jeder Cutter weigert sich, einen Film ohne Musik zu schneiden. Und oft gibt es zu der Zeit, zu der der Film geschnitten wird, noch keinen Komponisten oder den Original-Soundtrack, also werden diese temporären, vorgefertigten Musikstücke verwendet, oft aus anderen Filmen. Das ist eine ziemlich kontroverse Praxis, ich habe da nicht wirklich ein Problem mit, aber es beeinflusst einen schon bei der Filmmusik. Wenn sie funktioniert ist es schwer, sich nicht davon beeinflussen zu lassen. Also passiert das oft, da es auch oft schnell gehen muss. Es gibt eine Deadline, die immer näher kommt. Manchmal bleibt da sogar gar keine Zeit, originell zu sein, da das auch Zeit benötigt, falsche Sachen machen zu können. Zeit zu experimentieren und vielleicht auf dem falschen Weg zu sein.

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Was steht gerade bei dir auf dem Plan?
Gerade widme ich mich mal ein wenig dem Nichtstun. Ich habe gerade einen Film fertiggestellt, der, glaube ich, noch nicht angelaufen ist und der The Normal Heart heißt. Das ist ein HBO-Film mit Mark Ruffalo und Julia Roberts; er ist wirklich gut. Und Anfang August habe ich dann diese zehnteilige Serie bei Cinemax, ein Medizin-Drama namens The Knick, bei dem Steven Soderbergh Regie führt und das habe ich gerade beendet. Ich arbeite an einem Videospiel namens Farcry 4—ich weiß nicht, wann das rauskommt. Das dauert bei diesen Sachen manchmal Jahre. Sie planen, das Spiel im November dieses Jahres fertigzustellen, ich weiß nicht, ob das klappt. Und dann habe ich ein wenig Musik für die Dokumentation über die Entstehung von Only God Forgives gemacht, die von Nic Refns Frau gedreht wurde. Ich glaube, in Europa kommt die in einem Monat oder so raus.

Zum Abschluss würde ich gerne wissen, was deine Meinung über die momentane Welt der Film-Soundtracks ist? Gibt es Soundtracks aus den letzten Jahren, die dich wirklich aus den Socken gehauen haben?
Ich weiß nicht, ob mir etwas einfällt, was den Sachen nahe kommt, die mich erst zu der ganzen Sache gebracht haben, wie Für eine Handvoll Dollar oder Für ein paar Dollar mehr. Mir fällt nichts ein, was mich umgehauen hat und bei dem ich das Gefühl hatte, dass es ein zeitloser Soundtrack werden kann, den die Leute ab jetzt über Jahrhunderte hören. Aber vor einem Monat hat mich der Soundtrack von Nick Cave für einen Film mit dem Namen The Proposition ziemlich beeindruckt, ein australischer…Western könnte man sagen. Ein australischer Western mit ein paar modernen elektronischen Elementen, die ich wirklich interessant fand. Ich denke, ein paar der neuen Leute, die jetzt dabei sind—die nicht der traditionellen europäischen orchestralen Schule der Filmmusik entstammen—, machen wirklich interessante Sachen. Die ganze Geschichte wird offener für einen etwas vielseitigeren Ansatz, was nur Sinn macht. Ich finde, es gibt Millionen an unterschiedlichen Arten, einen Film zu vertonen und das muss nicht immer mit einem Orchester gemacht werden. Viele Leute, die aus der Rock-Welt kommen, haben einen wirklich einzigartigen Ansatz bei Filmmusik. Aber wer gerade den zeitlosen Soundtrack schreibt, der für immer leben und berühmt wird? Das weiß ich nicht, weil das auch gar nicht so richtig mein Milieu ist. Aber es passieren gerade ein paar wirklich coole und wirklich interessante Dinge. Für mich ist das, was Filmmusik—oder Musikmachen generell—faszinierend macht, der Einfluss der Technologie. Das war vorher kein so großer Einfluss auf die Musik. Da haben die Leute die Instrumentierung oder Harmonien erforscht, aber jetzt erforschen sie den Klang selbst. All diese neuen Computertechnologien bringen die Leute dazu, neu über das Komponieren nachzudenken; der Schreibprozess selbst verändert sich gerade aufgrund der Technologie. Ich denke, dass das größtenteils gut ist, aber es wird bestimmt auch irgendwann jemanden geben, der einen Oscar für Filmmusik gewinnt, die auf einem iPhone komponiert wurde (lacht). Ich denke also, es gibt das Risiko, dass das Ganze ein bisschen dämlicher wird.

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